(Kulturzeitschrift) Oberdonau, 1. Jahrgang, Feber-März 1941, Heft 1

WIEN O L — OGRAZ ∆ Z SADIEUIERECE Die Kraft des Raumes Das Kerngebiet Oberdonaus, der Traungau, ist zweimal Ausgangs punkt einer Raumbildung geworden. Donauabwärts entwickelte e die erste Ostmark, die der Sicherung der Donaupforte diente alpeneinwärts die Steiermark als Raumbrücke von der Donau quer durch die Alpen. Im Norden hinderte die böhmische Natur festung eine ähnlich große Entwicklung. Die Raumentfaltung entscheidet die geschichtliche, wirtschaftliche und kulturelle Stellung der Städte des „Städtevierecks“: Enns ist die erste Haup stadt der Ostmark, Steyr die erste Hauptstadt der Steiermark, Linz die Brückenstadt nach Böhmen. Wels sammelt die Kräfte des westlichen und südwestlichen Hinterlandes. schlacht ist die wichtige Grenzpforte an der Donau für immer dem Machtbereich des Ostens entrissen, wird der Traungau fester, gesicherter Reichsboden, kann er die Wachtstellung an der Donau der neuen zweiten Estmark weitergeben, die sich ennsabwärts erstreckt Enns, an dessen Stelle als östlichste Grenzburg des Reiches nun die Zainburg unterhalb Wiens tritt, wird der erste Hauptort der Ostmark, es entfaltet sich zum wichtigen Ausgangspunkt des Osthandels des Reiches ein Stadtrecht von jeje ist das älteste der Ostmark Aber noch spät, nach 600 Jahren, flammt das Ostmark chicksal Oberdonaus noch einmal auf, als an der Enns 3e der westlichste Dorstoß der neuen Ostfeinde, der Türken, vor dem bewaffneten Aufgebot Oberdonaus zerschellt. Uun kann sich die Kraft des Raumes nach neuen Aichtungen entfalten. Wie der Gau in blutigen Kämpfen seinen ersten Kraftstrom durch die Donau¬ pforte nach Osten gesandt hatte, so richtet er nun einen zweiten in friedlichem Siedlungswerk nach Süden. Zier drängt die deutsche Kolonisation die Südslawen, die über die Pässe und durch die Vor alpentäler in die Donauebene einsickern, weit nach 10 AT Süden zurück; schon Kremsmünster war als Mittel¬ punkt deutscher Kultur unter Slawengemeinden ge¬ gründet worden. Durch die deutsche Besiedlung der Alpen wird der südliche Zebel der Slawenzange zerbrochen. Dabei wird hier das geopolitische Geset wirksam, die Täler und Paßübergänge der großen Jordsüdfurchen jeweils von Vorland zu Vorland in einer Hand zu vereinen. Wie Tirol längs der Brenner straße und Salzburg längs der Tauernstraße quer durch die Alpen durchgriffen, so wird auch der Traungau, nachdem er seine erste Raumschöpfung, die Ostmark, aus seinem Gefüge entlassen hatte, nun zum Ausgangs¬ punkt einer solchen Vordsüdraumbildung. Von der Traungauburg Stepr entwickelt sich seit der Mitte des 11. Jahrhunderts nach Süden, längs der Paßlinien, ein einheitlicher Machtbereich, der nach und nach alle Markgebiete am Gstausgang der Alpen vereinigte und sich von der Donau bis an die Save erstreckte, die Steiermark. Ihr Name bewahrt bis heute die Brinne¬ rung an ihre Ausgangsstellung und an ihre erste Hauptstadt Stepr, an deren Stelle erst j123 Graz trat. Zätte diese großartige Raumprägung (Verbindungs¬ land Adriaraum—Donau, geschlossenes Wirtschafts¬ sc gebiet des ostmärkischen Eisens!) Bestand gehabt mußte sie der Schauplatz einer hervorragenden geschicht¬ ichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung werden. Der Glanz des mittelalterlichen Stepr, das lange die reichste und größte Stadt des Gaues war, eine der blühendsten der Ostmark, läßt uns in der Pracht und im Reichtum seines einzigartigen Stadtbildes, in dem sich Wohlstand und bürgerlicher Kunstsinn aus¬ prägen wie sonst in keiner Stadt der Ostmark, Wien ausgenommen, die mögliche Entwicklung ahnen. Nach Norden vermochte die Raumweitung nicht mehr so weit auszugreifen wie nach Süden. Die Rückeroberung der böhmischen Naturfestung, die einst germanischer Dolksboden gewesen war, gelang vorerst nicht mehr. Auch hier wurden die Gesetze des Raumes wirksam: m Gegensatz zum Alpenraum hatte sich im Schutz der böhmischen Zitadelle das Slawentum zu festigen ver¬ mocht. Doch vollzog sich auch hier noch eine gewaltige Leistung deutscher Landschaffung, indem sich der deutsche Bauer nach Besiedlung des Mühlviertels den Übergang über diese widerstandsfähigste Naturgrenze unseres Raumes, eine der besten Buropas, erzwang Durch die Verkehrstore des Böhmerwaldes wird die deutsche Siedlung weit ins jenseitige Vorland vorge¬ tragen, im 12. und y3. Jahrhundert ist der Südwall Böhmens deutscher Volksboden, die Moldau die Yord grenze unseres Gaues. Damit ist auch die Vordflanke des Donauweges gesichert, das Vordringen slawischer Siedlung im Mühlviertel aufgehalten und die Kultur¬ und Handelsbeziehungen nach Böhmen geöffnet. Diese

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