Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

417 96. Josef II. am Abend seines Lebens. Unter dem 16. April 1789 kam von her Hofkanzlei die Kunde und die Linzer Regie- rung kündete es weiter unter dem 18. April: Se. Majestät hat aus höchst eigener Bewe- gung mit dem Sakrament des Allerheiligsten Abendmahles öffentlich versehen zu wer- den verlangt. Es soll sogleich veranlasst werden, dass die gewöhnlichen Gebete und Kol- lekten beim hl. Messopfer in allen Kirchen für baldige und vollkommene Genesung des teuersten Monarchen eingelegt werden, ohne jedoch öffentliche Andachten anzustel- len, da gottlob die Gesundheitsumstände höchstgedachter Majestät nicht so gefährlich sind, dass für das Leben etwas zu besorgen wäre. Die Todeskrankheit hatte sich der Kaiser geholt im Krieg wider die Türken als Bun- desgenosse der Zarewna Katharina. Er war ihr Reisegenosse gewesen auf der famosen Krimfahrt im Jahr 1787. Dort sah er Potemkin'sche Dörfer, die Huldigungen von Tatarenfürsten, und inzwischen begann er — Belgien zu verlieren, ein Kronjuwel Österreichs. In Belgien hatten seine antikirchlichen Maßregeln die größte Verbitterung hervor- gerufen; die Eröffnung des Generalseminars zu Löwen (mit einer Filiale zu Luxemburg) trieb den stürmischen niederländischen Freiheitsgeist in entschiedenen offenen Wider- stand. Theologiestudierenden, Alumnen ward das seltene Los beschieden durch ihr Ein- treten für römisch-katholische Glaubensfreiheit als Vorkämpfer für Geistesfreiheit die Teilnahme der Nationen und Staaten zu gewinnen. An die Spitze dieser jungen Geistli- chen stellten sich die Bischöfe, allen voran der Kardinal Frankenberg. Wider die Alumnen herbeigerufene Dragoner gaben nur zu bald und zu sehr dem Widerstand den Charakter der Revolte und die Revolte drohte Revolution zu werden, als der Kaiser auch an die Reform der Verfassung Hand anlegte. Noch wurde der Ausbruch des Bürgerkrieges verhindert durch die kluge Milde des Statthalterpaares: des Prinzen Albert von Sachsen-Teschen und seiner Gemahlin, der ErzherzoginMaria Christina, einer Schwester Josefs II.; sie gaben dem Volk in allen Punk- ten nach. Belgien feierte Freudenfeste, alles schwamm in Wonne, Licht und Jubel: es hätte die Siegesfeier des Kaisers sein sollen — er wollte nicht! Kaum aus der Krim zu- rückgekehrt, gab er 50.000 Mann denMarschbefehl gegen Belgien. „Ich werde nie nach- geben" äußerte er am 23. Juli 1787. Zu gleicher Zeit aber begann Russland den Krieg gegen die Türkei, Josef mobilisierte fünf Armeekorps, am 9. Februar 1788 begannen die Feindseligkeiten zwischen der ös- terreichischen und der türkischen Armee: ruhmlos für die erstere und aufreibend zog sich der Krieg oder richtiger gesagt der Kriegszustand das ganze Jahr hindurch; die Bun- desgenossen, die Russen, sagten: „die Österreicher verstehen den Krieg gegen die Tür- ken nicht mehr." Das Lagerleben im Sumpfwinkel zwischen Donau und Save zog dem Kaiser ein Fieber zu. Am 18. November verließ er seine Armee, er sollte sie nie wiedersehen. Am 5. Dezem- ber kam er krank in Wien an. Die bittersten Nachrichten, die unaufhörlich von Belgien ein- trafen, der Schrecken, der Schmerz, mit denen der Kaiser die hochgradige Gärung in den eigenen Erblanden wahrnehmen musste, ließen ihn nicht mehr zu Kräften kommen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2