Josef Ofner - Die Eisenstadt Steyr

42 Zwischen dem Gleinker und dem Schuhbodentor verstärkte eine heute noch sichtbare Wehrturmanlage die Stadtmauer. Aus dieser Zeit stammt auch das kapellenartige Wachthaus am Tabor. Die neuen Wehranlagen unterzog 1482 ein kaiserlicher Kommissär ei- ner eingehenden Besichtigung. In Zeiten der Gefahr erfuhr die Stadtbefesti- gung, besonders in den Vorstädten, eine Erweiterung durch Vorwerke wie Palisaden und Schanzbauten. Die Verteidigung der Stadt war Sache der Bürger, die sich ihre Kriegs- ausrüstung selbst beschaffen mussten. Geschütze und andere schwere Waffen wurden von der Stadt angekauft. Zur Zeit Kaiser Maximilians ver- wahrte die Stadt in ihrem Zeughaus 16 größere und kleinere Geschütze („Schlangen“), 117 ganze Hakenbüchsen, 66 halbe Hakenbüchsen samt Pul- ver und Kugeln. Die Ausbildung der Bürger und ledigen Burschen im Büchsen- und Stahlschießen (Stachl oder Armbrust) wurde seit 1506 im Rahmen einer Schützenvereinigung vorgenommen. Für Schieß-Wettbewerbe stiftete die Stadt als ersten Preis ein Hosentuch. Die Schießstätte lag bis ins 17. Jahrhun- dert vor dem St.-Gilgen-Tor und später im Stadtgraben (bis 1834). Die neuen Befestigungsanlagen bewährten sich schon einige Jahre nach ihrer Errichtung. Unter Wilhelm Tettauer drangen die Ungarn 1485 abermals bis an die Enns vor, schlugen bei Ernsthofen über den Fluss eine Brücke und errichteten Schanzen („Tettauer Schanzen“). Sie kamen mehr- mals in die Nähe von Steyr, vermochten aber in die Stadt nicht einzudringen. Der Burghauptmann Andreas Krabath von Lappitz vertrieb sie aus der Umge- bung und sperrte ihnen auch den Zugang ins Ennstal. Die Befestigungswerke der Stadt waren nicht allein ein Schutz gegen feindliche Angriffe, sie ermöglichten in Friedenszeiten auch die Kontrolle des Handels und Verkehrs. Torwächter oder Torsperrer, die nicht immer ihre Pflicht erfüllten, überwachten an den Stadttoren, die in der Nacht geschlos- sen waren, die ein- und ausfahrenden Fuhrwerke. So diente das im Renais- sancestil erbaute Schnallentor am „Gottsackerberg“ fast ausschließlich Mautzwecken (Schnalle = Maut). Wenn auch das in reichem Sgraffitosch- muck prangende Tor die Jahreszahl 1613 trägt, so dürfte es doch schon frü- her erbaut worden sei.

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