1. Jahresbericht HAK Steyr 1987/88

kauf in der Farbe und Nähart der Illustrierten oder der TV-Serie von damals verfrüht gewesen sein könnte oder gar falsch ? Erfahrungen muß der Mensch machen dürfen, solange es seine eigenen sind. Nachdem sich aber das Wohngefühl und Wohnbedürfnis dem Alter entsprechend ändert, auch der Farbgeschmack anderes Farbwertgefühl bringt, ist es nicht allzu abwegig, wenn man durch eine billige Erstmöblierung eine Art „Wohntraining" zum besseren Wohnverständnis und zum Kennenlernen seiner Wohnbedürfnisse schafft. Damit wird gleich zeitig auch ein Wertbezug klargestellt und die eigene Wertvorstellung des Wohnens für ein weiteres und endgültiges Einrichten fundiert. Die Wohnung wird nicht mehr als „Aufbahrungsort" von Stühlen, Ti schen, Tischchen, Betten, Kästen und Kästchen, diverser Wandgehängsel und der Errungenschaften moderner Technik verstanden, in welcher Or ganisches - außer als extravagante und exotische Versandhauspflanzen und verirrte Mikroorganismen — nur noch in Form von Chemie Platz fin det, sondern als Wohnraum für den Menschen, in dem dieser nicht gedul deter Stillebenstörer ist. Die folgende Abhandlung hat hauptsächlich das Buch Sparte/Sybaris von Bernhard Rudofsky zur Grundlage. Zitat: „Es ist müßig, uns mit Wohnarchitektur zu befassen, solange wir uns nicht Rechenschaft geben, wie man auch anders und besser sitzen, schlafen, essen, baden und sich reinigen kann." Mit dem Sitzen beginnt diese Aufzählung? Damit ist unser unentbehrli cher Stuhl gemeint. Also jener Ort, auf dem wir, noch bevor die Schwer kraft überwunden war, ein „Sitz-brav-gerade-still" vernommen haben und der uns seither Inbegriff der „Gemütlichkeit" und „Behaglichkeit" ist? Die Widersprüchlichkeit des vorangegangenen Satzes beabsichtigt im Zeitalter der wiederentdeckten Natur auf die Widernatürlichkeit dieser angelernten Abstellposition hinzuweisen. Und Arbeit ist auch, einem Kind Stuhlsitzen beizubringen, schließlich ist man nicht mehr Jäger und Sammler, sondern... Sesselkleber. Der Autor Rudofsky hält ein Plädoyer für die Ruheposition der anderen Art: das Hocken. Diese von den Anlehnungsbedürftigen als minderwer tig, erniedrigend, somit „fremdländisch", wenn nicht gar „abartig" ver pönte Stellung ist nicht nur variantenreich, sondern erhält Beweglichkeit, damit Wohlbefinden bis ins hohe Alter. Doch neben Hocken gibt es noch zahllose vom Einheitssitz abweichende Positionierungsmöglichkeiten des Körpers, wobei nicht immer das Hinterteil den menschlichen Ruhe pol bildet (Liegen, Aufstützen, Knien ...). Menschen ohne Stuhlgelegenheit kennen noch einen anderenVorteil: den direkten Kontakt mit dem Fußboden! Während in unseren Regionen der Fußboden be- und getreten werden darf, erfreut er sich dort häufig der

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