3. Jahresbericht HAK Steyr 1989/90

Der Raum hingegen war groß und kahl, er durchmaß etwa 6 mal 10 Meter. Der Boden bestand aus dezent gemustertem, hellem Kunststoff; die Wände waren bis in Augenhöhe mit großen, weißen, quadratischen Fliesen gekachelt, ober halb hatte man einfacher, weißer Wandfarbe, die sich übergangslos mit jener der Decke verband, den Vorzug gegeben. Die Beleuchtung erfolgte vorrangig durch das große, vorhanglose Fenster, das die der Tür gegenüberliegende Wand zur Gänze ersetzte, wurde aber unterstützt durch eine Reihe von Leuchtstoffröhren, die das Tageslicht angenehm natürlich nachzuahmen im stande waren. Rundum an den Wänden, auch unterhalb des Fensters, befanden sich Arbeits und Absteilflächen, darunter Kästchen und Laden, die den Eindruck eines La bors noch verstärkten. Ein paar Wandschränke waren da und dort angebracht werden, sie dienten der Aufbewahrung von allerlei Fläschchen, Reagenzglä sern und Geräten. In die Mitte des Raumes schließlich hatte man das Hauptobjekt plaziert: Auf einem ebenfalls weißen Kunststcffscckel mit rundem Querschnitt, er war etwa einen halben Meter hoch und durchmaß fast das Doppelte, befand sich der Prototyp der Serie 486, überstülpt von einer überdimensionalen Käseglocke aus glasähnlichem, aber stabilerem und dünnerem Material. Der Prototyp selbst war durch zahlreiche Leitungen, die sich am Boden wanden, mit ver schiedenen Geräten auf und vor der Arbeitsfläche mit dem Boden verbunden. Die Assistenten, Miss O'Neill und Mr. Gerat, überprüften gerade noch einmal den ordnungsgemäßen Sitz der Kontroileitungen, als er eintrat. Dr. Gentic war ein hochgewachsener Mann um die Vierzig, der sein weiches, blondes Haar elegant zur Seite frisiert trug. Sein faltenloses Gesicht wurde beherrscht von einem wohlgepflegten Oberlippenbart, dessen Enden kunstvoll verdreht und nach unten gebogen waren. Die beiden stechend blauen Augen taten ihr übri ges, um den Wissenschaftler sympathisch erscheinen zu lassen. „Guten Morgen", verkündete er, als er die Tür geräuschlos hinter sich zuzog. „Guten Morgen", sagten auch Miss O'Neill und Mr. Gerat, die sichtlich er schrocken von ihrer Arbeit aufblickten. „Nun, wie steht es? Ist alles bereit?", fragte Dr. Gentic. „Ja, natürlich. Wir können sofort beginnen", antwortete Miss O'Neill. „Worauf warten wir also noch?" Gesagt, getan. Die drei Wissenschaftler bewegten sich raschen Schrittes zu den Geräten, und jeder von ihnen betätigte ein paar Schalter und Knöpfe. Plötz lich erfüllte ein dumpfes Surren den bis dahin zu ruhigen Raum, und das Gefühl, der Boden vibriere leicht, wurde erweckt, aber das war wohl nur Einbildung. Dr. Gentic atmete noch einmal tief durch und drückte dann einen letzten Hebel nieder. Der abschließende Test, sozusagen die Generalprobe, hatte begonnen. Rein äußerlich blieb alles beim alten. Man hätte vielleicht erwartet, daß sich irgendetwas am Prototyp bewegen sollte, aber nichts dergleichen geschah.

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