Hochland, Heft Steyr, November 1919

November 1919 Mein liabligs, alts Stadtl, Voll Löbn und voll Lust Liegst hiebei ban Gebirg, Wiar a Kind an da Brust. Hast viel hinter deina, Noh mehra vor dir, Bist alt, und doh jung, Wiar a Bam ön da Blüah. Wiar a Bacherl, a freundligs Dös tausend Jahr rinnt, Wiar an eisgraba Mensch, Den sein Herz hellauf brinnt. Iteyr. con Rarl Mayer. Rechts und links va dein' Gschloß Rauschen d' Wassa vabei, Und an Gruaß va da Alm Tragt bal d' Enns zua, bal d' Stey'. Ma zwengt sö durch d' Enga, Aft gibt 's oan an Riß, Und aft hat ma gnua Platz, Wann — nöt Wochamarkt is! Rundum hochö Dacha, Und 's Rathaus mit'n Turm, Dös röckt sö und broat't sö, Dös hat an schön' Furm! Seite 9 Dö uralin Häusa, Dö Gassln und Stiagn, Dö sö allö zöhn Schriat Am an Eck umibiagn .... Und d'Pfarrkircha obnad, Dö habns aso baut, Als wia wann sö a Henn brav Am d' Singerl umschaut. Gehst hin woda wöll, Schaust da was da wöll an: Alls alt und alls guat, Und drum gfreust' di ah dran. Das Begräbms des Comikers. Skizze aus dem Bühnenleben von Geopold Churner. er erste Akt ging zu Ende. Plötzlich trat eine Stockung ein. — Man hörte den Kapellmeister abklopfen, das Orchester ging in Mißtönen aus¬ einander. Die Darsteller, die eben noch plau¬ dernd in den Kulissen standen, eilten erschreckt an ihre Plätze. Ein unterdrücktes Rufen und Flü¬ stern, ein zielloses Laufen, Kulisse auf und ab. Der Inspizient kam atemlos und überrannte Solodarsteller und Statisterie, Chormädchen und Theaterarbeiter in Hemdärmeln. Es war, als wenn eine Herde in Anruhe und Verwirrung gerät. — Endlich rief jemand halblaut und durchdrin¬ gend: „Vorhang herunter!“ Die Arbeiter zogen an dem Seile, der Vor¬ hang fiel. Alles drängte bestürzt zur Szene hin. Dort hoben sie einen bewußtlosen Mann in einem bunten Kostüm auf und trugen den schwer Atmenden in das „Konversationszimmer“ Man schnitt ihm die großen „Vatermörder“ durch und öffnete die Kleidung. Anter der Per¬ rücke, die man dem Darsteller abnahm, kam strähniges, nasses Haar zum Vorschein. Ein Kollege rieb die Schläfen des Besinnungslosen mit Essig und Wasser ein. „Wie kam denn das Unglück?“ fragte er die blonde Soubrette mit dem kecken Florentiner¬ hut. Das Mädchen stand noch ganz verstört vor Angst: „Wir begannen eben das Duett, als er plötzlich stockte,“ erzählte sie. „Ich glaubte, er wäre im Text nicht sicher — da griff er in die Luft, taumelt und sinkt um.“ „Und blieb das Publikum ruhig?“ „Im Anfang ja — einige lachten sogar; sie glaubten natürlich an eine neue Nuance unseres Komikers. Erst als sie meine Aufregung bemerk¬ ten, wurden sie unruhig.“ Der Theaterarzt trat rasch ein. Mit ihm der Direktor. Immer mehr Personal drängte nach. Der Arzt prüfte Puls und Herzschlag des Bewußtlosen und machte ein bedenkliches Gesicht. „Wir wollen den Kranken entkleiden. Viel¬ leicht helfen mir einige Herren. Die übrigen Herrschaften möchte ich ersuchen, das Zimmer vorerst zu verlassen.“ Der kleine Raum entleerte sich langsam. Sie zogen dem Teilnahmslosen das karritierte Kostüm aus, die gelbseidenen Kniehosen, den blauen Dienerfrack und lösten die entzweige¬ schnittenen Vatermörder, die wie Windmühlen¬ flügel in die Luft standen. Ein Kollege rieb dem Kranken die Schminke ab und entfernte die ge¬ klebte Nase. Sie war kupferrot und von unmög¬ llicher bizarrer Größe. Die lustige Hanswurst¬ maske verwandelte sich langsam in ein fahles Krankengesicht. „Ein Herzschlag! Ich habe wenig Hoff¬ nung,“ sagte der Arzt, Der Direktor war inzwischen mit dem Re¬ gisseur auf die Bühne gegangen. Ein Ersatz für den erkrankten Darsteller war nicht vorhanden. Der Regisseur hatte also dem Publikum mit¬ geteilt, daß wegen plötzlicher Erkrankung des Darstellers Heider die Gesangsposse „Immer lustig“ nicht zu Ende gespielt werden könne. „Force majeure,“ sagte der Direktor im Bureau zu seinem Sekretär und änderte das Repertoir der nächsten Tage. Aber sehr unan¬ genehm! — 1200 Mark brutto! — Wenn das Malheur wenigstens nach dem zweiten Aktpas¬ siert wäre, dann brauchte ich keine Billets zurück¬ zunehmen. Das Reichsgericht hat den Fall un¬ längst entschieden. Aber so .... 1200 Mark brutto! —— — So ein Dech! Aber... force majeure. Dagegen schützt kein Vertrag!“ Vor dem kleinen Bühnenausgange standen die Kollegen und einige Neugierige und bespra¬ chen das Ereignis. An der Auffahrtsrampe verlöschten die Lichter. Die Neugierigen entfernten sich lang¬ sam. Nur an der schwach erleuchteten Bühnen¬ tür huschten dunkle Schatten. Mit den Kollegen des Erkrankten wartete ein junger Mensch mit einem gutmütigen dicken Kindergesicht. Es war der Freund des Verunglückten, der einzige, so viel man wußte. Der junge Mensch wollte zu dem Kranken. Aber man riet ihm ab. Jede Aufregung sei ge¬ fährlich und der Arzt wünschte strengste Ruhe. Er wartete bekümmert weiter. So oft im Innern eine Tür schlug, wendete er sich jäh um und starrte bang in das Dunkel des Flurganges. „Sagen Sie, lieber Knutzke, war Ihr Freund denn in letzter Zeit leidend?“ fragte ein Kollege. „Er klagte manchmal über Beklemmungen und Angstzustände. Aber die hatte er stets vor einer neuen Rolle. Krank fühlte er sich nicht. Er hätte mir sicher etwas gesagt.“ „Er war herzleidend,“ sagte der hagere Cha¬ rakterspieler mit großer Bestimmtheit. Schon vor zehn Jahren — als wir in Brünn engagiert waren, machte sich das Abel bemerkbar. Im Korridor entstand eine Bewegung. Der Arzt kam die Treppe herunter, begleitet vom Direktor und dem Regisseur Die Wartenden bildeten eine Gasse. „Ich muß Ihnen leider die traurige Mit¬ teilung machen, daß Ihr Kollege Heider soeben gestorben ist,“ sagte der Arzt. Er gab noch einige Aufklärungen über die Art der Erkran¬ kung, dann grüßte er und bestieg eine Droschke. Langsam entfernten sich die übrigen. Nur Knutzke stand noch seitwärts von der Laterne. Er schneutzte sich einigemale mit trompetenartigem Geräusch, so daß ein Vorübergehender, der mit sich selbst sprach, in seiner Anterhaltung gestört wurde und ärgerlich aufblickte. Aber als er sah, daß dem dicken Menschen, der da an der Laterne stand, die Tränen über die Backen liefen. ging er seines Weges, schüttelte mehrmals den Kopf und nahm seine Selbstgespräche wieder auf. Knutzke war mit dem Kastellan des Thea¬ ters zu seinem Freunde hinaufgegangen. Er hielt Wache, bis der Tote abgeholt wurde. In einer Droschke gab er ihm noch ein gutes Stück das Geleite. In zehn offenen Wagen fuhren die Kollegen des Verstorbenen durch die langen Vorstadt¬ straßen zum Friedhof. Im ersten Wagen saß der Direktor, der Regisseur und der Sekretär des Melpomene-Theaters. Sie blickten ernst und würdig auf die Vorübergehenden. Dann kamen die ersten Fächer. Der hagere Charakter¬ spieler fuhr mit der blonden Soubrette, die mit ihrem Kollegen auf der Bühne stand als er zu¬ sammenbrach. Sie trug eine elegante Trauer¬ robe; aber an jenem Abend sah sie in ihrem hellen Kostüm mit dem Florentinerhut vorteil¬ hafter aus. Die Trauer paßte nicht zu ihrem lustigen Gesicht mit dem kecken Stumpfnäschen. Im vorletzten Wagen saßen Hans Knutzke und zwei Kollegen des Toten. Knutzke hatte sich dem „Väterspieler“ und dem „jugendlichen Komiker, angeschlossen. Die Beiden hatten am besten von seinem Freunde gesprochen. Auf Knutzkes mächtigem Schädel saß ein kleiner schmaler Zylinderhut, der in gar keinem Verhältnis zu dem massigen Körperbau stand. Die schwarze Kleidung des Väterspielers schil¬ lerte bedenklich in anderen Farben. Des Abends, im Rampenlicht, wenn er die reichen hartherzi¬ gen Väter oder den Onkel aus Amerika dar¬ stellte, der im letzten Akt dem bedrängten Liebes¬ paar rechtzeitig mit der vollen Brieftasche bei¬ steht, sah sein Gehrock sicher noch leidlich aus. Aber das Tageslicht vertrug er nicht mehr. Schlimmer noch stand es mit dem Zylinder. Der hatte rötlich -rostbraune Flecken. Aber der Väterspieler wußte sich zu helfen. Immer wenn die Sonne aus dem schweren Gewölk, das am

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