ders als sonst: Sie saß gerade am Tresen und starrte in den Barspiegei, als ein Augenpaar ihren Bück gefangen hielt. Dieses Augenpaar gehörte einem jun gen Mann, der eine Minute später neben ihr stand und sich mit ihr unterhielt, in ihrem gebrochenen Deutsch antwortete sie ihm. Ais der Mann immer mehr ge trunken hatte und schon ziemlich angeheitert war, fing er an, Magdalena zu be schimpfen, weil sie Ausländerin war. Von der freundlichen Unterhaltung von vorher war nichts mehr vorhanden. Seine Stimme wurde immer lauter, seine Beschimpfungen immer primitiver. Joe forderte den Fremden auf, das Lokal zu verlassen, da schon die anderen Gäste aufmerksam wurden. Doch der junge Mann schrie, so laut er kennte: „Schau sie dir doch an! Sie ist Ausländerin, ich kann sie ruhig beschimpfen! Das Türkenpack ist zu nichts zu gebrauchen." Magdalena hatte schon vor einiger Zeit zu weinen begonnen, aber jetzt schrie sie auf und fing laut zu schluchzen an. Daraufhin stänkerte der Fremde weiter: „Siehst du, das Pack fängt zu flennen an, wenn ein gebürtiger Österreicher die Wahrheit sagt!" Joe hatte schon lange genug von ihm, aber diese Bemerkung brachte das Faß zum Überlaufen. Er holte aus, und seine Rechte traf den unbekannten Mann genau am Kinn. Dieser taumelte zurück, fing sich aber sogleich wieder, holte ein Messer aus seiner Tasche und begann auf Joe loszugehen. Magdalena war starr vor Angst, sie kennte nicht einmal die Polizei rufen, wie Joe ihr zugeschrien hatte. Das tatjetzt ein anderer Gast. Doch es war schon zu spät. Der fremde Mann mit dem Messer hatte Joe erwischt, genau in die Brust. Joe taumelte an den Tresen, dort fiel er dann ächzend zu Beden. Er war tot. Minuten später nur kam die Polizei. Magdalena hatte noch immer nicht so recht begriffen, was ics war, als die Polizisten jetzt den betrunkenen Messer stecher abführten. Sie wußte nur, daß Joe für sie gestorben war. Nach einer Weile kennte sie ihre Umgebung wieder wahrnehmen, und sie hörte immer mehr Gäste sagen, daß Magdalena an Joes Tod schuld sei. Einige von ihnen fingen auch an, sie zu beschimpfen. Menschen, die Tage vorher noch freund lich einen Drink bei ihr bestellt hatten, waren jetzt unfreundlich, sogar gemein zu ihr. Sie hielt das alles nicht mehr aus. Magdalena rannte in die Dunkelheit. Sie wußte nicht, wohin sie rannte, sie war blind vor Verzweiflung. Erst als sie er schöpft stehenblieb, erkannte sie, wo sie war: Sie stand auf der Brücke, auf der sie Joe kennengelernt hatte. Aber heute war Freitag, es war halb elf am Abend. Und diesmal würde kein Joe kommen, der sie überreden würde, nicht zu sprin gen. Ulrike Brand, III c
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