Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm
438 Gleichzeitigmit demViktoriageschmetter über Belgradwar nachWien eine kleine Hiobs- post aus Belgien gekommen: 2 Bataillone österreichischer Infanterie und 2 Kompagnien Gre- nadieremit 3 Kanonenund2Haubitzenhatten ein von einer aufständischenBande besetztes Nest nicht nehmen können. Und was brachte der Triumph über Belgrad Österreich ein? Nichts! und die Schlappe bei Turnhout war der Anfang vom Ende der österreichischen Herr- schaft in dem an Schützen überreichen Belgien. EinekurzeMilitärschreckensherrschaft vollendetedasUnglückBelgiensundÖsterreichs.Was musste der hochsinnige Kaiser empfinden, als ihm sein treu ergebener Trauttmansdorff, der als bevollmächtigterMinister nachBelgiengekommenwar,offenklagte: „esgibt keinLand inEuropa, inwelchemdieBewohnerweniger Sicherheit, Freiheit und Eigentumgenießen als inBelgien." Nun bot freilich die österreichische Regierung alles der siegreichen Revolution an. Um- sonst! Nach dem Brüssler Straßenkampf vom 12. Dezember 1789 war Belgien verloren: es erklärte sich als Republik. Nur Luxemburg war dem Kaiser treu geblieben. Einer erhob seine Stimme für den todkranken Kaiser, auf dessen Bitten—Pius VI.! Seine Stimme verhallte—auch die belgischen Bischöfe vermochten ihr kein Gehör zu verschaffen. In den österreichischen Erblanden, vor allem in Böhmen und Mähren, also gerade in je- nen Ländern, wo der Kaiser zuerst in unerhörter Weise als „Schützer der Menschheit" sich dokumentiert hatte, war die Gärung auf einen Siedepunkt gestiegen, dass täglich ein gewalt- samer Ausbruch zu befürchten war. In Galizien schien man jeden Augenblick zum Losschlagen bereit. In Tirol führte der of- fene Landtag zu Innsbruck eine Sprache, die wie eine Kriegserklärung gegen die Josefinische Regierung klang (1790). Natürlich stand unter solchen Umständen gerüstet da — Preußen! Am schreckhaftesten sah es aus in Ungarn. Josef hatte sich nie zumKönig von Ungarn krö- nen lassen, um nicht den Eid auf die Verfassung, die er ändern wollte, ablegen zu müssen. Die Krone samt Reichskleinodien hatte er vom Preßburger Schloss in die Wiener Schatzkammer bringen lassen. Die Ungarnwaren außer sich vor Schmerz. Schlag auf Schlag fühlten sie die kai- serlichenVerordnungen. Endlichholten sie ans zum letzten Schlag—Ungarn stellte dasUltima- tum: Josef musste sein königlichesWort verpfänden (28. Jänner 1790), den Reichstag sicher im Jahr 1791 einzuberufen und die politische und gerichtliche Verwaltung vom 1. Mai 1790 an in jenen Stand zurückzuversetzen, den sie hatte beimTodMaria Theresias. Am 17. Februar wurden Stephanskrone, Mantel und Säbel samt Zeptek und goldenem Apfel aus der Wiener Hofburg in prachtvollen Wägen, begleitet von der Leibgarde, an die Grenze gebracht und unter unbeschreiblichem Jubel der Ungarn zurück in die Ofner Burg. In den fast bis zu revolutionärer Wildheit gesteigerten Freudentaumel der Ungarn klingt die Klage des Kaisers: „Nun sehe ich, dass der Allmächtige noch bei meinen Lebzeiten allemeine Werke zertrümmert." Er ahnte den nahen Tod, denn er sehnte sich nach ihm. Am letztenWeihnachtsabend seines Lebens, das nur noch nach Tagen zählte, schrieb er an seinen Bruder Leopold: „Ich bin gegenwärtig der Unglücklichste unter den Lebenden. Ge- duld und Ergebenheit sind meine einzige Devise. Du kennst meinen Fanatismus, so darf ich sagen, für das Staatswohl, dem ich alles geopfert habe: das bisschen guten Ruf, den ich be- saß, das bisschen Ansehen, welches die Monarchie sich erworben — alles ist dahin! Beklage mich, mein teurer Bruder, und möge Dich Gott vor einer ähnlichen Lage bewahren."
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