(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 2. Jahrgang, Sommer 1935, Heft 1

li eß er sic:h kein I-Ti.ipfekhen seines religiösen Be– kenntnisses rauben. Auf diesem Felsblock der Gottesgläubigkeit basierte die Non-confundar– Verfassung seiner Seele. Ge,v-ifl trug zu ihi· auch b ei die Uberzeugung vom Werte und der sieg– haften Kraft seiner Kunst, abel' sc.hlieRlich war es doc:h immer wieder das aus dem Glauben geborene Wort, das sid1 ihm. von den Lippen . rang: der Herrgott, dem ich mich und mein Schaffen geweiht, kann mich nicht endgültig zu– schanden machen. Bruckners kindliche Frömmigkeit brad1te es auch mit sich, daR e den politisd1en Tagesfragen und Zeitereignissen so ziemlich indifferent gegen– überstand, und alles gewissermaßen sub specie aeternitatis - unter dem Gesichtswinkel der Ewigkeit zu betrachten pflegte. Sollte der Meister - ·wie sie sagen - wirkhd1 nicht jenen Grad wissenschafthd1er Bildung besessen haben, den mru1 von einem Künstler seines Formates er– warten durfte, so bekundete er dafür ein um so größeres MaR wahrer Weisheit. Immer und überall fühlt er seine Gottver– bundenheit, in der Kunst ni cht minder als im praldisd1en Leben. Da ruft er's e inmal hinaus: „Die wollen, daR id1 anders schreibe. - Ich könnte esja auch. Aber ich darf nicht. Wie stände ich dann vor meinem Herrgott da, wenn ic:h den anderen folgte und nicht ihm." - Ich darf nid1t! Welch e in tiefes, programmatisches Wort, welch eine Auffassung vorn Wesen wahrer Kunst! Siehe, der Musikant Gottes, der sich gleich einem Apostel gesandt fühlt, nur das zu künden und zu offenbru·en, was der All erhöchste ibm ins Herz gelegt! Es ist daher weiter nicht zu verwundern , wenn er im Uberschwange seiner Liebe tmd Dank– barkeit das Te Detun „dem lieben Gott widmet, wenn er über die D-Moll-Messe und andere Werke das Motto set}t : 0. A. M. D. G. (Ümnia ad majorem D ei gloriarn, All es zur größeren Ehr e Gottes)". ,,lm Namen Gottes" tritt er die Wienei- Professm an. Acht Tage nach der Ur– auffübnmg der F -Moll-Messe in der Augustiner– kirche schreibt er an Domdechant Sdiiedermayer in Linz: ,,Dem Höch ·ten z u r Ver h err li– ch ung geschrieben, wollte ich das Werk zuerst in der Kirche auffi.ilu·en." Seinem Freund Karl Walcl ed-c weiß er nichts Besseres und Selbstver– stän c.llicheres zu wünschen, als daß er ,veiterhin zur Verher rli chung Gottes wirken möge. Als ei- vernimmt, daß ein überseeisch es Orcheste r eines seiner Werke bringen will, ist er därüber baR erfreut, fühlt sich aber vom Zweifel geplagt : „Werden doch keine Heiden sein!" Wir lächeln vielleicht über eine derartige Einstellung, und doch birgi sie im Grunde genommen einen ri.ih– renclen Beweis zarter Gottesliebe, die wie ein besonderes Charisma an seiner Seele zu haften schien. Wiederholt weist Bruckner in seinen Briefen - wie ein Bach - auf Gebet und Gottvertrauen hin als mäclitige Stücyen im ircliscl1en Leben. ,,Die Zeit ·wird alles, wenn es Gottes Wille ist, red1t mad1en." (So an R . Weinwurm.) Sein Stimnnmgspendel scltlug sowohl bei Glück und Erfolg als in Leid tmd Tri.ibsal stark aus, aber bald fand er immer wieder das Gleichgewiclit seiner Seele oder zwang sid1 zu stiller Resi– gnation. Mit ri.ihrender Andad1t und ohne Menscl1en– furd1t pflegte der Meister zu beten. Selbst in den Zwischenpausen der litmgiscl1en Auffüh– rungen bewegten sich seine Lippen in heiliger Versunkenheit. UnvergeRlich bleibt mir jene Er– griffenheit ru1d Ergebung, mit der er am Parade– b eti des Regenschori von St. Florian, lgnaz Traumihler, neunmal die Bitte lispelte: ,,Dein Wille gesd1ehe !" . . . Der Musilrnnt Gottes, ja, das war er. Wfü·de dari.iber noch ein Zweifel bestehen, so müfüe ilrn die Tatsache b eheben , claR sid1 der Meister in der stillen, einsamen Gruft zu St. Florian in der Nähe seiner Orgel und - seines sakra– mentalen Gottes beise~en ließ. Diirfen wir darin nicht eine le~te und bleibende Manifestation seines feinen religiösen Empfindens erblicken? Es wäre aber weit gefehlt, wi:i.rden wir uns Bruckner etwa als einen sentimentalen Pietisten vorstellen. Er war dies weder in seinem Gehaben nocl1 in seiner Kunst. Im Gegenteil, hier wie dort gewahren wir ein geri.itteltes MaR mäirnlicher Kraft, gesunden Empfindens, erhabener Weihe, alles geboren aus dem starken Glauben und dem unabweisbaren Geföltl der Verantwortung vor seinem Gott. Reden wii· nicht vom Te Deum, nicht von den drei Messen, deren jede für sich schon geeignet ist, tms zu sagen , wer Bruclmer war, aber sclummert, so frage ich, nidit aus allen seinen Symphonien die Gottesidee, wie sie im Meister lebte? Scltlägt uns in diesen grm1diosen Schöpfungen nicht immer wieder ein gewisser religiöser Grundton entgegen? Die so oft ein– se~end en feierlichen Blechsä~e, mahnen sie nidit

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