Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

VIII Verwirrung und Unordnung ist! Entstehen Streitfälle, Rechtsfragen nicht zwi- schen zwei privaten Staatsbürgern, sondern zwischen dem Staat und der Kir- che im Staatsgebiet, so sieht man sich vielfach veranlasst zurückzugehen bis auf Josefs Zeiten. Der Kenner der Rechtsgeschichte wird da wissen, wie trost- los und aussichtslos solch ein Rekurs ist; wie wenig man hoffen kann dort eine rechtliche Basis zu finden, wo eine juridische Gesetzgebung nicht Platz und Zeit hatte, wo es nur Verordnungen gab und zur Beseitigung von Verlegenhei- ten, Schwierigkeiten, Zweifeln nur wieder Verordnungen wider Verordnun- gen — und doch so wenig Ordnung! Die Rechtsschwierigkeiten, die in jener Zeit gründen, haben ihre Bedeu- tung nach 130 Jahren nicht eingebüßt; vielmehr ist bei dem allgemeinen Zug der Zeit zu besorgen, dass sie noch sich steigern, aufbrennen werden. Die Verwirrung, Unsicherheit, die schwankenden Begriffe und Ausdrücke in den Verordnungen brachten es auch mit sich, dass die Geschichtsschreiber hie und da weniger genau und zutreffend in ihren Berichten wurden. Der Josefinismus auf kirchlichem Gebiet war nicht bloß eine staatsrechtli- che Bewegung, hervorgegangen aus einem kanonistisch-dogmatischen Irr- tum über die Befugnisse der weltlichen Gewalt; mit ihm tritt in Betätigung und Wirksamkeit auch eine nationalökonomische moderne Lehre, die auf Staatenbildung und Verfassung, auf das Leben der Menschheit mehr Einfluss genommen hat als Krieg und Diplomatie, als manche Glaubensströmung und ins Volk gedrungene philosophische Idee, die Doktrin: Geld ist Wert. Das ist die Börsenauffassung, entstanden in der Zeit des beginnenden enzyklopäda- len Liberalismus, der auch den nationalen Wohlstand frei beweglich macht und daher als Quelle des Reichtums Industrie und Handel über alles stellt, der alles zu Geld macht, denn: Geld ist Wert. Das ist das apres nous le deluge- System der modernen Nationalökonomie. Das Geld als solches ist Wertmesser; Wert das, was unmittelbar zum Ge- nuss und Gebrauch verwendet werden kann oder das zum Genuss Dienliche aus sich hervorbringt. Wer nur Geld hat, besitzt noch nicht den Wert, er muss ihn erst erwerben. Allerdings, das Verhältnis verschiebt sich: die bequeme Leichtigkeit mit Geld sich verschiedene Werte zu beschaffen, ist des Geldes natürliche Macht, seine Anziehungskraft; ohne vorsichtige Berechnung gibt der Wertbesitz sein Erstgeburtsrecht hin und so gelangt das Geld zur Diktatur, der Wertmesser unterjocht den Wert, die alte gründliche soziale Ordnung zersplittert und die neue — treibt dem Zusammenbruch zu. Wenn Tausende und Millionen nichts haben zum Leben, sondern nur Geld verdienen, wovon

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