DRITTER JAHRESBERICHT HANDELSAKADEMIE & HANDELSSCHULESTEYR 1989/90
IMPRESSUM: Herausgegeben von der Schulgemeinsohaft der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule Steyr. Leitung und Koordination: Mag. Manfred Reil. Chefredaktion: Mag. Alfred Baisoher, Mag. Christine Soherhammer. Redaktion: Mag. Alfred Baischer, Mag. Wolfgang Cermark, Mag. Manuela Hölzer, Mag. Manfred Reil, Mag. Christine Scherhammer, Mag. Walter Kargl, Mag. Gerhard Winter. Vertrieb: Mag. Karl Heinz Furtlehner. Anzeigenwerbung: Dkfm. Leopold Födermalr. ümschlaggestaltung & © Keith J. Kernspecht & M. Honeysuckle. Satz, Druck und Verlag W. Ennsthaler, Steyr.
INHALT Vorwort des Direktors 4 Vorwort der Redaktion 5 Handelsakademie - Matura im zweiten Bildungsweg 7 Ernennungen Ruhestände 11 Zum Literaturwettbewerb 1990 13 Schülerbeiträge Chaos und Ordnung Textverarbeitung - ein Szenario bis zur Jahrtausendwende 32 EDV-Projekt Schülerbibliothek 42 Büchereiverwaltung London 46 Voyage ä Paris 50 Aktionen & Aktivitäten 56 Ein Baum für jeden Bürger von Steyr 65 Kinder des Krieges 66 Matura 68 Berufswünsche der Maturanten 72 Maturaball 1990 75 Schülerverzeichnis 78 Lehrer und Unterrichtsfächer 94 Elternverein 101 Grundinformationen zur Bundeshandelsakademie 102 Grundinformationen zur Bundeshandelsschule 105 Schulchronik 108
VORWORT DES DIREKTORS Liebe Leser! Dieser Jahresbericht steht unter dem Leitmotiv „Science-Fiction". Dem Erträumten, dem Erahnten, dem Erdachten im utopischen Roman geht die Bewältigung der Jetztzeit und der nahen Zukunft In die Zukunft denken und arbeiten ist auch das Ziel der Handelsakademie und Handelsschule Steyr. Kommunikation statt Konfrontation in einem demokrati schen Europa ohne Grenzen - das sollte das Ziel unserer Bildungspolitik und Erziehungsarbeit sein. Zum sinnvollen Einsatz der Elektronik als Arbeitsmittel sind besondere Fähig keiten und Verhaltensweisen unserer Absolventen nötig. „Natürlicher" Intellekt und die Entwicklung geistiger Fähigkelten werden trotz „künstlicher" Intelli genz die Zukunft prägen. Für die Menschen in unserer Region ist deshalb auch der Start einer 8-semestrigen „Handelsakademie für Berufstätige mit Fernunterricht" zur Besserqua lifikation besonders bedeutend. Diese Ziele im Rahmen einer Koalition von Schülern, Eltern und Lehrern zu ver wirklichen, dazu lade ich Sie herzlich ein. Direktor Dkfm. Mag. Helmut Zagler
VORWORT DER REDAKTION Wahrscheinlich wäre man nur müde belächelt, als Phantast abgestempelt oder bestenfalls als grenzenloser Optimist bezeichnet worden: Wer noch vor Jahresfrist die atemberaubenden Veränderungen jenseits des „Eisernen Vor hangs", das schwindelerregende Tempo der Umgestaltung, die bevorste hende Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten prognostiziert hätte, dem wäre wohl eine breitere Zustimmung, selbst in Experten kreisen, versagt geblieben. Das Aufbrechen verkrusteter Strukturen iäßt auch die Frage nach dem zukünf tig Möglichen in verändertem Lichterscheinen. Die Lust, mögiiche Ergebnisse gegenwärtiger Entwicklungen zu antizipieren, utopische Modelle und neue, vielleicht friedlichere Formen menschlichen Zusammenlebens zu entwerfen, hat spürbar zugenommen. Fast scheint es, als sei die „Bereitschaft zur Utopie" eine der wichtigsten Fähigkeiten, über die der Mensch verfügen muß, will er sein Leben sinnvoll planen und gestalten. Der Erfahrung, daß Zukunftsent würfe, die zu ihrer Zeit noch als „utopisch" galten, später gar nicht so selten von der Wirklichkeit eingeholt oder sogar übertroffen wurden, kommt in unse rer schneliebigen Zeit, die sich poiitisch, aber auch wissenschaftlich und tech nisch rasant weiterentwickeit, eine besondere Aktualität zu. Dem Spiel der Phantasie mit fiktiven Projektionen, dem Traum der Mensch heit, im Zeichen der bevorstehenden Jahrtausendwende in neue Dimensionen des Denkens vorzustoßen, wurde auch im diesjährigen Jahresbericht Rech nung getragen. „Zukunftsentwürfe" könnte dem hier vorliegenden Sammel band als Motto vorangestellt werden.
' ^ Nimmt man die weltpolitische Großwetterlage als Maßstab her, könnte man das verflossene Schuljahr als vergleichsi weise ruhig beschreiben. DenJ noch ist viel passiert, und I """ ""® pHn|| _ "7" wichtige Neuerungen stehen I I bevor: Ab kommendem » Schuljahr wird an unserer I 1233 Schule nunmehr die Möglichgeboten, in einem 8-se- !Jm' Jml mestrigen Lehrgang den HAK- I'' P Abschluß im zweiten BilL dungsweg zu erwerben. In ■ ef Kombination mit Selbststu- .j^>- i l— dium sollen an nur zwei \ — Abenden pro Woche - ein ge- ' - ' jH rade für Berufstätige einmaliI ges Angebot-die Fähigkeiten f ■ und Kenntnisse erworben ^sivite^ werden, die zur Ablegung der Reifeprüfung berechtigen. Die vergangenen Wochen und Monate sind auch am äußeren Erscheinungs bild der HAK Steyr nicht spurlos vorübergegangen. Mit Mitteln aus dem Ver kauf des Jahresberichts konnte in letzter Zeit eine Reihe von Initiativen gesetzt werden, um unserem Schulgebäude ein lebendiges Outfit zu verleihen, etwa die Gestaltung einer attraktiven Dauerausstellung unter dem Motto „Werbung ißt Kunst" und ihre feieriche Eröffnung im Rahmen einer Vernissage. Bei der „Lebenshilfe" wurden 30 Bilderrahmen in Auftrag gegeben, was ebenso wie die Anschaffung mehrerer Blumenkisten - ein erster Schritt zur Einrichtung einer Nichtraucherecke - von den Schülern recht positiv aufgenommen wurde. Der Kauf des Jahresberichts trägt also mit dazu bei, dem Erscheinungsbild un serer Schule einen neuen Stempel aufzudrücken und jene Atmosphäre zu schaffen, die erst den Grundstein für ein konstruktives und freudvolles Lernen legt. In diesem Sinne wünschen wir ein angenehmes Lesevergnügen. 'Ii Anschrift: Redaktion Jahresbericht BHAK und BHAS Steyr Werndlstraße 7 4400 Steyr Für die Redaktion Mag. Alfred Baischer
HANDELSAKADEMIE - MATURA IM ZWEITEN BILDUNGSWEG ||r^- ^ Handelsakademie Steyr wird eine Ausbildungslücke In Ab dem Schuljahr 1990/91 soll BERUFSTÄTIGE UNTER RICHTES Ziel dieses Schuiversuches ist es, alle, die die AufnahmevorII aussetzungen für den Eintritt der Handelsakademie zu führen. Die Ausbildung schließt mit der Reifeprüfung ab. Der Unterricht findet in 3 Darbietungsformen statt: - Blockunterricht: - Sozialphase: - Fernunterricht: 2 Abende/Woche mit jeweils 5 Einheiten Unterricht, dient zur Vermittiung von neuem Wissen, von Denkme thoden, Arbeite- und Entscheidungshaltungen. 1 Abend/Monat mit 5 Unterrichtseinheiten zur Bespre chung von Probiemen, die beim Selbststudium auftre ten. Erworbenes Wissen soii vertieft und angewendet werden. wird als wesentliches Element in jenen Gegenständen bzw. Bereichen eingesetzt, in denen ein Selbststudium zweckmäßig erscheint. Zusätzliche Unterrichtsmateria lien werden in Ergänzung zu den Lehrbüchern von den Lehrern erstellt, durch Korrektur von Diagnosetests und Übungsaufgaben wird eine Überprüfung ermöglicht.
Fernunterricht, Blockunterricht und Sozialphase sollen einander ergänzen und unterstützen, damit ein optimaler Studienerfolg erreicht wird. Eine Einstufung in höhere Semester ist je nach Vorbildung möglich. Wie im Re gelschulwesen gibt es Gratisschulbücher und Schulfreifahrt. ANMELDUNGEN AB SOFORT: Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule Steyr, Leopold-Werndl-Straße 7, 4400 Steyr, Sekretariat: 07252/22-6-49 Für nähere Auskünfte steht Prof. Mag. Staska Wolfgang (0 72 52/ 22-9-19) zur Verfügung.
In Memoriam Oberstudienrat Prof. Dkfm. Josef Grün Für jeden aber ist die Lebenszeit, die ihm zugemessen ist, der kurze Augenblick, in dem wird, was sein soll. Karl Rahner Zwanzig lange Schuljahre war ich Dein Tischnachbar im kleinen Konferenzzimmer der Handelsschule in der Schwimmschulstraße. Vieles hast Du uns Jüngeren während dieser Zeit mitgegeben aus Deinem ereignisreichen Leben: Humor, Fleiß, Ordnungsliebe, Selbstdisziplin, Bescheidenheit, Geradli nigkeit und eine für alles aufgeschlossene Geisteshaltung. Klarheit im Denken und ein profundes Fachwissen konnte ich oft an Dir bewun dern. Stets warst Du uns ein verläßlicher und hilfsbereiter Kollege. In der Weihnachtszeit des Vorjahres habe ich Dich und Deine Gattin noch be sucht. Wir sprachen von Deinen weiten Reisen, von den Erlebnissen während unserer Lehrtätigkeit. Trotz Deines Leidens - Du hattest mehrere Infarkte hinter Dir - warst Du guter Laune und lenktest mich geschickt von Deinem Gesund heitszustand ab. Niemand von uns dachte damals daran, daß es unser letztes Zusammensein werden sollte. Schon eine Woche später, am Neujahrstag 1990, hast Du uns, im 79. Lebensjahr stehend, für immer verlassen. Auf Deinen Wunsch hin wurdest Du im Familiengrab auf dem Friedhof in Waidhofen beige setzt. So schloß sich Dein Lebenskreis in der Stadt, wo Du einst begonnen hast. Am 25. Oktober 1911 wurdest Du in eine Eisenhändlerfamilie zu Waidhofen hin eingeboren. Nach der Pflichtschulzeit besuchtest Du die Bundeshandelsakade mie in Linz. Als Neunzehnjähriger hast Du an dieser Schule die Reifeprüfung mit Auszeichnung abgelegt. An der Hochschule für Welthandel in Wien hast Du von 1930 bis 1936 Deine Studien fortgesetzt. Hier wurdest Du im Mai 1934 zum Diplomkaufmann graduiert. Bevor Du am 9. November 1947 in die Handelsschule Steyr als Lehrer für kauf männische Fächer eingetreten bist, mußtest du viele Posten in einer schweren Zeit antreten. Deine Chefs stellten Dir beste Zeugnisse aus für alle Funktionen, die Du ausgeübt hast: Praktikant, Fremdsprachenkorrespondent, Buchhalter als Wirt schaftsprüferassistent, Mitarbeiter in der Statistik eines Industrieunternehmens. Im Juni 1941 wurde Dein Werdegang durch den zweiten Weltkrieg unterbrochen. Fast 5 Jahre lang warst Du an der Ostfront. Du hast in den Sümpfen um Leningrad im Extremwinter 1942 fast Unerträgliches mitgemacht. Zurückgekehrt hast Du in der schweren Besatzungszeit eine Dich harmonisch ergänzende Frau gefunden. Sie hat bis zu Deinem Tode Leid und Freud mit Dir geteilt. Ihr habt gemeinsam das Eigenheim in der Ottokarstraße gebaut. Im Herbst 1947 hast Du unter der Direktion Wolfartsberger als Hilfslehrer an der vierklassigen Handelsschule begonnen. Ein Jahr darauf wurdest Du Vertragslehrer. Am 1.5.1949 wurdest Du zum „Prov. Professor" ernannt. Nach weiteren vier Jah ren warst Du „Professor" für die 1. Fachgruppe. 13 Dienstjahre später hat Dir der Bundespräsident am 21. Juni 1966 den Titel „Oberstudienrat" verliehen und damit Dein verdienstvolles Wirken als Lehrer der Handelsschule und der inzwischen neu gegründeten Handelsakademie gewürdigt. OSTR. Dr. Ludwig Hübner
ERNENNUNGEN Berufung in den Nationalrat Im Jänner 1990 wurde Prof. Mag. Gerhard Klausberger als Vertreter der Region Steyr in den National rat berufen. Prof. G. Klausberger wurde am 16. Juni 1950 als siebtes Kind einer Eisenbahnerfamilie in Weyer an der Enns geboren. Nach der Matura in Steyr und dem Studium in Salzburg un terrichtete er seit dem Schul jahr 1973/74 an der BRAK/ BHAS Steyr Deutsch und Eng lisch und war bis zu seinem Wechsei ins Hohe Haus Leiter der Arbeitsgemeinschaft der Deutschlehrer an unserer Schule. Neben seiner Berufstätigkeit als Lehrer, als Prüfer bei der Reifeprüfung und als Klassenvorstand hat er sich in vielen Stunden seiner Freizeit für die kulturelle Seite des schulischen Alitags engagiert. Fast jede/r Absolvent/in unserer Schule hat einmal mit „Kiausi" in Steyr, Wien, Linz oder Salzburg eine Theater aufführung besucht. Vorstellungen, wie z.B. „Herr Puntila und sein Knecht Matti", „Wer hat Angst vor Virginia Woolf", „Gats" oder „Phantom der Oper", bleiben in unvergeßlicher Erinnerung. Wir danken unserem frischgebackenen Nationalratsabgeordneten für sein pä dagogisches Engagement und wünschen ihm in seinem neuen Aufgabenbe reich viel Erfolg!
RUHESTANDE OSTR Prof. Dkfm. Mag. Franz Wildling Unser Kollege OSTR Prof. Dkfm. Mag. Franz Wildling trat nach jahrzehntelanger ver dienstvoller Tätigkeit an der BRAK Steyr mit 1. Dez. 1989 in den wohlverdienten Ruhe stand. OSTR Prof. Wildling wurde am 12. November 1929 in Laussa geboren. Nach Ablegung der Reifeprüfung am Bundesreal gymnasium Steyr studierte er an der Hochschule für Welt handel in Wien. Anschließend war er einige Monate als kauf männischer Angestellter in der Steyr-Daimler-Puch AG be schäftigt. Von Dezember 1955 bis August 1962 war er als selbständiger Kaufmann tätig. Seinen Schuldienst begann OSTR Wildling 1957 in der Kaufmännischen Be rufsschule Steyr; 1962 trat er in die Städtische Handelsakademie und Han delsschule Steyr über. Große Verdienste erwarb sich OSTR Wildling als Mitbe gründer der Abteilung für Datenverarbeitung an der Handeisakademie, war doch die Schule die erste kaufmännische Lehranstalt in Oberösterreich, die sich dieser modernen Technologie öffnete. Weiters betreute OSTR Wildling über viele Jahre die Lehrerbücherei der Handelsakademie. Generationen von Schülerinnen und Schülern wird er als beliebter und geachteter Klassenvor stand sowie als Begleitlehrer zahlreicher Schikurse in bester Erinnerung blei ben. Für sein vorbildliches pädagogisches Wirken wurde Prof. Wildling 1981 der Berufstitel „Oberstudienrat" verliehen. Neben seiner schulischen Tätigkeit war OSTR Wiidling viele Jahre als Sachver ständiger für Betriebsführung, Rechnungswesen und Organisation am Kreis gericht Steyr tätig; seit 1972 ist er Geschäftsführer des wirtschaftlich beson ders erfolgreichen Software-Hauses Systeme.
STR FOL Doris Steinkellner Mit 1. März 1990 beendete auch unsere - bei Schülern und Lehrern gleichermaßen geschätzte - Kollegin STR FOL Doris Steinkellner ihre berufliche Laufbahn. Damit beschloß sie eine fast SOjährige Tätigkeit als Lehrerin für Stenotypie und Textverar beitung. Sie unterwies meh rere Generationen von Schülern in den Grund- so wie erweiterten Kenntnissen dieses gerade für unseren Schultyp bedeutenden Ge genstandes. Für ihr hervor ragendes pädagogisches Wirken wurde sie im Schul jahr 1983/84 mit dem Berufstitel Studienrat aus gezeichnet. Wir wünschen unserer „Jungpensionistin" alles Gute und beste Gesundheit, damit sie sich noch lange ihres wohlverdienten Ruhestandes erfreuen kann.
L Die Möglichkeit ist stärker als die Wirklichkeit Ernst Bloch Welche Gründe haben uns bewegen, den diesjährigen Literaturwettbewerb an der BHAK Steyr ausgerechnet unter das Motto „Science Fiction" zu steilen? SF hat - zumindest in unserem Jahrhundert - unter anderem eine „Menetekei"-Funktion, das heißt, an ihr lassen sich nicht nur zukünftige naturwissen schaftliche (Fehl-) Entwicklungen, sondern auch deren mögliche gesell schaftspolitische Konsequenzen prognostizieren. Zahlreiche typische Pro bleme der heutigen Zeit wurden bereits vor Jahrzehnten von SF-Autoren in ih ren Romanen angesprochen. So gesehen, kann die SF-Literatur als einer der seltenen Versuche gesehen werden, die Kluft zwischen humanistisch-geistes wissenschaftlicher und technisch-naturwissenschaftlicher Kultur zu über brücken, die in unserer modernen Welt relativ verständnislos nebeneinander existieren. Dazu kommt die Tatsache, daß sich an dieser Literaturgattung wie an keiner anderen die Vorstellungen, Erwartungen, Hoffnungen und Ängste einer Gene ration ablesen lassen. Vor allem dieser Aspekt sollte Lehrer und Eltern interes sieren: Wie sieht, ausgehend von unserer gegenwärtigen Welt, die heute her anwachsende Generation ihre Zukunft, welche Szenarien entwirft sie? Der Wettbewerb sollte den verschiedenen Vorstellungen ein Forum bieten: Die un serer Meinung nach interessantesten finden Sie auf den folgenden Seiten. Mag. Wolfgang Cermak
SCHÜLERBEITRÄGE Ausverkauf „Rrrrausverkauf! Alle Modelle der Reihe 286 um 70% reduziert!" - Diese Nachricht sendete New World Wide TV auf allen Kanälen. „Wer will noch 286er zum Drittelpreis? Nur noch Restposten verfügbar!" - Mit solchen Schlagzeilen warb man In den Zeitungen. Der große Ausverkauf hatte also begonnen. Die Serie 286 war längst überholt von den 386ern, und in Kürze, genauer gesagt, unmittelbar nach dem Big Sale, sollten die Einheiten der Reihe 486 den Markt überschwemmen. Natürlich wür den sie dann das absolute Nonplusultra darstellen, hatte doch seinerzeit die Serie 286, als sie vorgestellt wurde, die 186er-Modelle deutlich überholt, wurde selbst als verbesserte 386 angeboten, und jetzt kam eben die neue Ge neration. Wieder waren einige Fehler und Unpäßlichkeiten ausgemerzt wor den, und wieder würden sich neue Probleme auftun, die Wissenschaft braucht schließlich Arbeit. Der Prototyp des Modells stand kurz vor der abschließen den Testserie, doch ihr positiver Ausgang war schon vorherzusehen. Das Gebäude der IMB war typisch nach den ästhetischen Gesichtspunkten der Architektur des 21. Jahrhunderts entworfen worden. Die Front fast ganz aus Glas, war es gleich einer Mondsichel in den Hang hineingebaut worden, sodaß auf dem Dach Gras, Bäume und Blumen gepflanzt werden konnten, die in der reinen Luft prächtig gediehen. Der vom Halbkreis des Gebäudes um schlossene riesige Platz in der Mitte war verwandelt worden in einen herrlichen Park mit allerlei exotischen Pflanzen.
Der Raum hingegen war groß und kahl, er durchmaß etwa 6 mal 10 Meter. Der Boden bestand aus dezent gemustertem, hellem Kunststoff; die Wände waren bis in Augenhöhe mit großen, weißen, quadratischen Fliesen gekachelt, ober halb hatte man einfacher, weißer Wandfarbe, die sich übergangslos mit jener der Decke verband, den Vorzug gegeben. Die Beleuchtung erfolgte vorrangig durch das große, vorhanglose Fenster, das die der Tür gegenüberliegende Wand zur Gänze ersetzte, wurde aber unterstützt durch eine Reihe von Leuchtstoffröhren, die das Tageslicht angenehm natürlich nachzuahmen im stande waren. Rundum an den Wänden, auch unterhalb des Fensters, befanden sich Arbeits und Absteilflächen, darunter Kästchen und Laden, die den Eindruck eines La bors noch verstärkten. Ein paar Wandschränke waren da und dort angebracht werden, sie dienten der Aufbewahrung von allerlei Fläschchen, Reagenzglä sern und Geräten. In die Mitte des Raumes schließlich hatte man das Hauptobjekt plaziert: Auf einem ebenfalls weißen Kunststcffscckel mit rundem Querschnitt, er war etwa einen halben Meter hoch und durchmaß fast das Doppelte, befand sich der Prototyp der Serie 486, überstülpt von einer überdimensionalen Käseglocke aus glasähnlichem, aber stabilerem und dünnerem Material. Der Prototyp selbst war durch zahlreiche Leitungen, die sich am Boden wanden, mit ver schiedenen Geräten auf und vor der Arbeitsfläche mit dem Boden verbunden. Die Assistenten, Miss O'Neill und Mr. Gerat, überprüften gerade noch einmal den ordnungsgemäßen Sitz der Kontroileitungen, als er eintrat. Dr. Gentic war ein hochgewachsener Mann um die Vierzig, der sein weiches, blondes Haar elegant zur Seite frisiert trug. Sein faltenloses Gesicht wurde beherrscht von einem wohlgepflegten Oberlippenbart, dessen Enden kunstvoll verdreht und nach unten gebogen waren. Die beiden stechend blauen Augen taten ihr übri ges, um den Wissenschaftler sympathisch erscheinen zu lassen. „Guten Morgen", verkündete er, als er die Tür geräuschlos hinter sich zuzog. „Guten Morgen", sagten auch Miss O'Neill und Mr. Gerat, die sichtlich er schrocken von ihrer Arbeit aufblickten. „Nun, wie steht es? Ist alles bereit?", fragte Dr. Gentic. „Ja, natürlich. Wir können sofort beginnen", antwortete Miss O'Neill. „Worauf warten wir also noch?" Gesagt, getan. Die drei Wissenschaftler bewegten sich raschen Schrittes zu den Geräten, und jeder von ihnen betätigte ein paar Schalter und Knöpfe. Plötz lich erfüllte ein dumpfes Surren den bis dahin zu ruhigen Raum, und das Gefühl, der Boden vibriere leicht, wurde erweckt, aber das war wohl nur Einbildung. Dr. Gentic atmete noch einmal tief durch und drückte dann einen letzten Hebel nieder. Der abschließende Test, sozusagen die Generalprobe, hatte begonnen. Rein äußerlich blieb alles beim alten. Man hätte vielleicht erwartet, daß sich irgendetwas am Prototyp bewegen sollte, aber nichts dergleichen geschah.
Und das war auch normal so. Lediglich das tiefe Summen der zahlreichen Ge räte war zu vernehmen und das gleichmäßige Rattern des Druckers, der die Meßergebnisse auf Papier festhielt. Zufrieden schaute Dr. Gentic zwei Stunden später von seinen Papieren auf. Seine Hände zitterten leicht, als er mit bebender Stimme verkündete: „Wir ha ben es geschafft. Alle Werte sind optimal. Die Reihe 486 ist serienreif." Alles übrige, also vor allem die Weiterleitung des Materials an die Fertigungsindu strie, war Sache der 1MB. Wieder war ein neuer, besserer, leistungsfähigerer Typ geschaffen worden, der die ersten Versuche aus den Anfängen der neuen Technik problemlos in den Schatten stellen konnte. Der Ausverkauf der alten Einheiten hatte längst begonnen, und der Absatz der neuen Serie würde noch durch intensive Wer bung zu neuen Rekordmarken hochgetrieben werden. Zunächst jedoch kam es einmal darauf an, die Lager der Händler mit den neuen Einheiten zu füllen. Dank der neuen, künstlichen Fortpflanzungsmethoden würde das ein Problem von relativ kurzer Zeit sein ... Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, dem Lächeln eines Mannes, der Großes geleistet hat, verließ Dr. Gentic am späten Nachmittag nach der großen Erfolgsfeier das Gebäude und blickte zufrieden auf die großen Lettern oberhalb des Haupteinganges; INSTITUT FÜR MENSCHLICHE BIOGENETIK. Alle Personen und Ereignisse dieser Geschichte sind frei erfunden. Eventuelle Namensgleichhelten oder Ähnlichkeiten sind nicht zufällig, sollen jedoch kei nesfalls als Unterstellung, Herabsetzung oder Beleidigung, schon gar nicht als Anschuldigung, aufgefaßt werden. Gerhard Baumgartner, Va
IÄ" Irgendwann in der Zukunft - irgendwo auf der Welt. Eine genauere Definition ist nicht möglich, es gibt keine Zeitmessung, es gibt nur uns, nur Leben. Leben auf der primitivsten Entwicklungsstufe, zwar mit großem, revolutionärem Wis sen, aber ohne jegliche technische Möglichkeiten und Hilfestellungen. Egal, welcher Bereich Ins Auge gefaßt wird, wir leben eben einfach nur primitiv, so abscheulich und niederträchtig dieser Ausdruck auch klingen mag. Sie verlangen jetzt eine Beschreibung meiner Welt? Wollen Sie wirklich? Sie haben Mut! Mut, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Haben Sie aber außer Mut auch noch genug Willenskraft, JETZT etwas zu ändern? In IHRER Welt? SICH zu ändern?! Glauben Sie mir, wenn ich sage, es ist höchste Zeitül Meine Welt ist so, wie sie in Ihrer Phantasie lebt - oder auch nicht lebt. Sie ist das traurige Ergebnis einer ausbeutenden Gesellschaft. Aus jeder neuen Er kenntnis Profit schlagend, habt Ihr unser Grab ausgehoben, unsere Särge ge nagelt, unser Requiem komponiert - das Lied des Todes. Ihr habt unsere Erde an den Rand eines ökologischen Zusammenbruches ma növriert, manche wollten ihren erbitterten Kampf ums Überleben unterstützen, einige andere leisteten dennoch Widerstand und saugten sie aus, wie eine Spinne ihre lebendige Beute. Ihr habt die Erde betäubt, sie mundtot gemacht, entmündigt, bloßgestellt. Indem Ihr ihr den Schutz ihrer sensiblen, empfindli chen Haut gerodet und geschlägert habt. Ihr habt sie vergiftet, in ihre Venen habt Ihr die Abfälle eurer Zivilisation geleitet - entsorgt. Den Duft eurer Gesell schaft habt Ihr in die Atmosphäre über euren Köpfen gesprüht. Doch alles kommt zurück. Leider nur hat es nicht Euch erwischt, andere muß ten dafür bezahlen, teuer. Die nächste Generation oder die übernächste, die Zukunft, in die Ihr heuchelnd Immer „alle Eure Hoffnungen setzt". Das Ganze wirkt eher wie ein böser Traum, eine üble Fiktion, und nicht wie „Science Fiction" - die „Wissenschaft der Zukunft" - eine „Erkenntnis der Zukunft". Irene Mayrhofen, lld
ZUM LEIDWESEN VIELER Ein Pamphlet über die Sinnlosigkeit, Pizza zu essen Wolfgang Karrer, IVe Stellen Sie sich vor, es ist Krieg, oder nein, stellen Sie sich besser vor, Sie es sen Pizza, Sie werden gezwungen, Pizza zu essen, und bevor Sie mir nun sa gen, was Sie dabei fühlen, werde ich die Aufwallungen meiner Gefühlswelt an gesichts der mir drohenden Verkrampfung in der Magengegend, die die Pizza, auf mich zukommend, in mir verursacht - bevor Sie nun also versuchen, mir darzulegen, wie Sie empfinden, wenn Sie Pizza essen, werde ich versuchen. Gleiches zu tun, ich werden versuchen, Sie teilhaben zu lassen an meiner Pizza, die, ehe ich mich's versah, in den Händen des Kellners, der krampfhaft versucht, italienisch zu wirken, auf mich zuwankt, die sich drohend in meine Nähe begibt, um im nächsten Augenblick vor mir auf den Tisch niederzusausen, vor mein Gesicht, vor meinen Mund, und mich unverhohlen, ja fast nekkisch angrinst, was ich wieder einmal als Aufforderung empfinde, denn ich werde mich nie bessern, und im nächsten Augenblick schneide ich bereits ein Stück, nein, ein Segment ab, ein Segment des Kreises, der, als Pizza vor mir liegend, mich schon die ganze Zeit derart unverhohlen angrinst, daß meine Gefühlswelt überzuschwappen droht, und mich in seiner Weise auffordert, ja zwingt, ein Segment seiner mir abzuschneiden, ein Segment, welches mit an deren zusammen wiederum ein Ganzes gibt, ein Ganzes, das die Gestalt von Pizza erhielt, diese aber nicht etwa zufällig erhielt, nein, keineswegs, diese er hielt aufgrund der wertvollen Kleinarbeit des Pizzakochs, Kleinarbeit deswe gen, weil es ans schier Unfaßbare grenzt, was diese Pizzaköche da in ihren
Pizzaküchen kreieren, was sie formen, was sie mit zielsicherer Methodik aufeinanderschichten, nebeneinanderreihen, durcheinanderwürfeln, miteinander vermischen, um es schließlich auf ihre Speisekarte, wiederum ihrer Pizzeria, zu setzen, um es den Leuten zu servieren, die sich mittags, spätnachmittags, frühabends, ja sogar noch spätabends in eben wiederum diese Pizzeria drängeln, stoßen, schubsen, sich in ihr aufeinanderstapeln, nur um auch ein Stück Pizza, ein Stück Italien zu erhaschen, welches sie dann mit sich nach Hause nehmen können, in ihre Kemenaten, in denen sie dann auszuharren suchen, solange bis der nächste Sommer es ihnen wieder ermöglicht, gen Italien zu stauen, denn von Fahren sprach man dereinst, oder zumindest bis sie ein nächstes Mal In die Pizzeria kommen, wo auch ich nun sitze, sitze und mich frage, warum heute nur wieder jener Kreis, der, Pizza genannt, von der Speisekarte genauso gegrinst hat wie jetzt, vor mir liegt, unverhohlen, ja fast neckisch grin send, mich auffordernd, ihn in Segmente zu teilen, um mir den Verzehr seiner zu diesem Zwecke etwas ungestalten, ja beinah klobigen Gestalt zu erleich tern, seiner Gestalt, die fast geometrisch anmutet, wären da nicht die Einbuch tungen am Rande des Kreises, entstanden durch die unachtsame, vielleicht ungestüme Behandlung durch den Pizzakoch, die Einbuchtungen und Dellen am Rande, an der Peripherie des Kreises, der Pizza, die sich vom äußeren, knusprigen, beizeiten etwas schwarzen Rand hin zur Mitte in merkwürdigen Konstellationen von Früchten, Wurstscheibchen, Pepperonis, Schmelzkäse, Tomatensauce und anderem ergehen, hin zur Mitte also, hin zum Zentrum, das in seiner ^ (| Unförmigkeit, Unstetigkeit \\ )/ jK und Undurchschaubarkeit in meinen Augen zu etwas Femininem, etwas Diabolischem wird, ein Zentrum, das in sich nicht gestört sein sollte, möchte es nichts an seinem /f ^ —N fragilen Aufbau einbüßen, es ' \ ^ )_^ sieht mich aber trotzdem an, nun bereits mit dem Ausdruck des Masochistischen, das zer stört, ja gequält werden möchte, und ich gebe der Ver suchung und dem Zwang nach und beginne wieder ein mal, eine Pizza zu essen. I Wolfgang Karrer, IVe Steinkellner, IVe
Trautes Heim, Glück allein r--El „Der Österreicher hat eine ge wisse Furcht vor der Ferne. Er scheut das Risiko. Dabei hätte er im Ausland alle Chancen." Helmut Sohmen (Reeder unnd Auslandsösterreicher) ■ „Trautes Heim - Glück allein." I Unter diesen Slogan könnte man V ■■ ~ die Ideologische Einstellung eines I * ' «pjjjiUt «—*— waschechten Ur-Österreichers '■ .; I mit Lederhose und Gemsenbart in higkeit einordnen. Was mit launischem Gemurre über fremde und daher ungenießbare Küche beginnen würde, würde mit 6eschwerden über die von der Norm abweichenden und daher unge wohnten Härte der Matratze en den. Zum Glück ist diese kohlrabenschwarze und erzkonservative Einstellung längst passe. Die heutige Generation steht dem Thema Reiselust und Mobilität ganz anders gegenüber. Sie ist aufgeschlossen, auch daran Interessiert, andere Länder und deren „styles of life" kennenzulernen. Sie ist gierig nach Abwechslung und scheut nicht davor zurück, von ihrem Chef einmal zu einer über die Staatsgren zen hinausgehenden Dienstreise verdonnert zu werden. Dies betrifft natürlich nicht die breite Masse, sondern diejenigen, die im Berufsleben avancieren und reüssieren, wie zum Beispiel wir, die frisch getauften HAK-Absolventen. Stets bestrebt „up to date" zu sein, erfüllen wir die Anforderungen des harten Wirt schaftslebens, so gut es nur geht. In bezug auf die fortschreitende Internationalisierung und die sicherlich eintretende Integration Austrias in den Klub der „Großen Zwölf" sind mindestens zwei Fremdsprachen Grundvoraussetzung. Gerade bei uns in Österreich, wo das Alpenländische noch zum Großteil re giert, sollten wir auf die Verbesserung des rhetorischen Bereiches viel mehr Wert legen. Es genügt der simple Vergleich einer Tagung im Bonner Bundes tag mit einer aus dem Wiener Palast der weisen Athene. Für solche Diskrepan zen sollten wir uns schämen! Deshalb plädiere Ich dafür, daß wenigstens Eng lisch bereits im Kindergarten und in der Volksschule den ABC-Schützlingen auf spielerische Art und Weise beigebracht werden sollte. Die Wirtschaft nützt
zum Glück diese Manko vollends aus, und die diversen Sprachinstitute weisen durch ihre Rhetoriksemlnare für Manager beachtliche „growth rates" auf. Absolute Renner sind Japanisch oder Russisch, die jedoch nur überdurch schnittlich begabten Redekünstiern vorbehalten bleiben. Aber das wird sich al les ändern, wenn zu Beginn des nächsten Jahrhunderts dem „human brain" ein fingernagelgroßes Biochip implantiert wird und somit eine Datenübertragung Mensch - Maschine möglich sein wird. Das Resultat: In weniger als 15 Minuten werden dem Versuchskaninchen Mensch zum Beispiel Japanisch-Kenntnisse in Maturareife übermittelt. Hut ab vor High Tech! (Oder: Hüte dich vor...) Mit der Fähigkeit, besser mit anderen Staaten kommunizieren zu können, wachsen natürlich auch die Bekanntschaften ins Ausland, das wiederum eine Steigerung der Exportkapazitäten mit sich bringt. Ein Paradebeispiel für ein innovatives, zukunftsorientiertes, erfolgreiches und sehr stark expandierendes, österreichisches Unternehmen ist die LAUDA AIR. Durch die Willenskraft, die Riskikobereitschaft und durch den gut ausgepräg ten Lukrativitätsinstinkt des Ex-Formel-1 Champions und durch ein ausgefeil tes Corporate Design und Gorporate Identity Programm hat sich die einst von der AUA belächelte „Mückenlinie" zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten herangemausert. Weltenbummler, von denen Niki absolute Flexibilität und Mobilität verlangt, sind das erforderliche Personal für die „Friendly Airline". Besonders jetzt, wo Niki mit dem Fernen Osten eng liiert ist. Die österreichische Wirtschaft besteht aber auch aus einer Vielzahl kleinerer Unternehmen, die in keiner Weise dem Erfolg der großen, relativ gesehen, nachstehen, die jedoch noch keinen derartigen Bekanntheitsgrad genießen. Als Beispiel sei an dieser Stelle die agru GesmbH aus Bad Hall (OÖ) erwähnt. Der ideenreiche Betrieb, der sich auf die Produktion von Dichtbahnen für Ab falldeponien und auf Formstücke für Kunststoffrohre spezialisiert hat, kann auf eine Exportquote von über 80% stolz sein. Der Juniorchef, Kaufmann, Techni ker und Impulsgeber in einer Person, bestätigt, daß innerhalb der EG die wich tigsten Absatzmärkte liegen. Der erfolgreiche Jungunternehmer setzt auf „high quality" und „latest equipment". Durch dieses stellvertretende Beispiel wird sehr gut gezeigt, daß die Alpenre publik durchaus in der Lage ist, eine Menge intelligenter Genies hervorzubrin gen. Mit einem weinenden Auge müssen wir aber zugeben, daß ein Teil dieser Yuppies ins Ausland entfleucht. Nicht zuletzt wegen derVerdienstmögllchkelten. Aber wir können beruhigt sein, denn dieser Know-How-Fluß ist auch durchaus in die umgekehrte Richtung möglich. Bleiben noch Lücken offen, egal ob im In-oder Ausland, soll das Motto für un sere Zukunft heißen: „HAK-Absolventen, vereinigt euch, und füllt die Löcher im Mittleren Manage ment!" Gerhard Schörkhuber, Ve
^<1*^ Der durch Sachzwänge und äußere Mächte in Frieden lebende alte Kontinent wird wieder die Leuchte der Zivilisation und erhellt Ost und West, Nord und Süd. Schon hören die Menschen auf, Krieg zu führen, und haben soviel zu es sen wie sie brauchen. Der Planet glänzt wie einer der Glaspaläste der Jahrhun dertwende. Nun gut, ein zweitausend Jahre altes Versprechen wird sich damit erfüllen. Nur noch kurze Zeit, etwas Klugheit, ein wenig Liebe - und der Traum wird Wirklichkeit werden. Andre Glucksmann Wie beurteilen Sie den europäischen Einigungsprozeß? Welche Rolle wird Österreich dabei spielen?" Gibt es ihn schon, den neuen Staatsbürger, den Europäer? Ist die Einigung Europas nicht vorrangig eine rein wirtschaftliche? Seit den Gründungstagen der EG hat sich am Zusammenhängigkeltsgefühl der Europäer wesentlich weniger geändert als am wirtschaftlichen Sektor. Während das, von vielen für unerreichbar gehaltene Ziel, nämlich der wirtschaftlichen Union der europä ischen Staaten, offenbar tatsächlich erreicht wird, hinkt die Einigung der Völ ker und deren Kulturen hinten nach. Der Deutsche will die „ungebildeten und faulen" Portugiesen weiterhin nicht in seinem Land, die Engländer wehren sich aus Leibeskräften gegen den Einfluß vom Kontinent usw.... Die ausgeprägten und eigenständigen Kulturen Europas bildeten sich durch Jahrhunderte. Diesen Kulturen nun Innerhalb von 30 oder 40 Jahren einen ge meinsamen Lebensraum zu schaffen, und dann zu glauben, dies könne ohne größere Spannungen klappen, scheint etwas überheblich. Man betrachtete das Problem aus österreichischer Sicht:
Gegenwärtig hat Österreich ein enormes Flüchtlingsproblem. Knapp 200 000 Menschen suchen bei uns Zuflucht - und zwar großteils aus nicht wirtschaftli chen Gründen. Trotzdem ist in Österreich bereits wachsender Unmut zu be merken. Man stelle sich nun vor, diese Menschen kämen einzig und allein aus wirtschaftlichen Motiven. In der EG ist dies ab '92 gestattet. Jeder wird sich dort ansiedeln dürfen, wo es ihm genehm ist. Die „Völkerwanderung der wirt schaftlichen Art" wird Realität. Einige Aussteiger aus den hochindustriealisierten Staaten werden sich in südliche Regionen begeben, viele südliche „Einsteiger" (vielleicht ein Begriff, der sich in der EG noch etablieren wird) werden zum Sturm auf die „gehobenen" Wirtschaftsparadiese blasen. Spannungen werden da zweifellos nicht lange auf sich warten lassen. Die Einigung der Völ ker Europas wird voraussichtlich eine Angelegenheit der Gebildeten und der Idealisten bleiben. Die Politiker haben längst ihren Einfluß auf die Menschen verloren, doch gerade sie wären jetzt gefordert, den Europäern das Zusammenhängigkeitsgefühl zu vermitteln. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, sehe ich ebenfalls schwarze Wolken am Horizont: Bisher hieß das große Sorgenkind der EG „Landwirt schaft" samt ihren Butter- und Schweinebergen. Doch die EG hat mit einem nie gerechnet: mit der Öffnung der östlichen Grenzen. Nun stehen sie alle vor der Türe, die ehemals kommunistischen Staaten, mit einer vom wirtschaftli chen Plan zerstörten Wirtschaft, und begehren Einlaß. Anfangs schlössen sich nur die wirtschaftlich starken Staaten zusammen. Dann gewährte man, (der Grundidee der Vereinigten Staaten von Europa fol gend) einigen Sorgenkindern wir Irland, Portugal oder Griechenland den Zu tritt. Die EG bemerkte offensichtlich bald, daß Schritte in Richtung Ausweitung eine wirtschaftliche Schwächung bedeuten. Der nächste Türsteher, Öster reich, wurde mit einigen Ausreden (nicht vor '92, aber die Neutralität...) ins Wartezimmer zurückgeschickt. Und dann passiert plötzlich etwas Unerwarte tes: Es öffnen sich die Grenzen und die Deutschen stehen kurz vorder Wieder vereinigung - Europa macht somit rasante Fortschritte, um ein geeinter Konti nent zu werden. Nun hat die EG gewaltige Probleme. Allein schon der unvermeidliche Beitritt der DDR entfacht Streitigkeiten unter den Mitgliedern. Allen ist klar, daß eine derart desolate Wirtschaft, wie jene der DDR, nur eine Schwächung der EG darstellt. Doch die EG befindet sich nun im ideologischen Zwiespalt. Wenn die DDR beitragen darf, kann den anderen östlichen Staaten, sowie auch Öster reich, kaum derZutritt verweigert werden. Nimmt man jedoch zuviele desolate Wirtschaftssysteme auf, geht der Reiz einer wirtschaftlichen Kooperation ver loren. Wer meint, die östlichen Nachbarn seien ^ wirtschaftliche Chance, ohne in deren Infrastruktur Milliarden investieren zu müssen, der irrt. Auch jah relange EG-Mitgliedstaaten wie Irland oder Portugal schafften es nicht, ihre Wirtschaft auf Vordermann zu bringen. Mir erscheint eine Wirtschaftsgemeinschaft, in welcher die (wirtschaftlich) Starken ständig einzahlen, um die Schwachen am Leben zu erhalten, wenig erstrebenswert. Bisher verteilten sich die Verhältnisse relativ gleichmäßig, doch nun droht das Gleichgewicht zu kippen. Um einen Ausgleich zu schaffen.
müßten dann Länder wie die Schweiz oder Schweden aufgenommen werden. Die rasanten Veränderungen in Europa lassen derzeit noch kaum Schlüsse auf Zukunftsentwicklungen zu. Jedoch sind diese Veränderungen nicht nur für die EG zu schnell geschehen. Ich glaube, bevor man beginnt, die Ostblockstaaten einzugliedern, sollte man ihnen Zeit geben, ihre inneren Probleme zu lösen. Ein Staat wie die CSFR, der derzeit noch nicht einmal weiß, ob er nun in Zukunft aus einem tschechischen und einem slowakischen Teil besteht, oder doch nur aus einem tschechoslowakischen, ist doch kein ernstzunehmender Kandidat. Wie soll sich nun Österreich verhalten ? Zu jenem Zeitpunkt, als der Antrag auf Aufnahme in die EG abgegeben wurde, herrschten in Europa noch eindeutige Verhältnisse: Österreich wollte zur EG, die EG wollte Österreich nicht unbe dingt. Als sich die Grenzen zum Osten öffneten, veränderten sich jedoch die Vorzeichen. Es ist wahrscheinlich, daß den Oststaaten in Zukunft der Zutritt zur EG ermöglicht wird. Die EG wird dadurch zweifellos weniger attraktiv. Umgkehrt wird Österreich für die EG ungleich attraktiver. Seit jeher ist Öster reich der Dreh- und Angelpunkt für die Beziehungen zwischen Ost und West. Aufgrund unserer guten Kontakte zu Moskau und unserer strategisch unge mein günstigen Lage, werden wir zweifellos zu einem begehrten Standort der internationalen Wirtschaft. Wo liegen nun unsere Chancen? Ich bin der Meinung, daß es nun abzuwägen gilt, ob der Beitritt zur EG in den nächsten Jahren weiterhin erstrebenswert ist. Eine Alternative zum EG-Beitritt wäre es sicherlich, das „Zünglein an der Waage" zu spielen. Wir sind als Verbindungsglied zwischen Ost und West unerläßlich geworden. Indem wir diese Position ausnützen, könnten wir einen Sonderstatus gegenüber der EG erreichen. Ob sich jedoch in Österreich der zeit geeignete Politiker befinden, um diese heiklen Manöver durchzuführen, ist zu bezweifeln. Ein Sonderstatus, der uns die Selbständigkeit ermöglicht, und uns trotzdem eine bevorzugte Stellung einräumt, bringt meiner Meinung nach folgenden Vorteil: Die vorwiegend in Klein- und Mitteibetrieben strukturierte österreichi sche Wirtschaft hätte im Falle des Fernbleibens der EG weniger Probleme beim Anpassen an die geforderten EG-Standards (ähnlich gelagert ist der Fall bei unserer Agrarwirtschaft). Andre Gluckmanns Zitat mag - wem auch immer gefallen die Einigung Euro pas ist kein Spaziergang, zu dem es „nur noch kurze Zeit, etwas Klugheit und ein wenig Liebe" bedarf, um ans Ziel zu kommen. Noch ist zu wenig Zeit ver gangen, um alle Veränderungen in Europa zu begreifen. Noch unmöglicher ist dies in bezug auf die EG. Da niemand weiß, wie es weitergeht, kann man Öster reich nur raten abzuwarten, sowie die Entwicklungen zu beobachten. Auch dür fen wir unsere gestärkte Position, die wir den Umbrüchen in Europa zu verdanken haben, nicht unbeachtet lassen. Auf lange Sicht wird es für alle europäischen Staaten ratsam sein, den EG-Beitritt anzustreben. Die Vereinigten Staaten von Europa sind die Zukunft, doch ist dieser Zusammenschluß aller Europäer eine Entwicklung, die über Jahrzehnte behutsam herbeigeführt werden muß. Ramnek Bernhard, Vb
u 6 Chaos und Ordnung - Fraktale Geometrie, das sind die zentralen Begriffe, die eine Welle kennzeichnen, die nun seit nahezu zehn Jahren die Naturwissen schaften bewegt. Eine Welle, die in ihrer Kraft, Kreativität und Weiträumigkeit längst ein interdisziplinäres Ereignis ersten Ranges geworden ist. In einer Erzählung des amerikanischen Science-fiction-Autors Ray Bradbury unternimmt eine Gruppe von Touristen eine seltsame Reise. Die vergnügungs süchtigen Männer und Frauen fahren nicht in ein fernes Land, sondern ins Mit telalter der Erde, um dort Saurier zu fotografieren. Sie müssen dabei nur eine Bedingung erfüllen: Sie dürfen den energetisch abgeschirmten Umkreis der Zeitmaschine nicht verlassen. Denn jede Einmischung in die Vergangenheit kann ungeahnte Folgen in der Zukunft - also in ihrer Gegenwart - haben. Wie Touristen so sind, sie halten sich nicht an die Vorschriften. Einer von ihnen verläßt den vorgeschriebenen Weg und tritt einen Schmetterling tot. Der sorg lose Zeitreisende wird zwar sofort zurückgepfiffen, doch das Unglück ist be reits geschehen. Als die Gruppe wieder in ihrer Gegenwart ankommt, werden alle verhaftet. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände kam es in den USA zu einer Diktatur. Und schuld daran war der zertretene Schmetterling aus der Kreidezeit. Das klingt nach phantastischem Roman. Und doch begegnen wir auch im täg lichen Leben immer wieder Phänomenen, bei denen winzige Ursachen riesige Wirkungen zeitigen; vorausgesetzt, die Ursache setzt am richtigen Ort und zur richtigen Zeit ein. Aus einem wohlgeordneten und scheinbar stabilen Zustand
kann dann unvermittelt Chaos entstehen, ganz in Gegensatz zur üblichen Auf fassung, nach der eine doppelt so große Kraft eine doppelt so starke Wirkung hervorruft. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir die Welt mit der strengen Geomet rie der Griechen erklärt. Wir schienen in einem Universum zu leben, das einem Uhrwerk glich, das von unveränderlichen Gesetzen regiert wurde - den Geset zen der Mechanik-, die Isaac Newton im 17. Jahrhundert entdeckt hatte. Newton beschrieb, wie die Schwerkraft die Bewegung der Planeten bestimmt. Man glaubte in der Folge, daß alle phy sikalischen Sy steme den Geset- -ir w SS s zen der Mechanik gehorchen, und daß der Schlüssel zu ex akten Vorhersagen einfach exakte Mes sungen seien. Diese neue Naturphiloso phie führte zwangs läufig zu einem Schluß, der erst mals von dem fran zösischen Mathe matiker Pierre Simon de Laplace aufgestellt wurde: „Ein Geist, der alle Kräfte der Natur kennen würde und für einen Augenblick die Lage und die Geschwin digkeit aller Teilchen, aus denen die Natur besteht, erfassen könnte und der genügend groß wäre, alle diese Daten einer Rechnung zugrunde zu legen, könnte die Bewegung der größten Körper des Weltalls und die der kleinsten Atome vorhersagen. Für ihn würde nichts unbestimmt sein und die Zukunft und die Vergangenheit würden offen vor ihm liegen." Dieser Geist wird heute kurz „Laplecescher Dämon" genannt. Obwohl es offensichtlich Schwierigkeiten bei der Realisierung des Laplaceschen Gedankens gibt, zweifelte mehr als 100 Jahre kaum jemand an seiner prinzipiellen Berechtigung. Im Verlaufe der wissenschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert brach jedoch der Laplacesche Determinismus aus zwei sehr unterschiedlichen Gründen zusammen. Der erste Grund ist die Entwicklung der Quantenmechanik. Ein zentrales Axiom dieser Theorie ist des Heisenbergsche Unschärfeprinzip - demnach gibt es in Mikrosystemen (im Bereich der Elementarteilchen) eine grundsätzliche Grenze für die Genauigkeit, mit der gleichzeitig Ort und Geschwindigkeit gemessen werden können. Die Unschärferelationen erklären einige stochastische (zufällige) Phänomene in der Atomund Kernphysik - etwa den radioaktiven Zerfall von Atomkernen - recht gut.
größeren Systemen ist je- |G3J|[JGK ÜBaBügSe doch die Ursache für nichtvor- ShmM^ SMRmKiK hersagbares Verhalten nicht SjURKK SSp^^Oiy* Phänomene vorhersagbar, 36liü|ffl ist die Bahn eines Fußballes SwlBSffiMi jMSrnSKiE vorhersagbar: Ein Torwart macht davon jedesmal intuitiv Gebrauch, wenn er einen Ball hält. Im Gegensatz dazu läßt sich die Bahn eines Luftbaiions, aus dem Luft strömt, nicht vorhersagen; der Luftbaiion torkelt und ändert seine Richtung zu Zeiten und an Orten, die sich nicht vorhersagen lassen. Ein wei teres Beispiel ist die Vorhersage der Sonnen- und Mondfinsternisse - auf der Grundlage des Gravitationsgesetzes - für Tausende von Jahren. Obwohl die Bewegung der Atmosphäre genauso wie die Bewegung der Planeten physika lischen Gesetzen folgt, ist die Wettervorhersage nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage. Das Wetter, die Bahn des Luftbai ions, die Strömung eines Bergbaches oder der Fall eines Würfels haben nichtvorhersagbare Elemente. Da hier keine eindeu tige Zuordnung von Ursache und Wirkung bekannt ist, bezeichnet man diese Phäno mene als zufällig oder stochastisch. Bis vor kurzem hatte man jedoch wenig Grund daran zu zweifein, daß auch in sol chen Fällen zumin dest prinzipiell ex akte Vorhersagen möglich seien. Man nahm an, es sei nur nötig, genügend viel Information über das System anzuhäufen und zu verarbeiten. Dieser Standpunkt ist jedoch durch eine erstaunliche Entdeckung ins Wanken gekommen: Einfache deterministische Systeme aus nur wenigen Teilen kön nen stochastisches Verhalten erzeugen. Solches Zufallsverhaiten Ist grund sätzlicher Natur; es verschwindet nicht, wenn man mehr Informationen sam melt. Man bezeichnet Zufallsverhaiten, das auf diese Weise erzeugt worden ist, als deterministisches Chaos. Es scheint paradox, daß Chaos deterministisch Ist, erzeugt nach festen Regeln ohne stochastische Elemente. Prinzipiell ist die Zukunft durch die Vergangen heit vollständig bestimmt, aber praktisch werden kleine Fehler verstärkt - das Verhalten ist deshalb zwar kurzfristig vorhersagbar, langfristig aber unvorhersagbar. Es gibt Ordnung im Chaos: Das chaotische Verhalten beruht auf eie-
ganten geometrischen Strukturen, die Zufall in ähnlicher Weise erzeugen wie beispielsweise ein Spieler beim Mischen der Karten und ein Bäcker beim Kne ten von Brotteig. Durch die Entdeckung des Chaos entstand in der Naturwissenschaft ein neues Paradigma. Einerseits folgen daraus grundlegende Schranken für die Vorhersagbarkeit, andererseits folgt jedoch aus dem Determinismus des Chaos, daß viele zufällige Phänomene genauer vorhersagbar sind als bisher angenommen. Als zufällig erscheinende Daten, die man früher gemessen und dann ohne wei tere Untersuchung beiseite getan hatte, weil man meinte, sie seien zu kompli ziert, lassen sich jetzt mit einfachen Gesetzen erklären. Chaos ermöglicht es, Ordnung In so unterschiedlichen Systemen wie der Atmosphäre, einem trop fenden Wasserhahn und dem Herzen zu finden. Die Folge dieser Tatsache ist eine Revolution, die viele verschiedene Zweige der Wissenschaft erfaßt. Im Jahre 1959 puters, auf dem entdeckte der ^ Lorenz sein Moamerikanische siinulierte, Meteorologe Edward N. Lo- / damentalen Merenz die grund- \ chanismus, der sätzliche Unvor- Zufällighersagbarkeit verantwortdes Wetters. Mit Hilfe des Com- in vielen anderen Systemen, die deterministisches Chaos zeigen, ergeben sich aus kleinsten Unterschieden in den Anfangsbedingungen (minimale, unvermeidliche Meß fehler der Temperatur, des Druckes usw.) krasse Divergenzen im späteren Verlauf. Verfolgen wir einen Punkt Im System, so steht er immer wieder vor der Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten (wie ein Stein auf einem First, der nach links oder rechts kippen kann) - und stets beeinflussen Kleinigkeiten die Entscheidung. Lorenz bezeichnete diese empfindliche Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen als Schmetterlings-Effekt: Die Entwicklung des Wetters kann im Prinzip davon abhängen, ob ein Schmetterling mit den Flügeln schlägt. Der Börsenkrach, der im Jahr 1929 zum Zusammenbruch der Wallstreet führte, wird heute ebenfalls als eine Offenbarung des Chaos angesehen, als Chaos in einem sozialen System. Als am 19. Oktober 1987 dasselbe wieder passierte, erhofften sich die Ökonomen von der neuen Chaos-Mathematik Antworten auf ihre Fragen. Prof. James Ramsey von der Universität New York meint dazu: „Wirtschafts daten enthalten sehr starke Elemente chaotischer Phänomene. Das bedeutet, daß die Voraussagbarkeit von wirtschaftlichen Ereignissen stark beschränkt Ist. Wenn z. B. jeder zur selben Zeit überzeugt ist, daß bestimmte Aktien stei gen, dann möchte jeder kaufen, aber niemand verkaufen. Es entsteht eine sehr
unstabile Situation. Es kommt zur Ironie, daß eine Stei gerung der Informationsqualität und der Informations geschwindigkeit (durch Computer und Datenübertra gungssysteme) eine Situation entstehen läßt, die ten denziell äußerst instabil Ist und tendenziell in etwas führen kann, was wir Katastrophe nennen. Was am 19. Oktober 1987 passierte, war die Kulmination eines langdauernden, dynamischen Prozesses. Dieser Pro zeß ging von Anfang an einmal hinauf, dann wieder hinunter, das heißt, es ist eine sehr instabile Börsensi tuation entstanden. Es wäre nun völlig falsch, so etwas wie ein Sündenbocksdatum zu suchen. So etwas gibt es nicht. Um solche Situationen besser zu verstehen, müßte man nach einem ganzen Bündel solcher Sün denböcke suchen.". Es Ist naheliegend, daß sich diese neuartigen Phäno mene nicht mehr in der überkommenen Sprache der Euklidischen Geometrie mit ihren Grundformen wie etwa Linie, Kreis und Kugel beschreiben lassen. Die adäquate Sprache ist die Fraktale Geometrie mit ihrem unerschöpflichen Vorrat an geometrischen Elemen ten. Wer diese Sprache beherrscht, kann damit etwa die Form einer Wolke, eines Farnes (Bild 1) oder eines Gebirges (Bild 2) ebenso präzise und einfach be schreiben, wie ein Architekt den Plan eines Hauses in der Sprache der traditionellen Geometrie vollständig darstellen kann. Die fraktale Sprache drückt sich in Al gorithmen aus, d.h. in Verfahrensregeln und -anweisungen, die sich erst mit Hilfe des Computers In For men und Strukturen verwandeln. Die Mathematiker Benoit Mandelbrot und Mitchel Feigenbaum erkann ten, daß viele natürliche Strukturen wie z.B. Wolken, Gebirge, Küstenlinien, Blutgefäßsysteme oder Bruch flächen von Materialien trotz scheinbar uneinge schränkter Komplexität tatsächlich eine geometrische Regelmäßigkeit haben. Das bedeutet: Vergrößert man diese Strukturen, so stößt man immer wieder auf die selben Grundelemente. (Bild 3) Mandelbrot nennt die ses grundlegende Prinzip die „Selbstähnlichkeit". Die schrittmachenden Entdeckungen der Fraktalen Geo metrie und der modernen Chaos-Theorie sind erst Bild 1 Im Computer nach fraktalen Regeln gewachsenes Famblatt.
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