Josef Ofner - Die Eisenstadt Steyr

60 Eine bescheidene Erhöhung der Einkünfte des Schulmeisters brachten die Gaben der Recordation zu Gregori (12. März). An diesem, die Winterschule beschließenden Schulfeste wurden mit den Schülern Umzüge in der Stadt veranstaltet, vor den Häusern der vornehmen Bürger geistliche Lieder gesungen und neue Schüler aufgenommen. Von der Stadtobrigkeit bestellte Schulinspektoren, gewöhnlich einflussreiche Ratsbürger, überwachten den durch eine „Schulordnung“ geregelten Unterrichtsbetrieb. Die Meistersinger Zu den wenigen Städten Österreichs, in deren Mauern der Meistergesang eine gastliche Heimstätte fand, zählt in erster Linie die alte Eisenstadt, deren wohlhabende, der Lehre Luthers ergebene Handwerkerschaft sich frühzeitig der „holdseligen“ Kunst widmete. Als Ahnherr der Steyrer Meistersinger wird der sagenhafte Heinrich von Ofterdingen genannt. Im Jahre 1562 nennt uns Lorenz Wessel, ein Kürschner aus Essen, die zwölf Begründer des Meistergesanges in unserer Stadt, von denen zehn den eisenverarbeitenden Berufen angehörten. Die in den Bibliotheken zu Göttweig, Wien, München und Dresden verwahrten Liederhandschriften österreichischer Meistersinger vermitteln uns Namen und zum Teil auch die Dichtungen der Steyrer Meistersinger, ebenso enthalten die Ratsprotokolle wertvolle Hinweise. Von den 34 Meistersingern, die sich in Steyr entweder dauernd oder nur vorübergehend aufhielten, seien erwähnt der Ahlschmied Severinus Kriegsauer, der berühmteste Meistersinger Österreichs, der Nadler Peter Heiberger, der Messerverleger Lorenz Hagmair und der Bortenschlager Nikolaus Lindtwurm. Reich an feierlichen Sing-Veranstaltungen („Singschulen“), meist um Ostern undWeihnachten, waren die Jahre von 1559 bis 1624. In der einschlägigen Literatur wird als Versammlungsort für die Singschulen die Dominikanerkirche (evangelische Schulkirche) angesehen. Diese Vermutung mag für manche Singschule zutreffen, doch wird in den Ratsprotokollen aus den Jahren 1599 und 1601 ausdrücklich die Durchführung der Singschulen im Rathaus erwähnt.

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