Der Sauschneider Kaspar Schiffner († 1797) und seine Bibliothek.

222 Der Beruf des Sau- oder Schweineschneiders brachte wie gesagt eine gewisse horizontale Mobilität mit sich, denn diese Berufsgruppe kam oft weit herum. 14 Besonders im salzburgischen Pinzgau und im Lungau waren zahlreiche Angehö- rige dieses Berufsstandes ansässig. Auch in die Literatur hat der Schweineschnei- der, der als gerissener Bursche galt, Eingang gefunden, gehört er doch gewisser- maßen zu den Ahnherren des Wiener Hanswursts, und der erste oberösterrei- chische Mundartdichter, der Lambacher Benediktinerpater Maurus Lindemayr, lässt in seiner Komödie „Der ernsthafte Spaß“ den Sauschneider Jöri aus dem Pinzgau auftreten, der als Gevatter eines etwas verlotterten Bauern diesem wie- der auf die Bahn zu helfen versucht. 15 Dabei wird auch deutlich, dass dieser Beruf in Salzburg angesehener war als im Lande ob der Enns und seine angenehmen Seiten hatte, wobei vor allem der leiblichen Genüsse gedacht wird, die in jedem Ort zu haben sind, wo der Sauschneider hinkommt. Den Großteil der Schiffnerischen Bibliothek kennen wir nicht — abgesehen von der Erwähnung der „Annales Styrenses“ Preuenhubers —, aber ein Verzeich- nis der verbotenen Bücher hat sich erhalten, das auf 96 Nummern kommt . 16 Die- ses wurde von der Zensurbehörde in Linz erstellt, wobei als Referent in dieser Angelegenheit niemand anderer als der berühmte und seit 1779 in Linz wirkende Kanonist Joseph Valentin Eybel genannt wird . 17 Es entbehrt nicht einer gewissen 14 Vgl. Jacob u. Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, 8. Band, Leipzig 1893, Sp. 1928 und J. An- dreas Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, bearb. von G. Karl Frommann, 2. Bd., München 1877, Sp. 200; obwohl Kaiser Leopold I. 1699 die Sauschneider für zunftfähig erklärte, wurde ihr Gewerbe noch lange Zeit später verspottet (vgl. Werner Danckert, Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe, Bern —München 1963, 189.) 15 Vgl. Otto Rommel, Die großen Figuren der Altwiener Volkskomödie, Wien 1946 (—Der Binden- schild, Heft 1), 16; der Sauschneider „Jöri“ in: Maurus Lindemayr's Sämmtliche Dichtungen in ob- derennsischen Volksmundart, hg. von Pius Schmieder, Linz 1875, 50 ff. bes. 87 f., 99. (Freundlicher Hinweis von Herrn Oberrat Dr. Johann Lachinger, Linz.) 16 Vgl. Anhang. 17 OÖLA, Landesregierungsarchiv, Einreichungsprotokoll 1800, ZI. 900. Die betreffenden Akten wurden leider skartiert (vgl. Landesregierungsarchiv, Sch. 29, Nr. 2). Über Eybel vgl. Hans Sturm- berger, Zwischen Barock und Romantik, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereins 93 (1948), 147 ff. undManfred Brandl, Der Kanonist Joseph Valentin Eybel (1741— 1805). Sein Beitrag zur Aufklärung in Österreich, Steyr 1976. Über die Zensur im theresianischen Österreich vgl. allge- mein: Grete Klingenstein, Staatsverwaltung und kirchliche Autorität im 18. Jahrhundert, Wien 1970. Wie rigoros man seit Joseph II. v. a. gegen verschiedene religiöse Werke vorging, zeigt Oskar Sashegyi, Zensur und Geistesfreiheit unter Joseph II., Budapest 1958, 186 ff. 17a Das religiöse Schrifttum überwiegt auch anderswo (80 %) beim Bücherbesitz, etwa bei den Handwerkern und Bürgern in Tübingen (vgl. Rudolf Stadelmann — Wolfram Fischer, Die Bildungs- welt des deutschen Handwerkers um 1800, Berlin 1955, 180). Der Bücherbesitz in Tübingen spie- gelt ziemlich genau die soziale Rangordnung wider, nur die Müller und Schäfer zeichnen sich durch überdurchschnittliche Quantitäten aus (Ebenda, 189). Zu einem ähnlichen Ergebnis betreffend das religiöse Schrifttum kommt eine Untersuchung über die Reichsstadt Frankfurt. In nur 23 Nachläs- sen der Jahre 1795 — 1805 (das sind 7,7 %) fand sich weltliches Schrifttum (vgl. Walter Wittmann, Beruf und Buch im 18. Jahrhundert, wirtschaftswiss. Diss. Frankfurt, Bochum 1934, 60).

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