(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 2. Jahrgang, Sommer 1935, Heft 1

Salzkammerguttracht patriarchalischen „veralteten" Fü.rsorge weit sorg– loser, als heute der Unglückliche, der nicht einmal mehr Recht auf Arbeit hat. Es ist ja 11id1t wahr, was man euch erzählt, ih.r Jungen von heute. Es gab keine Unterdrüdrnng und Gewalt. Man bewegte sich zwanglos in der goldenen Freiheit eines Rechtsstaates, dessen Grenzen k einen Paß und kein Visum kannten. Könnt iln· euch so was überhaupt vorstellen? Und man vertrug sich. Das bißchen Parteigezänk, das man damals beklagte, mutet einen, verglichen mit dem Hader auf Mord und Brand, in .dem ihr aufwachsen müßt, als kinclisd1e Spielerei an. Nationalitätenreibereien gab es im rein deutschen Osterreich nicht, di e Kasten, wem1 noch leere Formen von solchen übrig waren, befanden sich in :fröhlicherSelbstauflösung, und ein Klassenbewußtsein mußte erst mühsam in Köpfe gehämmert werden, denen Bedarf und Verständnis fiu· solche Ideolog·ien mangelte. Deru1 j eder Stand wußte, daß. er des anderen bedurfte und seiner zum Leben nicht entraten konnte. Es gab nicht den mindesten Grund zu Revolu- Lid11hild: P rof. D r. Gebhard Rofünanith, Linz tionen und die Herreu Weltverbesserer, die es ja immer geben muH, damit nicht alles eii1schläft, hatten noch immer Zeit, ausgiebig zu :fri.ihstücken, eh ' sie Reformationen ernstlid1 berieten. TroQ ibnen blieb aber di e Welt nicht stehen 1md ent– wickelte sid1 red1t natürlid1 weiter. Heute, wie man sieht, beraten und :frühsti.id <.en sie noch viel mehr und in weit größeren Kreisen, wo doch ungeheure Eile nötig schiene, und noch während sie am Tisch siQen, föln·t aus der Welt irgend ein Sturm daher, der über den Haufen wirft, was sie endlich beschlossen haben. Ein Sturm brnch aber auch damals los plöQlid1 und ganz aus heiterem Himmel. Es war der Krieg, den wahrlich J:iier niemand gewi.inscht, gewollt oder aud1 nlll' fi.ir möglich gehalten hätte. Je~t besdrnldig·t eine Nation die andere, ihn gehoben zu haben, und keine will der Stören– fried gewesen sein. Je~t, nad1dem man zerschlagen was Jahrhunderte gefügt und au:ferbaut, geht man mit gTOflen Leimtöp:fen daran , mi:ihselig zured1t zu kleistern. Aber clie Stiicke wollen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2