(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 3. Jahrgang, Sommer 1936, Heft 1

Steyr, Gewölbe im alten Bürgerspital Ste igt man aus der engen PfaiTgasse die dunkl e, i.iberwölbte Stiege zum Kirchenpla~ hinauf, so könnte man - aus dem Stiegenportal tretend - meinen , di e Zeit se i stille gesta nd en und man w1.mcleTte sich kaum wenn Meister Anton höchst persönlich vom Pfarrhofheriibergescbritten ktime, um in dee gerniHlichen Nische neb en de r sptit– gotischen Ti ir des Mesnerhauses etwa an seine1· achten Symphonie weiterzuarbeiten. Dicht neb en– an duftet der Flieder; verwitterte Grabsteine ragen an der Kirchenmauer aus Gras und Blumen und das Nordportal des Domes liegt wie imme1· still und e rn st im Schatte n. verträumt ,vie cli e vnmd ervollen gotischen, von reichen Bekrönun– gen iiberflammten Steinfigme n, di e es birgt, t'twa wie die liebreizende Dorothee mit dem Köebchen oder die hl. Agnes. Steyr ist also so gut wie St. Florian ehe see– lische Heimat cler Mus ik ßruckners. Und dar wn hat SteyT, das dem großen Sohn e der Heimat das eTste D enkmal se~te (ei11 e Arbeit Viktm T-ilgn ers), auch unbestreitbares Anrecht, sich Brucknerstadt zu ne nnen. Abgesehen aber vo n 14 Licliibi ld : Dr. 1Tuns l la1111u 11, Stey r diesen engsten Bin dungen mit dei- Kun st des Meister,:, b1·eitet sie zudem in allen Gasse n und Gäßchen , in Höfen und auf PhiQen e in e F iiJle von architektonischen SchäQe n vo i- den Augen cles erstau nten Fremden aus: Roman ische Hallen , gotische Patrizierhäuser und Plastiken. Renais– sancehöfe, barocke Fassaden , Innenräume aus der Zeit des Biedermeier und v iele Schönh eiten der tradit ionellen Schmi edeeise nkun st. Wie aber Landschaft und ßaulid1keiten einan– der zu e igenartigen und unvergeßlichen Reizen steigern , so bi etet auch das Leben dieser Stadt ein vielfarbiges Bild, denn hi er beriibren sich der Lebenskreis bäuerlichen Daseins, de1· verschi e– denartigsten Gewerbe und de1· einer hoch ent– wickelten Industrie ; modernst eingerichtete Ma– schin enrtiurn e grenzen unmittelbar an Ackerland. auf welchem seit Jahrhunderten in immer der gleichen We ise gesät und geerntet wird. Dieser seltsame Z,veiklang von Alt und Neu , vo n Ver– gangenheit und Gegenwart. von Landschaft und Siedlung k ennzeichn et die Besonderheit Steyrs . Mit ihr Bekanntschaft machen he ißt: sich urn e in seltenes und schön es Erlebnis bere ichern.

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