Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm
526 Es kann nicht Wunder nehmen, dass unter solchen Umständen eine Klosterdis- ziplin, die die Todeswunde aus dem vernichtenden Streich bereits so lange schon in sich trug, endlich zusammenbrechen musste. Das Provinzialkapitel im Jahr 1835, seine Beschlüsse und Wahlen wurden vom fürsterzbischöflichen KonsistoriumWien annulliert. Dem Linzer Kloster wurde vom Bischof Ziegler ein Novizenmeister in der Person des Domchorvikars Voglmayr ge- geben. Die Zustände in den Klöstern zu Wien und Raab wurden immer peinlicher — endlich kam die allgemeine Ordensreformation, die Pius IX. mit Gutheißung des Kaisers Franz Josef I. in der ganzen österreichisch-ungarischen Monarchie vorneh- men ließ. Die Kardinäle Fürsterzbischof Schwarzenberg von Prag und Primas Seito- vszky von Gran wurden als Visitatoren bestellt 1852. Zur Visitation der Karmeliter, Kapuziner und Barmherzigen Brüder in Linz war Seitovszky vom Fürsterzbischof Schwarzenberg delegiert. Die Visitation im Karmelitenkloster begann nach vom Provinzial der Kapuziner P. Alfons gegebenen Exerzitien am Pfingstmontag 5. Juni 1854 abends mit dem feierlichen Einzug des Visitators in Begleitung des Diözesanbischofs und des Stadt- klerus in die Karmelitenkirche. Nach der Predigt des Kardinals leisteten Karmeliter, Kapuziner, Barmherzige Brüder das Homagium. Während der Visitation wohnte der Kardinal im Kloster, hielt die strengste Ordensfaste, das Silentium, vollständige Zurückgezogenheit von der Außenwelt. Den Sitzungen im Chor wohnten an der Diözesanbischof (oder sein Vertreter), die Begleitung des Kardinals, der 3. Gene- raldefinitor, die Vertreter der Konvente von Linz, Raab, Graz; mit letzterem neu errichteten Kloster strengster Observanz sollte die Vereinigung geschehen, auf die schon Bischof Ziegler unablässig hingearbeitet hatte, und so die Provinz neu er- richtet werden. Die Linzer Konventualen waren alle anwesend. Nach Erledigung der Formalien wurde die Ordensregel vorgelesen und die Ver- treter der Konvente befragt: „Liebste Mitbrüder, haltet Ihr das alles?" Die Grazer antworteten mit „ja"; die Raaber: einst sei das in ihrem Konvent beobachtet wor- den, im Verlauf der Zeit manches außer Gebrauch gekommen; die Linzer: „nie- mand hat uns solches gelehrt, also beobachten wir es nicht; wir haben bereits an den hl. Vater und öfters darüber an En. Eminenz geschrieben". Der Visitator stellte es aus, dass sie an den hl. Vater geschrieben, der ihn als seinen Stellvertreter ge- schickt. Er ließ das Professbuch bringen und wies die Konventualen auf ihre eigen- händige Unterschrift zu der Professformel, die dieselbe war wie in alter Zeit. Am 7. Juni 1854 wurde die Visitation geschlossen mit der Neuwahl der Oberen; aus dieser ging als Vicarius provincialis hervor P. Dominicus (Sartori); er und sämt- liche für Graz, Linz und Raab gewählten Oberen gehörten der strengsten Obser- vanz an. Nachmittags fand die Temporalienübergabe statt, der frühere Prior stieß in lei- denschaftlicher Erregtheit eine unüberlegte Drohung aus. Diejenigen, welche die Reform nicht annehmen wollten, wurden nach Raab versetzt; sie waren vom nächtlichen Chor befreit, zur Abstinenz nur am Mittwoch, Freitag und Samstag verpflichtet, durfte» die (kleinere) Klerikaltonsur tragen,
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