Zitate von Schülern geben einen anderen Anlaß zur Erklärung: „Die wirtschaftliche Not und andere Gründe „zwangen" ja direkt die Osterreicher, sich für Hitler zu entscheiden. Kann man ihnen denn das übel nehmen?" „Am Anfang haben sich die Leute sicherlich über die Arbeit gefreut, aber später, als sie merkten, was wirklich passiert, hatten sie selber schon sol che Angst, daß sie alles geschehen ließen." Viele Schüler nehmen den Österreichern den Anschluß nicht „übel", sie sehen darin eine Tatsache, die - aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Not - unwiderruflich geschehen ist. Deuten diese Meinungen aber auch an, daß sie vielleicht auch so gehandelt hätten? Vielen Schülern wurde bewußt, daß der Anschluß auch den Verlust der persönlichen Freiheit in vielen Belangen mit sich brachte: Widerstand be deutete Verfolgung, Gefängnis, ja sogar den Tod. Zeigen manche Schüler durch ihr passives Verhalten, daß sie bereits ver standen haben, wozu Engagement manchmal führen kann ? Dazu ein offizielles Untersuchungsergebnis: 40% der Österreicher inter essieren sich kaum bis überhaupt nicht für die jüngste Vergangenheit! Doch als man zum Jahre 1945, zum totalen Ende, kam, zeigten die Ge sichter kein Desinteresse mehr, sondern nur mehr blankes Entsetzen über die Katastrophe, was etwa so artikuliert wurde: „Ich hoffe, daß so ein Mensch wie Hitler nie wieder groß werden kann!" - „Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten." Schuld und Schuldzuweisung: „Das Jahr 38 holt uns jetzt ein!" „Wir Österreicher werden für das be schuldigt, was der Hitler früher getan hat." „Wir Jungen werden zur Verantwortung gezogen, obwohl wir nicht da bei waren." „Im Urlaub im Ausland begegneten wir sehr häufig solchen Schuldzu weisungen - besonders im Zusammenhang mit der Waldheim-DiskusViele Jugendliche reagierten sehr heftig: „Kann man denn nicht zugeben, daß man dabei war?" „Wenn man diesen Fehler eingesteht, dann könnte doch diese leidige Diskussion über Schuld und deren Zuweisung endlich ein Ende finden." Bei manchen Schülern ist gerade durch die WaldheimDiskussion der Problemkreis „Kollektivschuld" sensibilisiert. Sie wollen nicht auf diese Weise „Vergangenheit bewältigen", indem irgendeine Par tei, möglichst die andere Gruppierung, schuld daran ist, daß Hitler ein marschiert ist. In diesem Sinne sahen sie in den großen offiziellen Veran staltungen der Gemeinden und Magistrate nur „heuchlerische Aktivitä ten", wo nach ihren Angaben nichts anderes geschah, als sich gegenseitig wieder einmal die Schuld zuzuweisen.
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