Schule gestern - heute Als sich vor ungefähr zwei Jahrzehnten die Schuitore hinter mir schlössen, dachte ich nicht im Traum daran, jemals wieder eine Schulbank zu drücken. Die meisten Erinnerungen an meine Schulzeit habe ich verdrängt, ich weiß nur, daß ich mir damals schwor, daß dieser Abschied für mich endgültig sein würde. Meine schlechteste Erinnerung an die damalige Zeit war der Handarbeitsunter richt, noch dazu fand dieser an einem Samstag statt. Zum Zeitpunkt, als ich mich noch mühsam mit dem Vorderteil eines Pullovers abrackerte, hatten meine Mit schülerinnen längst das nächste Werkstück fertig. Während in der Volksschule der Turnunterricht zu meinen liebsten Stunden zählte, sank meine Begeisterung für diesen Gegenstand mit steigendem Jahrgang einem Tiefpunkt entgegen. Auch der Musikunterricht zählte nur in der Volksschule zu meinem Lieblingsfäc hern. Kurz vor Zeugnistermin mußte jeder einzeln vorsingen, und bei dem Ge danken daran wurde ich schon Wochen vorher von Alpträumen verfolgt. Den nächsten Kontakt mit Schule und Lehrpersonen hatte ich erst, als meine Tochter eingeschrieben wurde. Anhand der Erzählungen meiner Tochter erlebte ich jetzt die Schule aus einem neuen Gesichtswinkel. Als Mutter konnte ich mit den Leistungen meiner Tochter prahlen, ohne mich selbst anstrengen zu müs sen. Zu dieser Zeit begann ich erstmals Vergleiche mit meiner eigenen Schulzeit zu ziehen und mußte feststellen, daß sich im Unterrichtssystem und auch im Ver hältnis Lehrer/Schüler sehr viel zum Positiven verändert hatte. Während zu mei ner Zeit die Schüler total autoritär erzogen wurden, wodurch sich bei einigen Schülern Gefühle von Minderwertigkeit und Frustration entwickelten, wurden, als meine Tochter die Volksschule besuchte, die Begabungen der Schüler gefördert. Auch wurden schlechte Schüler nicht mehr als dumm oder faul abgestempelt, sondern man bemühte sich, herauszufinden, wo die Schwierigkeiten liegen und wie man diese beseitigen könne. Außer Sprachen und Mathematik wurde die Kinder auch Selbstbewußtsein und die Fähigkeit, auftretenden Schwierigkeiten richtig zu begegnen, gelehrt und ihnen damit eine wichtige Vorbereitung auf das spätere Leben mitgegeben. Ich glaube, daß durch diesen positiven Wandel im Schulsystem eine Generation verantwortungsvoller und selbständiger junger Menschen heranwächst und daß dieser Trend beibehalten werden sollte. Seit drei Jahren bereite ich mich nun in der Abendschule für Berufstätige der Han delsakademie Steyr auf die Matura vor. In dieser Zeitspanne konnte ich sehr viele positive Erfahrungen sammeln, obwohl heute von mir wesentlich mehr Einsatz als damals gefordert wird. Ich sehe mich nun mit einer völlig neuen Art des Unter richts konfrontiert, nämlich der des „freien Lernens". Vom Lehrkörper werden die zu erreichenden Ziele vorgegeben und Aufgaben gestellt, die es uns ermöglichen sollen, diese Ziele zu erreichen. Die Teilnahme am Unterricht ist freigestellt und auf nur zwei bzw. manchmal drei Tage pro Woche limitiert. Aber aus eigener Er fahrung kann ich sagen, daß ohne regelmäßige Anwesenheit und ständige Mitar beit ein Aufstieg in das nächste Semester fast nicht zu schaffen ist. Aber gerade diese Freiwilligkeit bewirkt, daß einem das Lernen Spaß macht. Man empfindet die einem übertragenen Aufgaben nicht mehr als notwendiges Muß, sondern be trachtet sie als Herausforderung. Mein Vorschlag wäre, gerade den Gedanken der Freiwilligkeit an allen höheren Schulen aufzugreifen und so mehr Vertrauen in das Verantwortungsbewußtsein junger Menschen zu setzen. Maria Robiczek, 6 B HAK-B
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