28. Jahresbericht HAK Steyr 2015/16

Der positive Zugang zur Gedenkkultur Treffen mit „OId Austrians“ Eine Professorin unserer Schule, Mag. Annemarie Löv-Steiner, absolvierte in ihrer Freizeit eine Ausbildung zur Gedenkpädagogin. Im Interview erzählt sie unter anderem, wie diese Schulung ihren Unterricht verändert hat. Was ist das Besondere an dieser Ausbildung? Die Ausbildung vermittelte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema „Gedächtniskultur“ und „Gedenkstätten in Österreich“. Dabei wurde im Sommer 2014 auch ein zweiwöchiges Seminar an der Gedenkstätte Yad Vashem / Jerusalem und in der Ghettokämpfer-Gedenkstätte Lohamei Hagetaot angeboten. An welchem Institut/welcher Einrichtung fand die Ausbildung statt? Die Ausbildung zum Gedenkpädagogen wird von der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich in Kooperation mit dem Verein „erinnern.at“, welcher für Bildungsprojekte zur Vermittlung des Nationalsozialismus und Holocaust zuständig ist, angeboten. Was hat dich dazu veranlasst, Gedächtnispädagogin zu werden? In meinem Unterricht als Religions- und Geschichtelehrerin kommen die Themen „Erinnern und Gedenken“ immer wieder vor. Daher wollte ich mich vertiefender mit dieser Thematik auseinandersetzen und das Angebot, zwei Wochen in Israel zu verbringen, war natürlich sehr verlockend. Hat der Zeitpunkt deiner Ausbildung eine Rolle gespielt? Eigentlich nicht. Der Zeitpunkt in Israel war nicht besonders günstig, da im Sommer 2014 gerade die Auseinandersetzung im Gazastreifen mit den Palästinensern begonnen hatte und wir mehrmals Schutzbunker aufsuchen mussten. Einmal schaffte ich es nicht rechtzeitig in den Bunker und ich konnte beobachten, wie eine Hamasrakete mit dem „Iron Dome“ - Abwehrsystem abgefangen wurde. Dies war schon sehr beängstigend. Hat sich die Gestaltung deines Unterrichts dadurch geändert? Ich bin mit vielen neuen Ideen und Materialien ausgestattet worden, die ich leider nicht alle umsetzen kann, da im Schulalltag nicht allzu viel Zeit dafür bleibt. Meine Abschlussarbeit über die Geschichte der Juden in Steyr werde ich auf jeden Fall in den Unterricht miteinfließen lassen, da ich dazu konkrete Unterrichtsvorschläge ausgearbeitet habe, unter anderem ein Rundgang durchs „jüdische Steyr“. Was ist das Spannende an der Aufarbeitung der Vergangenheit? Bei den Vorlesungen in Yad Vashem kam mehrmals der Ausspruch „People make choices. Choices make history.“ vor. Dieser Satz hat mich wohl am meisten beschäftigt und fasziniert. Die Entscheidungen eines jeden einzelnen sind ausschlaggebend, nicht immer unbedingt die von politischen Amtsträgern. Daher finde ich die Auseinandersetzung mit den Lebensgeschichten von Opfern und Tätern am spannendsten, da hier Geschichte so „greifbar“ wird. Was hat dich am meisten beeindruckt bzw. berührt? Sehr eindrucksvoll ist natürlich die Gedenkstätte Yad Vashem mit den vielen Denkmälern wie die Allee der Gerechten, wo von über 25.000 „Gerechten“, also Menschen die mutig waren und Verfolgte in der NS-Zeit gerettet haben, immerhin 95 ÖsterreicherInnen zu finden sind. Oder das Tal der zerstörten jüdischen Gemeinden, wo ich auch den Namen Steyr lesen konnte. Am bewegendsten war allerdings 45 Kultur das Treffen mit den „Old Austrians“, denen es während der NS-Zeit gelungen war, Österreich rechtzeitig zu verlassen. Sie berichteten von ihrer Flucht und von den Schwierigkeiten, in Israel eine neue Existenz aufzubauen. Was will Gedächtnispädagogik bewirken? Einerseits steht das Erinnern und Gedenken im Mittelpunkt. Wir bringen damit unsere Wertschätzung von so vielen Menschen, die unglaubliche Lebensschicksale erleiden mussten, zum Ausdruck. Es soll uns natürlich aber auch im Hier und Jetzt aufrütteln. Wenn wir Entscheidungen treffen, soll uns bewusst werden, welche Konsequenzen diese haben werden. In welchen Bereichen besteht in Österreich deiner Ansicht nach Aufholbedarf bzw. wo sind wir gut aufgestellt? Es ist bekannt, dass Österreich zu spät mit der Aufarbeitung der NS-Geschichte begonnen hat. Jetzt habe ich den Eindruck, dass ein Großteil der Menschen einen positiven Zugang zur Gedenkkultur hat. In Steyr zum Beispiel haben engagierte Mitglieder des Mauthausen Komitees ein tolles Projekt trotz Schwierigkeiten umgesetzt, nämlich den „Stollen der Erinnerung“. Dieser wird gut angenommen. Natürlich gibt es leider noch immer welche, die der Ansicht sind, dass man dieses Kapitel abhaken und in die Zukunft blicken sollte. Aber wie sieht die Zukunft für uns aus, wenn wir nicht bereit sind, über die Vergangenheit nachzudenken. Mag. Gabriele Peham und Mag. Eva Garstenauer Gruppenfoto der LehrgangteilnehmerInnen Israel 2014

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