Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

21 Spitalstiftung umgestaltet zu einem Kollegiatstift mit einem Dechant an der Spitze. 1605 wurde das Stift zu einer Propstei erhoben. Der vom Kapitel gewählte Stiftsvorsteher musste dem Bischof von Bamberg angezeigt werden. Dieser präsentierte ihn dem Passauer Bischof zur Bestätigung und Investierung. Die Wahlakten tragen bis in die Zeit Maria Theresias den regelmäßigen Vermerk, dass der Abgesandte des Bischofs von Bamberg sich „ganz still" in seinem Zimmer verhalten habe. Die Chorherren legten nur das Gelübde des Gehorsams ab und zwar für die Zeit, als sie Mitglieder des Stiftes sein würden; sie konnten jederzeit austreten, aber auch entlassen werden; sie behielten volle Verfügungsgewalt über ihr Vermögen. Mehr als zwölf Chorherren waren im Stift niemals. Der Propst hatte gleich den übrigen Stiftsprälaten den Usus pontificalium. 1747 wurde eine Revision der Statuten durch das Ordinariat vorgenommen und die neuen Statuten von Maria Theresia bestätigt. Zwölf Chorherren waren im Stift, exponiert die beiden Benefiziaten in Wels und Linz, die Seelsorger in der Pfarre Windischgarsten, in St. Pankraz und in Stoder. Die Kandidaten, immer nur Weltpriester, mussten zuerst in der sehr beschwerlichen Pfarre Windischgarsten Seelsorge leisten, dann wurden sie als Domizellare in das Stift berufen und nach sechsmonatlichem Noviziat durch Abstim- mung des Kapitels als Chorherren aufgenommen. Als Kapitelzeichen wurde ihnen 1776 gestattet am blauen Band ein Kreuz oder eine Medaille zu tragen mit der Aufschrift: de Deo et proximo bene meritis. In der Tat hatte das Stift in sozialer Beziehung Großartiges geleistet in den ärmsten, einsamsten Hoch- gebirgsgegenden des Landes. Aber gerade die Statutenänderung vom 1. Dezember 1747 war es, über welche sich die Chorherren nach dem am 3. März 1760 erfolgten Ableben des Propstes Mark Anton Steinwald bei Maria Theresia beschwerten: durch die neuen Statuten sei dem Propst unumschränkte Gewalt gegeben mit dem Stiftsvermögen zu schalten wie mit seinem Eigentum. Nach dem Tod des Propstes fanden sich über 40.000 fl. ohne Wissen des Ka- pitels ausgeliehen an Parteien, anderseits unter den Passiven ebenso viel ohne Wissen des Kapitels vom Propst zu leihen genommen, so dass das Kapitel sich veranlasst sah auf das verlassene Privatvermögen des Propstes ein. gerichtliches Verbot zu legen, ohne daß dadurch Hoffnung gegeben war das Stift vor Schaden sicherzustellen. Die Aktiven wurden mit 330.759 fl. 39 kr., die Passiven mit 165.057 fl. 19 kr. invertiert; die Vermin- derung des Vermögens unter Propst Steinwald erklärte sich aus dem Ankauf der Herr- schaft Großlobming und verschiedener Eisenhämmer in Steiermark. Sein Vorgänger, der Propst Heinrich Fürsten (t 1732) hatte das Berg- und Hammerwerk Liezen gekauft. Zur Neuwahl am 18. Juni 1760 waren 15 Votanten erschienen; per maiora wurde gewählt Josef Xaver Grundner, Benefiziat zu Stoder, 31 Jahre alt; sein Vater war beim kaiserlichen Salzkammergut angestellt gewesen. Am Tag nach der Wahl suchte die kai- serliche Wahlkommission über die vorgebrachte Beschwerde vermittelnd einzuwirken; der neue Propst erklärte, dass er mit seinen Kanonikern in aller Liebe vorgehen, des Stiftes Bestes nach allem Möglichen befördern, auch nichts von Erheblichkeit vorneh- men werde, ohne den Dechant und wenigstens einen oder zwei Stiftsgeistliche vorher befragt zu haben; das Kapitel befriedigte sich dabei und erklärte eine weitere Änderung der Statuten für nicht nötig. 1761 erkaufte er die Herrschaft Klaus von Graf Salburg. Außer diesen Prälaturen bestanden im Land ob der Enns noch folgende

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2