(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 3. Jahrgang, Sommer 1936, Heft 1

kehrt heim zum Ursprung. Was eine ganz große Zeit als ihr Größtes im Uberglück schöpferisd1er Freude gebar, tragen wir Spätlinge heute, wie sich Dionysos einst weiße, zart duftende, ver– gängliche Winden in den Kranz sein es Wein– laubes flocht. Michael Pachers Altar in St. Wolfgang ist so einzig ni,cht gerade als Leisttmg, sondern als Sehnsudit und Schicksal, manchmal nur ein Siammeln, wie Hölderlins tmnkene Hymnen. Hölderlin sdllug der Zaubedunke des Südens, der in der Provence auf ihn niederzuckte; Mi– chael Pacher trug auf seinen Riesenschultern den ganzen Süden nach demNorden. Man nennt immer Mantegna als Quelle von Pachers Kunst; das mag gelten, soweit sie römisd1 ist; sie ist aber viel mehr europäisch und da muß man Lionardo nennen: er war der Blit,, der in die nordisdie Wettertanne fuhr, daß sie aufflammend sich ver– zehrte. Der Süden, soweit er sich in Mantegna verkörpert, in Lionardo vergeistigt, wird Pad1ers Schicksal; jeder Versud1, auf anderem Weg die RieserJeistwJg und Sd1öpfu11g des Wolfgang-– altares zu verstehen, muß sd1eitern. Sold1ergestah haben die Götter des Südens unsere Heimat besucht, als aus den nordischen Nebeln die Sonne eines neuen Zeitalters langsam empor– stieg. Der Idealismus des vierzehnten Jahrhm1- derts, ein d1ristlid1er Humanismus voll mystisd1er Neigungen, hielt sich zähe im ganzen Bereich der Alpen und des Rheins; Martin Sd1ongauer ist sein größter Vertreter von europäischem Rang; neben ihm steht der Unbekannte, der in Ster– zing am Brenner malte; daneben die unerhörte Fülle plastischer Talente, weld1e mit Bienenfleiß die Volkskunst der deutsd1en Gotik schufen. Die deutsche Plastik hatte in spätstaufischer Zeit ilrre Klassik erreid1t, ihr gotisd1er Nachsommer kann mit Stolz als bloße deutsche Stammeskunst bezeichnet werden; eine klassisd1e deutsche Ma– lerei hat es immer nur als Ansa~ gegeben, um 15 00 und nach 1800; höchstes Versprechen ist Pachers Kunst, deren Sprache tms heute ver– altet klingt, fern und schwach über die Alpen her tönt. Bei Pad1er, als der grö(Hen Gestalt deutsd1er gotischer Malerei , vom E influß Mantegnas zu reden, verzerrt das Problem zur Unkenntlichkeit; das kann man beim jungen Diirer, wo dieser Einfluß mit Händen greifbar, aber Pad1er und der Süden stehen wie Mutter und Kind zu– einander und ein Gott kehrte ein in einer nor- JO dischen Werkstatt. D ie Wunder der van Eyck sind daneben hyperboräisd1; in Pacher schlägt ·wirk lid1 das Herz der europäischen Kunst, wie 100 Jalrre später in Breughel ; alle diese Knospen entfalten sich nicht: Dürer, der Frudit sein könnte, ist ein Neuer und Anderer und von Rubens gilt haargleid1 dasselbe. Unsere müde Kultur sucht und sieht überall magisd1e Wirkung; das Lächeln der Mona Lisa wird Symbol und Inbegriff der Gestalt ihres Schöpfers Lionardo und darin verfüid1tigt sich das Wesen e in es Menschen, der seine Zeit ver– körpert und beseelt. Mantegna stellt Figuren hin als wären sie geschmiedet; Lionardo glüht sie im Feuer seines Geistes. nach dem sie sid1, fremd in der wirklichen Welt. zu sehnen scheinen; bei Pacher aber ist es, als hätte er zunächst sich ganz an Mantegna verloren , ,väre j edoch dam1 durch das Feuer Lionanlos gegangen, um, si.id – licher als Mantegna selbst, das Wunder Lionardos nad1 dem Nol'den zu tragen. In Pacher spiegelt sid1 der Genius Lionardos stärker als in der Mailänder Schule; nun mi.issen wir aber einmal ganz von Pacher absehen , in ihm nur eine Ver– körperung nordisd1en Km1stgeistes und eines ganz bestinunten einmaligen Augenblidcs ger– manismer Geistigkeit erblicken , trm zu verstehen, was es bedeutet hätte, wenn Liomudo nicht an den Hof Franz I. nach F.r:ankreid1, wo er 1519 stiJ:bt, sondern an Kaiser Maximilian sid1 ge– wendet hätte, der damals die bedeutendsten deutschen Künstler besd1üftigte. Als Midiael Pacher am 13. Dezember 14?1 mit dem Abte Benedikt zu Mondsee den Vertrag sdtloH, der uns durch einen w1e1·börten Glüdcsfall in der Ursd1rifi erhalten blieb, war er wohl sd1on der beri.ihmte Künstler, als den ·wir ilm heute kennen. Sein Werk selbst aber ist jet}t, nad1dem die Km1stwerke der Gotik auf wenige Hauptleistungen zusammengeschmolzen sind, die sid1 zumeist in Museen befinden, der anerkannt großartigste der erhaltenen deutsd1enFli.igelaltäi·e; daß er sid1 noch ganz im alten Zusammenhang befindet, am Ort, fi.ir den er geschaffen ,v'-ude, daß ferner die Zeit fast spm-los an Gemälden und Schni~werk vorübergegangen ist, verdoppelt, ver– dreifadit seinen Wert. Es bedarf nun allerdings jahrelanger Bildung des Auges und des histori– schen Sinns, diesen Wert erschöpfend zu emp– finden ; soweit dies durd1 das Wort in Kurzem sich erse~en läßt, soweit Bilder hiebei nadilielfen können , muß es immer wieder versucht werden.

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