Mit der Postkutsche nach Steyr – Reisen in den Hauptort des Traunviertels vor 1850
2 Inhalt 1) Reisen vor 200 Jahren ................................................................................................................. 5 2) Am Wege nach Steyr ................................................................................................................... 8 3) Steyr in den frühen Handbüchern für Reisende ...................................................................... 9 4) Literatur ........................................................................................................................................ 14
5 1) Reisen vor 200 Jahren Wenn man über Reisen vor 1850 nachdenkt, sollte man sich in Erinnerung rufen, dass Eisenbahn, Kraftfahrzeuge, heutige Geschwindig- und Verlässlichkeiten sowie gut ausgebaute Straßen bestenfalls Science Ficton waren und dass nur eine kleine Minderheit unterwegs war. Wer nach Steyr kommen wollte, war auf „zu Fuß gehen“, Pferde oder andere Lasttiere sowie Kutschen angewiesen. 1845 bestand bereits ein ausdifferenziertes Verkehrswesen1, wiewohl zu Fuß gehen noch immer das zentrale Fortbewegungsmittel war. Auch wenn versucht wurde, Gehen mit Fahrgelegenheiten zu kombinieren. „Auch der rüstige Fußgänger thut nicht wohl, wenn er die ganze Reise zu Fuße zu machen sich capriziert (es sei denn besonderer Zwecke wegen), sondern benutzt vorkommende Gelegenheit, um gewisse Strecken zu fahren.“ Nach den napoleonischen Kriegen wurde das Postwesen in Österreich schrittweise (wieder) aufgebaut2. Die Postkutschen konnten – neben dem Briefverkehr - zum Reisen genutzt werden. Auf den Hauptrouten3 kamen Mitte des 19. Jahrhunderts Eilwägen oder die schnelleren Brief-Courirere (nur 3 Plätze) zum Einsatz. Individueller waren 1 Reichl J., 1845. S. 3ff. 2 https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichische_Postgeschichte_bis_1806. Aufgerufen am: 28.11.2021. 3 Alle folgenden Informationen zum Postwesen – so weit nicht anders notiert - aus: Reichl J., 1845. S. 3ff.
6 Sonder-Eilwägen (vergleichbar mit Sonderfahrten auf bestehenden Linien) oder Extrapost, für die ein Erlaubnisschein erforderlich war. Billige Postbotenwägen („jedoch nicht überall eingeführt und nicht sehr bequem“4) ergänzten diese Möglichkeiten. Die Entfernungen wurden in „österreichsicher Post“ (auch „Post“) angegeben. Das entspricht zwei „Deutschen Meilen“ – also rund 15,2 km. Für diese Entfernung durfte ein Postillion nicht mehr als zwei Stunden benötigen. Die Gehzeit wurde für diese Strecke mit vier Stunden bemessen5. Mit Pausen an Poststationen und Pferdewechsel kam man auf eine Reisegeschwindigkeit von 4,5 - 7 km/h. In Eilwägen waren für eine „Post“ 1845 48 Kreuzer je Person zu bezahlen. Dies entspricht heute Euro 16,506. Lohnkutscher boten Landkutschen und Stellwägen, eine „Art Omnibus“ für größere Gruppen, an.7 Für einen Stellwagen waren für eine „Post“ zwei Gulden (heute: Euro 47,508) zuzüglich Wege-, Brücken- und Trinkgelder - nicht aber die Kosten für das Futter -zu bezahlen. Informationen zu Routen, Verkehrsmitteln, Gastronomie, Geographie oder Städten entnahmen Reisende den ab 1800 erscheinenden Reisehandbüchern, 4 Reichl J., 1845. S. 4. 5 Schmidl A., 1834. S. 28. 6 https://www.eurologisch.at/docroot/waehrungsrechner/#/. Ausgelesen am 28.11.2021. 7 Reichl J., 1845. S. 5. 8 https://www.eurologisch.at/docroot/waehrungsrechner/#/. Ausgelesen am 28.11.2021.
7 Posthandbüchern oder Poststraßenbüchern9 aber auch regionalen Geschichte- und Geographiewerken.10 Reishandbücher sind nach Routen durch das Kaiserreich bzw. durch Mitteluropa gegliedert und beschreiben einzelne wichtige Orte an den Reisewegen. In den Posthandbüchern wiederum finden sich Postrouten, Entfernungen, Reisezeiten, Fahrpläne und Preise ohne weitere touristische Informationen. Zudem werden diese Bücher ergänzt um Angaben zu den vielfältigsten Passierscheinen und -genehmigungen, die damals für Reisen gefordert waren. Ebenso sind die verschiedenen Währungen, Gewichte und Längenmaße beschrieben, die – insbesondere in Deutschland – zumeist nur kleinräumig galten. So kennt Schmidls Reishandbuch im Jahr 1834 neun unterschiedlich lange Meilen und über 100 Varianten das Maßes Fuß für West- und Südeuropa (ohne Russland und den britischen Inseln).11 9 Siehe Literaturverzeichnis dieses Beitrages. 10 Vgl.: Pillwein B., 1828. Pritz F. X., 1837. 11 Schmidl A., 1834. S. 21 ff.
8 2) Am Wege nach Steyr Steyr lag damals an der Kreuzung der Hauptroute (als Poststraße bezeichnetet) von Linz über Enns, Steyer, Eisenerz nach Grätz12 mit der Commercialstraße (Steyrer Straße, Welser Straße) von Wels über Kremsmünster, Steyr in das Österreich unter der Enns. Dazu kam eine untergeordnete Verbindung über Wolfern Richtung Niederneukirchen.13 In Steyr trafen so die Postrouten Nr. 241 (Von Steyr nach Wels) und, die ältere, Nr. 242 (Von Linz über Enns und Steyer nach Gratz) aufeinander.14 Ab 1845 verkehrte zudem ein regelmäßiger Postwagen nach St. Peter in der Au15 mit Anschluss nach Wien. Linz über Enns, Steyr nach Gratz wurde bereits seit 1819 mit einem Postwagen betrieben16, die nächstliegenden Poststationen waren nördlich in Enns und südlich in Losenstein, Weyer sowie Altenmarkt.17 Die Post verkehrte nicht täglich und die Reisedauer war im Jahr 1829 beträchtlich: von Linz nach Steyr zwei Mal pro Woche - Abfahrt Linz sieben Uhr früh, Ankunft Steyr um fünf Uhr am Abend. Dies machte bei sechs Meilen eine Dauer von zehn Stunden inklusive aller Pausen und Pferdewechsel und einen Preis pro Person von einem Gulden und zwölf Kreuzer. Umgerechnet auf heutige Zahlen: 4,5 km/h, Euro 24,--18; 12 Historische Bezeichnung von Graz. 13 U. a.: Pillwein B., 1828. Karte am Schluss des Buches. 14 Raffelsberger F., 1834. S. 321. 15 Brandl M., 1980. S. 132. 16 Brandl M., 1980. S. 132. 17 Pillwein B., 1828. Karte am Schluss des Buches. 18 https://www.eurologisch.at/docroot/waehrungsrechner/#/. Ausgelesen am 28.11.2021.
9 3) Steyr in den frühen Handbüchern für Reisende Rudolf E. von Jenny19 listet 1822 Steyr nicht nur auf der Route nach Gratz sondern auch auf jenen von Wien über Enns nach Altenmarkt, Admont und Lietzen bzw. über Hieflau nach Admont oder über Altenmarkt, Windischgarsten nach Lietzen sowie von Wien über Amstätten, Waidhofen, Steyer, Kremsmünster, Lambach nach Gmunden. In Steyr wird zur Unterkunft der Gasthof zur Goldenen Korne (heute: Stadtplatz 29) empfohlen. „Die Burg, der Platz und die Domkirche sind sehenswürdig. … Ferner sind zu erwähnen die hintere Michaeler- (ehemalige Jesuitenkriche), das Schauspielhaus am Schloßberge, 2 Casernen, 2 Schießstätten und der Tabor, der höchste Punkt in der Vorstadt Steyrdorf, … (der) ebenfalls eine weite und schöne Aussicht darbietet. Steyr ist ein sehr nahrhafter und gewerbefleißiger Ort, hat eine Gewehrfabrike in der nahen Gegend unter dem Himmel, ein Büchsenmacher-Lehrinstitut in einem aufgehobenem Jesuitenkloster, und wichtige Sensen-, Blech-, Drahtwaaren- Pfannen-, Kochgeschirrfabriken und Messerschmieden; ferners sind hier 2 Wollzeug-Manufacturen, eine Manschester- und Cattun-Manufaktur, mehrere Strumpf- und Mützenfabriken, und in der Nachbarschaft 4 Papiermühlen. Der Handel mit Eisenwaren, wollenen Zeugen, Mützen und Strümpfen ist bedeutend.“20 19 1822. S. 168, 177, 185 und 186. 20 Jeeny R. E. v., 1822. S. 168f.
10 In der Umgebung werden Christkindl und Garsten zu besuchen empfohlen.21 Wie Jenny preist Pillwein 182822 in seiner Beschreibung des Taunkreises die schöne Aussicht „am Tabor, dem höchsten Punkte der Vorstadt Steyrdorf, über die Stadt Steyr, und die umliegende Gegend, hin dann auf die Gebirge von Admont, auf jene von Spital, auf den Traunstein bey Gmunden;“ Darüber hinaus weist er fünf Freizeitangebote aus: (1) Wanderungen auf den Steyrer Hausberg Damberg über St. Ulrich und/oder weiter in das Dambachtal. (2) Als kulturelle Unterhaltungsmöglichkeiten wird der Musiksalon Pumgartner mit regelmäßigen Konzerten erwähnt - "Viele der gewähltesten und stets neuesten Musikalien trifft man bey Sylvester Pumgartner, Vicefaktor und Kassier der k. k. Innerberger Hauptgewerkschaft in Steyr".23 (3) Das ab 178924 in der ehemaligen CölestinerinnenKirche Steyr errichtete Theater bietet Gastvorstellungen während des Sommers und regelmäßige Veranstaltungen mehrmals in der Woche zur Winterszeit. (4) Ebenso genannt sind Steyrer Jahrmärkte „am Donnerstage nach Jubilate25 und am Montage nach Michaeli26 …, welche jedesmahl (sic) 14 Tage dauern“27, und (5) Für Glückspieler die Lottokollektur Steyr (eine von 14 Kollekturen des Traunkreises)28. 21 Jenny R. E. v., 1822. S. 169. 22 Pillwein B., 1828. S. 107. 23 Pillwein B., 1828, S. 206f. 24 https://de.wikipedia.org/wiki/C%C3%B6lestinerinnen-Kirche_Steyr. Abgerufen am26.9.2021. 25 Jubilate: dritter Sonntag nach Ostern. 26 Michaeli: 29. September. 27 Pillwein B., 1828, S. 164. 28 Pillwein B., 1828, S. 197.
11 Eine lexikalische Aufzählung aller Gewerbe, öffentlichen und sakralen Gebäude, staatlichen Einrichtungen, Schulen sowie der Straßen und Plätze ergänzt auf akribische Weise bei Pillwein die Beschreibung Steyrs.29 1831 empfiehlt A. J. Groß30 die Reiseroute Wien über Enns, Steier oder Linz über Steier, Windisch-Garsten, Radstadt nach Bad-Gastein. Steyr wird ähnlich wie bei Jenny neun Jahre zuvor beschrieben. Zusätzlich wird ein Besuch in Gleink angeraten und die „reizende Aussicht der beiden Flüße und ihrer malerischen Ufer“ in Zwischenbrücken gelobt. Als Spaziergänge sind jene nach Christkindl, „unter den Himmel wo vier Rohrhämmer sind und Musketenläufe gemacht werden“, sowie auf den „Damberge über St. Ulrich“ empfohlen. „Der Berg kann bequem in einer (sic) Stunde erstiegen werden. Am Damberge soll sich eine merkwürdige Höhle, das Windloch, befinden.“ Ähnlich wird Steyr 1834 in Adolf Schmidls Reisehandbuch durch das Erzherzogtum Oesterreich beschrieben31, wiewohl er Kulturelles ergänzt: „Steyer ist der Geburtsort des Dichters A. Blumauer, des Tonsetzers Süßmayer (Mozarts Requiem), des größten deutschen Sängers M. Vogl …“ Keck fügt er schließlich hinzu: „Die Steyrerinnen bilden ein wirklich schönes Geschlecht; Linzerhauben32 sind häufig.“ 29 Pillwein B., 1828. S. 443ff. 30 S. 227 und 250ff. 31 Schmidl A., 1834. S. 255ff. 32 https://brauchma.at/kopfbedeckungen-in-der-tracht-die-linzer-haube/ Ausgelesen am 28.11.2021.
12 1837 erschien die Geschichte der Stadt Steyr von F. X. Pritz – auch mit Reiseinformationen. Er weist zwei Gasthäuser am heutigen Stadtplatz (Kaltenböck; Zur Goldenen Krone / Grösswang), eines am Grünmarkt (Zum Goldenen Schiff), je eines am heutigen Brucknerplatz (Gaffl) und in Steyrdorf (Zur Goldenen Sonne / Reichl; Sierninger Straße 7) aus. Pritz fügte hinzu, dass es im Steyr der 1830er Jahre insgesamt 47 Gast- und zwei Kaffeehäuser gäbe33. Ebenso erwähnt sind Möglichkeiten dem Schießsport zu frönen34: (1) Fürstlich Lambergsche Schießstätte im Schlossgraben (2) Schießstätte "unweit von der Stadt an der Enns" Ab 1842 erwähnte Karl Baedeker in seinem Handbuch für Reisende in Deutschland und dem Österreichischen Kaiserstaate mit 15 Zeilen (ohne - im Vergleich zu den hier angeführten Vorgängerwerken - neuen Informationen) die Stadt Steyr. Ab der 3. Auflage35 im Jahre 1846 wird neben der Goldenen Krone ein zweiter Gasthof, Der Goldene Ochs (heute: Stadtplatz 35), gelistet. Schließlich kennt Joseph Reichls (1845) Reisehandbuch für Salzburg, das Salzkammergut, Tirol, Vorarlberg und das südbairische Gebirgsland – nebst den wichtigsten Seitenrouten durch Oesterreich bis Wien und Triest 49 Reiserouten - an einer, der traditionellen von Linz über Enns nach Graz, findet sich Steyr. 33 Pritz F. X., 1837, S. 36. 34 Pritz F. X., 1837, S. 37. 35 Baedeker K. 1846.
13 Das Buch bietet jedoch praktisch idente Informationen wie die anderen Publikationen. Was nahe legt, dass Autoren auch voneinander abgeschrieben haben, ohne - verständlicherweise - selbst alle Routen bereist zu haben.
14 4) Literatur Baedeker K., Handbuch für Reisende in Deutsch-land und dem Österreichischen Kaiserstaate. 3. Auflage. Nachdruck. Leipzig. 1846. Baedeker K., Handbuch für Reisende in Deutschland und dem Österreichischen Kaiserstaate. Leipzig. 1842. Brandl M., Neue Geschichte von Steyr. Steyr. 1980 Groß-Hoffinger A., Handbuch für Reisende durch das Erzherzogthum Oesterreich, Steiermark, Salzburg, Krain, Kärnten ... oder geographisch-malerische Schilderung der merkwürdigsten Reiserouten durch diese Provinzen, nebst Meilenzeiger und alphabetischem Ortsregister. München. 1831. Jenny R. E. v., Handbuch für Reisende in dem österreichischen Kaiserstaate mit mehreren Hauptrouten der angränzenden Länder. Nach den neuesten Länder-, Orts- und Reisebeschreibungen, vielen handschriftlichen Quellen und eigenen Reisebemerkungen. Erste Abtheilung: Die am rechten Donau-Ufer gelegenen deutschen Staaten und das lombardisch-venezianische Königreich (nebst einigen Hauptrouten durch Baiern, Helvetien und OberItalien) enthaltend. Wien. 1822. Pillwein B., Geschichte, Geographie und Statistik des Erzherzogtums Oesterreich ob der Enns und des Herzogthums Salzburg. Zweyter Theil: Der Traunkreis. Linz. 1828. Pritz F. X., Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyr. Nachdruck. Steyr. 1837. Raffelsberger F., Der Reisesecretär. Ein geographisches Posthandbuch für Reisende, Kaufleute, Geschäftsmänner und Postbeamte. Band 1. Wien. 1829. Raffelsberger F., Der Reisesecretär. Ein geographisches Posthandbuch für Reisende, Kaufleute, Geschäftsmänner und Postbeamte. Band 3. Wien. 1831. Raffelsberger F., Poststraßenbuch oder Wegweiser durch Europa, mit besonderer Berücksichtigung auf den österreichischen Kaiserstaat: Ein Hülfsbuch für jeden Reisenden, Postmeister, Postbeamten, Kauf- unfd Geschäftsmann, um in den k. k. österreichischen Staaten, und über Wien in alle europäischen Haupt- und Residenzstädte, in die wichtigsten Seehäfen und Handelsplätze und nach den berühmtesten Badeorten reisen zu können. Wien. 1834. Reichl J., Reisehandbuch für Tirol und Salzburg, Salzkammergut, Vorarlberg und das südbairische Gebirgsland. Leipzig. 1845. Schmidl A., Reisehandbuch durch das Erzherzogthum Oesterreich mit Salzburg, Obersteyermark und Tirol. Leipzig. 1834.
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