danken aus meinem Kopf, indem ich mich auf beinahe kindliche Weise in das Rascheln der grün-braunen Ahornblätter vertiefe, die ich mit meinen ebenfalls braunen Schuhen vor mir hertrete. Jetzt erst fällt mir der mod rige und dennoch wunderbar angenehme Geruch auf, den das Jetzt wie der gelbe Laub unter meinen Füßen verbreitet. Plötzlich überkommt mich ein etwas schauriges Gefühl von Ehrfurcht, Ehrfurcht vor eigentlich schon toten Blättern, die aber irgendwie die Welt auszumachen scheinen. Am liebsten würde ich nun über das Laub schweben, um es nicht länger mit meinen dicken Schuhen zu erniedrigen. Ich setze jedoch meinen Weg fort, entlang der grauen Friedhofsmauer zur Linken und den bunten Bäu men zur Rechten. Ich folge aber einem inneren Drang, eines dieser zahl reich herumliegenden Blätter aufzuheben. Ich führe es an meine Nase, um noch einmal den wirklich sehr angenehmen Duft zu genießen. Dann werfe ich es mit einer inneren Zufriedenheit in die Luft und sehe zu, wie es langsam, von einer leichten, aber kalten Brise herumgewirbelt, zu Boden fällt. Dabei blinzeln mir einige Sonnenstrahlen durch das Geäst der Bäume ins Gesicht. Die Luft ist klar, von keinerlei Dunst oder gar Wolken getrübt, dennoch kann ich direkt in das Herz der Sonne schauen, ohne geblendet zu werden. Ja, sie hat nicht mehr jene Kraft, die sie an den wenigen sonni gen Sommertagen hatte, aber vielleicht ist sie gerade deshalb so ange nehm. Während die Strahlen mein bereits ziemlich kaltes Gesicht wär men, senke ich voller Wohlbehagen langsam meine Augenlider, sodaß lauter kleine, gelbe Blitze zwischen meinen dunklen Wimpern funkeln und zucken. Aber nein, sehr stark ist sie wirklich nicht mehr, die gute alte Mutter Sonne, denn schön langsam verspür' ich das Bedürfnis nach einem warmen Raum. Hätte besser doch nicht die Sommerhose angezogen, nur weil sie besser zur Jacke und zu den Schuhen paßt. Und die sommerlichen Baumwollhemden sollte ich wohl auch besser gegen die warmen Flanell hemden austauschen. Als ich neulich an der Truhe mit den Wintersachen vorbeiging fiel mir auf, daß sie heuer nicht so verstaubt ist wie sonst immer im Herbst. Sie scheint wohl auch bemerkt zu haben, daß der Sommer diesmal kürzer war als sonst. Und ich weiß, wenn ich die Hemden zum erstenmal wieder heraushole, wird es mir vorkommen, als hätte ich sie erst gestern hinein gelegt. Es überkommt mich eine Art Wehmut, Wehmut über das Ableben eines Jahres, das ich nie wieder zurückbekomme, genauso wie die anderen Jahre meines noch recht jungen Lebens. Wieder erheitert von der Pracht der Natur, insbesondere von einem Baum, der in beinahe schon unecht wirkendem Orange vor mir steht, sowie den Eindrücken der alten Stadt, die unter mir an den Ufern der beiden Flüsse liegt, welche sodann eins werden, setzte ich meinen Spa ziergang fort. Mein Spaziergang durch einen Novembertraum. Wolfgmg Sandner, IVc
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