Josef Ofner - Die Eisenstadt Steyr

132 die Firma „Josef und Franz Werndl & Comp., Waffenfabrik und Sägemühle in Oberletten mit dem Sitz in Steyr“ gegründet. Die Niederlage bei Königgrätz im Jahre 1866 veranlasste die österrei- chische Heeresverwaltung, Hinterladergewehre einzuführen. Werndl er- hielt den Auftrag, 80.000 Vorderladergewehre in Hinterladergewehre um- zuarbeiten. Da der „Werndl-Holubsche Hinterlader-Verschluss“ auch die Genehmigung des Kriegsministeriums gefunden hatte, langte 1867 in Steyr die Bestellung auf 250.000 „Werndl-Gewehren“ ein. Von Karl Holub erwarb Werndl das Verwertungsrecht der unter der Bezeichnung „Werndl-Ho- lubsches Hinterladungs-Gewehr“ patentierten Erfindung. Die zahlreichen Aufträge erforderten die Erweiterung der Fabriksan- lagen. Das hierzu nötige Kapital brachte die „Österreichische Waffenfab- riksgesellschaft“ auf, in die am 1. August 1869 die Firma J. F. Werndl über- ging. Der Generaldirektor der neuen Firma, die ungefähr 4500 Arbeiter be- schäftigte und wöchentlich fünftausend Gewehre erzeugte, war Josef Werndl, Karl Holub der technische Direktor. Im nächsten Jahre erbaute das Unternehmen in Budapest eine Fab- rik, in der man Honvedgewehre ausfertigte. Werndl erwarb 1872 die Wolfsegger Braunkohlenwerke um 2,640.000 Gulden. In Steyr wurden Gründe angekauft und mit Fabriksobjekten verbaut. In den folgenden Jah- ren brachte die Firma neue verbesserte Gewehrmodelle heraus. Die Waf- fenfabrik belieferte mit Handfeuerwaffen, Bajonetten und einzelnen Be- standteilen nicht nur Österreich-Ungarn, sondern auch Deutschland, Frank- reich, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Montenegro, Portugal, Chile, Persien, China und andere Staaten. Bis zum Jahre 1884 wurden 2,121.000 Gewehre, mehrere Millionen Gewehrbestandteile erzeugt und eine halbe Million Gewehre umgearbeitet. Von 1887 bis 1892 erreichte die Produktion 1,082.324 Gewehre und 1,122.400 Gewehrbestandteile, mehr als 10.000 Arbeiter fanden 1890/1891 in den Werken Beschäftigung. Im Jahre 1893 umfasste der Besitz der Waffenfabrikgesellschaft 15 große Objekte, 120 verschiedene Gebäude in Steyr und zehn maschinell eingerichtete Werks- anlagen in Letten. Das von Werndl gegründete Unternehmen brachte in diesen Jahrzehnten eine durchgreifende Besserung der Wirtschaftslage der Stadt, in der 1890 mehr als 600 Handwerks- und Industriebetriebe und 574 Handelsunternehmungen bestanden. Steyr war zur Waffenschmiede des Kontinents emporgestiegen.

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