Hochland, Heft Steyr, November 1919

Seite 3 November 1919 dieser Reichtum an schönen Höfen einzig dasteht. Wie muß sich doch da drinnen das Leben reich und in sich selbst gekehrt abgespielt haben! Seite der Stadtterrasse der zweite hohe Wächter über der Stadt, Bauerngehöfte weithin das Land. Des Bürgers und Arbeiters Fleiß und die herrliche gothische Pfarrkirche mit ihrem zierlichen, himmelan¬ strebenden Turm und der baulich bedeut¬ samen Margareten¬ kapelle Die Wahrzei¬ chen der weltlichen und geistlichen Macht bil¬ den Schloß und Kirche als Gegenstücke über dem Leben in den engen Grenzen einer klein¬ bürgerlichen deutschen Stadt. Und wenn wir an die Gemarkungen der Stadt kommen, sperren überall noch die alten Stadttore den Weg hinaus ins Freie; ge¬ gen Norden, der Stadt Enns zu, das wun¬ derschöne, sgraffittoge¬ schmückte Schnallen¬ tor, gegen Süden die beiden Ennstore an der Bürgerspital reißendsten Stelle des Flußes, gleichzeitig auch als Abwehr gegen die Stürme des Elementes errichtet. Sie schließen eines der schönsten Plätzchen von Steyr ein, das Grünmarktplätzchen mit dem altberühmten Innerberger Getreidespeicher, Ausdauer den Grundstein für ein Werk gelegt, das so lange als einst die Stätte reicher Arbeit und üppigen Bergsegens, wo sich die Erzschätze des Innerberges im Eisenerz aufstapelten, heute das originellste, den alten Werken im Steyrtal die neuen, prunkvollen Arbeitsstätten Stadtmuseum, das man sich denken kann. Und wie es im Innern der Stadt von Herrlichkeiten aller Art auf architektonischem Gebiete wimmelt, so ist es auch draußen in den Vorstädten Ennsdorf und Steyrdorf, nur vieles kleiner und bescheidener. Noch unendlich vieles gäbe es zu berichten. Aber wen dies deutsche Märchen eines Stadtbildes an sich zieht, der nehme den ausgezeichneten Führer des Heimatschutzvereines zur Hand und wan¬ dere nach seiner Weisung! Er wird sich nicht wieder so bald loszureißen vermögen. Anter den kulturellen Mittelpunkten der österreichischen Stammlande ist die alte Eisen¬ stadt nicht die letzte. Grau wie ihre steilgiebe¬ ligen Dächer ist ihre Vergangenheit, die weit in sagenhafte Zeiten zurückreicht, da die Römer eisengepanzert das Ennstal zur Donau herab¬ stiegen und auf diesem uralten Verkehrswege das Erz der steirischen Berge ins flache Land hinausführten. Seither ist hier die Kultur nicht mehr erstorben, bis aus dem kleinen ver¬ träumten Landstädtchen ein achtunggebietender Industrieort geworden ist. Der Name dieser Stadt hat heute guten Klang in mehr als einer Hinsicht. Möge ein gutes Geschick die Stätte, wo bisher die Waffen für den schrecklichen Krieg geschmiedet wurden, in eine bessere, friedvolle Zukunft geleiten, da Werke der Kultur und Völkerversöhnung aus ihr her¬ Schnallentor in Steyr. vorgehen werden. Und rings um sie dehnt sich breit und lachend üppiges Frucht¬ gelände, die Kornkammer des alten Österreich und heute mehr denn And über all dem steht oben an der dem Schlosse entgegengesetzten, je die Hoffnung dieses Staates. Gleich stolzen Burgen beherrschen die des Bauers Kraft, das sind die Quellen, aus denen der Wohlstand der Stadt seit Jahr¬ hunderten floß: Das Erz und das Holz der Berge und die Frucht des schweren Acker¬ bodens. Mehr als die Landeshauptstadt Linz war in früheren Zeiten Steyr in Wahrheit der Vorort des Bauern¬ landes Oberösterreich, wo der Landmann alle Erzeugnisse zu Markte tragen und alle Be¬ dürfnisse des täglichen Lebens decken konnte. In den beiden Flu߬ tälern aber, die sich hier im Winkel treffen, war von jeher der Sitz einer lebhaften Ge¬ werbetätigkeit. — Das niemals feiernde Leben der Arbeit, Esse an in Steyr. Esse erinnert uns, daß sich hier die Industrie ein Heim aufgeschlagen hat. Männer so hart wie der Stahl, der hier geschmiedet wird, haben in Jahrzehnte langer, zäher österreichische Waffenfabrik Weltruf genoß. Mächtig bauen sich neben auf als Zeugen der Bedeutung dieses Unter¬ nehmens. Daneben pochen in den Tälern der Amgebung noch immer die kleinen Hämmer wie einst, da es noch keine Großindustrie gab. Von den modernsten Schießwaffen herab bis zu den aus trauter Kinderzeit herüber¬ klingenden Maultrommeln und den bunt ge¬ färbten Taschenfeiteln wird alles im großen Steyrer Industriebezirke hergestellt. In der Erkenntnis des Wertes des bürger¬ lichen Erwerbslebens hat die Stadt ihrem großen Bürger Werndl ein prächtiges Monument aus Tilgners Meisterhand setzen lassen. Es ist nahe dem eines anderen Mannes, der nicht minder den Namen dieser Stadt bekannt ge¬ macht hat, Anton Bruckners, des sinnigen Komponisten, der hier während einiger Sommer mehrere seiner unsterblichen Werke schrieb. So ist die ernste Arbeit und die heitere Muse nahe beieinander. Die Siedlung mit dem reichen Industrieleben und die Stadt mit dem kleinbürgerlichen Sinn der Bewohner, das Einst und das Heute sind von einander kaum durch mehr als einen Hügel getrennt. Dr. Emmerich Dillewizer. Wen sehnsüchtiger Drang nach den Wundern der Fremde hinaustrieb, Lernt in der Fremde — wie bald! — innigstes Heimatsgefühl. E. Gelbel. Eine Stunde bei (Michael Blämelhuber. eben den vielen landschaftlichen und baulichen Schönheiten, die das alte, von dem internationalen Fremden¬ strome so gut wie gar nicht berührte Steyr aufzuweisen hat, besitzt es in seinem Mei¬ steratelier für Stahlschnitt eine Einrichtung, an der kein Kunstfreund vorübergehen sollte, ohne Einlaß zu heischen. Eine Stunde bei Michael Blümelhuber gehört nicht zu den verlorenen. Das Land Oberösterreich hat mit Unterstützung des Staates und der Stadt im Jahre 1910 dem Meister außer Steyrs Toren ein Heim erbaut, das seinesgleichen nicht bald finden wird. Ein Treppenweg führt zu einem Hügel empor und dort erhebt sich, mit der Rückseite gegen den Berg gelehnt, das Zauberheim des oberöster¬ reichischen Meisters, ein Werk des Ohmann¬ schülers Alfred Rodler. — Dort verwirklicht Michl Blümelhuber den Traum seiner Jugend: Die alte längst vergessene Arbeit des Eisenschnit¬ tes hat er in der Form des wertvollen Stahl¬

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