(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 3. Jahrgang, Winter 1936, Heft 2
sd1eint beispielsweise nidit das, auf solidem, rechteckigem „Unterbau" ruhende steile „Turm– dadi" des Oberkörpers der Madonna von der obenerwähnten horizontalen Adise mit den bei– den Engelköpfchenwie von einem starken Sclu·au– benbolzen zusammengehalten und „stemmen" sich nid1t aud1 die hintereinandergeschachtelten dreieckigen „Baugli eder" der Stifterfiguren, selbst wieder innerlich versteift, wie Strebepfeiler ge– gen die vom Kinde schwer belasteten Füfle der Mutter? - Das eigentlich Wunderbare sehen wir aber darin , wie in der Figm der gotisdie Jenseitsgedanke der Andacht und Innerlich– keit, ausgedrückt in Haltung und Mienenspiel der dargestellten Personen, sich in vollendeter Weise verbindet mit dem irdischen, renaissance– mäfüg, rein konstruktiv zum Ausdruck gebrachten Gedanken des Schu~es und der Sicherheit. Tro~ seines Reichtw11s an Einzelfiguren erscheint uns das Werk dmd1 das harmonisd1e Zusammenspiel von Seele, Geist nnd Natur wie aus einem Guß geformt und man könnte es, mus.il. .:alisch ausge– drückt, etwa wie einen feierlichen Orgelakkord empfinden . Neben den Elern.enten der Gotik und Renaissance erblidcen wir in der theo– kratisch-feierlichen und streng frontalen Hal– tung besonders der Hauptfigm eine Reminiszenz an die romanisch -byzantinische Kunstepodie, ebenso wie sich im malerischen Effekt des Schleiers bereits die freiere Gesinnung des späteren Barocks ankündigt. Unser Meister war offenbar ein universeller Geist, ein Leonardo deutschen Geblütes, Zeit– genosse eines Albrecht Dürer und der anderen Kunstrecken um die Wende des t5. Jalu·hunderts. Die sd1on länger verfo]gie Spur dieses Meisters wurde zugleidi mit jener des Stifters erst deut– licher, als Dr. Hans Hod1enegg in Innsbruck die Entdeckung mad1te, daß die, auf der sogenannten Waldauf-Muttergottes in Hall in Tirol und audi im Heiltumbuch von Hall befindlidien Stifterfiguren mit _jenen auf der Frauensteiner Madonna zum Teil wesensgleidi sind.Nad1dern.uns erstere sicher überliefert sind, können wir mm audi ehe le~– teren bene1men. Demnach wäre die kaiserliche Gestalt unter dem Mantel kein geringerer als Maximilian 1., was man sdion fri.iher vermutet hat, da die Porträtälmlichkeit verblüffend ist. Der neben dem Kaiser kniende Ritter ist der Freund und Waffengefährte des Kaisers, Florian Waldauf. Weiters ist nod1 die korpulente Frau gegenüber dem Kaiser als die Gemahlin des 40 Frnuensteiner Madonna, linke Stifterfiguren Lid1tbild : Jnsef Kurz, Sd1l ierhud1 Ritters Waldauf festgestellt worden. Die Gleidi– heit der Figuren auf dem Haller Bild mit jenen auf der Madonna zu Frauenstein erkli:irt sich ganz einfad1 aus der Tatsache, daß höchstwahrscbein- 1id1 beide Werke dem gleid1en Anlaß ihre Ent– stehlmg verdanken. Das Haller Heiltumhudi mel– det darüber folgendes: Am Dreikönigtag des Jah– Tes l489 fuhren Maximilian und Ritter Waldauf während des niederländisd1en Feldzuges über die Zuidersee und wurden dabei von Eisschollen hart bedrängt. Beide gelobten in höchster Gefalrr eine Stiftw1g zu Ehren der Schu~frau Mru·ia. Der Ritter erfüllte sein Gelübde in der Stiftung zu Hall, während wir die Erfüllung des kaiser– lidien Geli.ihdes mit größter Wahrsd1einlid1keit in der Frauensteiner Madonna erblicken dürfen. Das Heiltumbudihat uns abernichtnmdenStifter, sondern auch den genialen Scl1öpfer der Figur
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