(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 3. Jahrgang, Winter 1936, Heft 2

Herzens des Kindes. So ist in ungemem fein– sinniger Form das groHe Mysterium der Erlösung am Kreuz, die von diesem Kinde kommen soll, angedeutet. Freilich, die beiden Engelchen wissen noch nichts von dem „siebenfachen Sd1wert" , das die Mutter schon je~t so besinnlich stimmt. Voll Hingabe im Dienste ihrer hohen Herrin sind sie von köstlicher Gesd1äftigkeit, ver– bunden mit ein wenig Sdialkhaftigkeit, und erinnern in ihrer Naivität dabei an mand1e volks– tümliche Krippenfigur. Ganz anders dagegen wieder die Gestalten unter dem Mantel. In fast byzantinisdi anmuten– der Feierlichkeit, streng symmetrisch gruppiert, bringen sie in Miene und Gebärde denri.itige Scheu, heilige Andadlt und grenzenloses Ver– trauen zum Ausdruck. Umvillkürlich fühlt sid1 der Betrachter von diesen betenden Figuren eingeladen , in den frommen Andad1tskreis ein– zutreten und zusammen mit der Mutter das Kind zu verehren . Trefflich ist durch das Größen– verhältnis der Stifterfiguren zu den Hauptper– sonen der Gruppe der gehörige Respektabstand zwisdien beiden angedeutet tmd die Gefabr einer allzugroßen Vertrautheit, wie sie etwa bei dem bekannten motivverwandten Werke der „Ma– donna des Biirgermeisters Meyer" von Holbein dem Jüngeren zum Ausdruck kommt, gli.icklich vermieden. Ob sich nicht in der Gestalt des ganz links befinclJichen , scheu zurückweichenden Man- Frauensteiner Madonna. redlte Engelsfigur Lichtbi lcl: Josef Kurz. Sdllierbad, nes der fromme Meister selbst unter die Schar der Beter gemengt hat? Wir können es nicht be– weisen. Man könnte die– sen Mann deu „Ehrfurd1- tigen" nennen so wie unseren gottbegnadeten Meister der Töne Anton Bruckner. Sid1er haben beide - jener gotische Mystiker,derdaszuForm und Farbe gewordene ,,Magnifikat'\msererMa– donna schuf,undder„Mu- sikant Gottes" aus der gleichen Gesinnung heraus ihre großen Werke ge– sdiaffen. Beide schöpften aus ibrem gotterfüllten Herzen. Beide wollten sich dem einfachen Manne aus dem Volke verständlid1 mad1en und trafen so in einzigartiger Form das tiefste Wesen aller religiösen Kw1st, das Ubersinnlicbe dem. mensd1- lichen Fühlen und Denken näher zu bringen. So sind illl'e Werke zu förmlid1en Musterbei– spielen der religiösen Kunst überhaupt geworden. Die Frage nach dem begnadeten Meister unserer Madonna, blieb bis vor wenigen Jahren unbe– antwortet. Keine Signatur am Bildwerk selbst, aber auch keine Chronik gibt darüber Auskunft. Der Stil weist ins beginnende 16. Jahrhundett. Echteste Gotik und edelste Renaissance ver– einigen sich in der Madonna zu unerhörter Wirktmg. Wir erkennen erstere vor allem in der ganz und gar mystisd1en Grundhaltung, abge– sehen von der d1arakteristischen Faltenbildung. Das Renaissanceelement drückt sid1 aus vor allem in der, schon oben erwähnten, geradezu raf– finierten Komposition des Werkes verbunden mit einem stark naturalistischen Einschlag in den porträthaft dargestellten Personen. Das konstruk– tive Element beherrscht die ganze Gruppe so sehr, daß uns diese fast an einen Bau, u . zw. an ein ,,sd1ücyend Dad1", erinnert. Es ist eben durch– wegs der Gedanke des Sdmcyes und der Sicher– heit, der in allen Hauptlinien bis hinein in die kleineren Details zum Ausdrud..;: kommt. Er-

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