15 #persönlichkeiten Handelsakademie Steyr, 6. Juni 2000: Matura. Mündliche Prüfung. Spanisch. Fünf Jahre zuvor, bevor ich in die erste Klasse HAK kam, dachte ich: „Vielleicht hätte ich doch Französisch nehmen sollen.“ Und dann kam Frau Professor Leonhartsberger in die Klasse. Sie kam mit einer geballten Ladung an Spanisch, Leidenschaft und Feuer, und nie wieder dachte ich, dass ich doch besser Französisch hätte nehmen sollen. Es war um mich geschehen. Und jetzt sitze ich da bei der mündlichen Matura, alles ist so offiziell und mir fällt keine Antwort auf die Frage ein. Ich habe einen Frosch im Hals und obwohl ich die spanische Sprache so genieße, krieg ich kein „Meiner Meinung nach“ oder „Ich denke, dass...“ auf Spanisch heraus. Auch Leidenschaften dürfen Hürden haben. Eine wichtige und auch schöne Lektion im Leben, weil man die Dinge schätzen lernt. Khao Lak, Thailand, 11. Jänner 2005: Wenige Wochen nach dem großen Erdbeben im indischen Ozean stehe ich mit Studienkolleg*innen sprichwörtlich vor dem Nichts. Dieses Nichts soll vor der Naturkatastrophe ein paradiesischer, weißer, feiner Sandstrand mit Palmen und Strandcafés gewesen sein. Unser Auftrag ist es, die Strände zu kartographieren, sodass schriftlich festgehalten werden kann, wo die vielen Fischer und ihre Familien ihren Lebensort hatten. Internationale Hotelkonzerne reagierten nach dem Tsunami rasch mit der Beanspruchung von Strandgebieten. Menschenrechtsorganisationen versuchen nun, die Fischer in der Verteidigung ihres Wohn- und Lebensortes zu unterstützen. Mein Studium sollte mich zu einem Beruf führen, aber schnell wurde daraus viel mehr, nämlich eine Berufung. Café Blaustern, Wien, 17. Juni 2007: Gemeinsam mit meinen Arbeitskolleg*innen stehe ich an der Bar. Wir frühstücken noch schnell, bevor der große Andrang, den das Café Blaustern genießt, die Stunden verfließen lässt. Die 30er-Tische sind heute mein Bereich. Ich freue mich, weil der Fenstertisch auf der rechten Seite, der 31er, zählt auch dazu. Seit Jahren ist der 31er-Tisch an Sonntagen für Niki Lauda und seine Familie reserviert und die geben immer besonders gutes Trinkgeld. Über Selbstlosigkeit denke ich auch nach, jeden Sonntag, wenn ich Laudas Frau, die ihm eine Niere gespendet hat, sehe. Alle zusammen sind sie angenehme Gäste. Eine Familie, die ihr Beisammensein genießt – neben der beruflichen Karriere wahrscheinlich Niki Laudas größter Erfolg. Ruhe in Frieden, Niki! Syrische Wüste bei Palmyra, 21. November 2010: Man muss also in die Wüste reisen, um absolute Stille zu erfahren. Es geht kein Wind, es bewegt sich nichts, kein Stein, kein Sandkorn, nichts. Die Berge, die sich im Fernen über den Horizont ziehen, scheinen die Stille des Wüstentals zu beschützen. Der Begriff Ruhe erhält eine neue Dimension. Ich bin dankbar, als Frau und als junger Mensch die Freiheit und Möglichkeit zu haben, die Welt zu bereisen. „Yallah ya Silvia, dinner is ready!“ Die Stille und meine Gedanken werden unterbrochen. Für gutes Essen immer gerne. Mexikanisches Außenministerium, 2. März 2016: Gemeinsam mit der österreichischen Botschafterin in Mexiko sitze ich im Büro des Generaldirektors für multilaterale Fragen im mexikanischen Außenministerium. Im Auftrag des österreichischen Außenministeriums sollen wir vorsprechen und gemeinsame Initiativen erarbeiten, um Indien für die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags zu gewinnen. In der Politik und in den internationalen Beziehungen liegen den Entscheidungen oft strategische Überlegungen zugrunde. Doch auch ideologische Wertvorstellungen finden ihren Platz. Österreichische Botschaft Mexiko, 24. Oktober 2018: Die letzten Wochen in der Arbeit waren besonders strapaziös. Diverse Menschenrechtsveranstaltungen, internationale Konferenzen, eine große österreichische Wirtschaftsdelegation im Land und der österreichische Empfang anlässlich des Nationalfeiertags stehen bevor. An der Botschaft ist Ruhe eingekehrt, die meisten Kolleg*innen haben bereits Feierabend gemacht. Noch schnell tippe ich die Rede des Botschafters für den Empfang in ein Word-Dokument. Plötzlich steht er vor der Tür zu meinem Büro und sagt: „Sie sind sicher in eine Handelsakademie gegangen, so schnell wie Sie tippen.“ Wie recht er hat. Behamberg, 1. März 2021, 10:35 Uhr: Die Teams-Besprechung für meinen ersten Spanisch-Unterricht als Lehrerin startet. Es läutet sozusagen. Nun sitze ich nicht mehr als Schülerin im Klassenraum, sondern ich bin diejenige, die den Schüler*innen die spanische Sprache vermittelt. Sprachvermittlung, das sind Wörter und Sätze, aber auch Lebensgefühl, Kultur, Essen, Menschen, Geschichte, Erfahrungen, Erlebnisse und vieles mehr. Ich hoffe, dass sich meine Lebenserfahrung und die Leidenschaft für Sprachen, Kulturen und die Welt in meinem Unterricht widerspiegeln. Junglehrerinnenportrait Silvia Nussbaumer „Zurück zu den Wurzeln“: Einmal um die Welt und wieder an die HAK Steyr Seit März Teil des LehrerInnenteams der HAK Steyr: Silvia Nussbaumer
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