Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

411 Klein-Mariazell cum commodo et onere an das 1790 wiedererrichtete Stift Lilienfeld übertragen; dieses sollte sich mit Kremsmünster über die noch haftenden Forderungen auseinandersetzen. Auch das verzögerte sich. Erfolglos bat Josef Freiherr von Eyselsberg beim Kaiser, seine Herrschaft Steinhaus gegen die Mariazeller Realitäten an Kremsmünster vertau- schen zu dürfen (1793). Mit Hofentschließung vom 23. August 1793 wurde dem Abt die Versteigerung von Kl.-Mariazeller Realitäten bewilligt. Freiherr von Matt erstand den Reh- oder Geißhof um 5525 fl. Am 1. Mai 1795 übernahm die Administration das Stift Lilienfeld, am 2. November 1798 die Staatsgüteradministration. Ein Gesuch dreier ehemaliger M.-Z. Kapitulare (1803) um Wiederherstellung des Stiftes blieb erfolglos. Am 21. November 1825 wurde die Religionsfondsherrschaft Kl.-Mariazell versteigert zum Ausrufpreis von 14.480 fl. Heinrich Freiherr von Müller-Hörnstein erstand sie um 75.000 fl. Die Besitzer wechsel- ten rasch; Ökonomen, Bürger, Börsearistokraten übernahmen es, manche steckten Rie- sensummen in den Besitz und trachteten ihn wieder loszuwerden: unter dem letzten Besitzer ist Kl.-Mariazell ein herrliches Lustschloss geworden — es scheint eine Jagd- herrschaft werden zu sollen; 370.000 fl. hat der Ankauf dem letzten Besitzer gekostet. Noch eine andere höchst peinliche Sache hatte der Exprälat seinem Nachfolger in der Administration überlassen. Das Stift Kremsmünster hatte unter den Aktivposten 75.600 fl. angegeben, die es den ihm zugevogteten Gottes Häusern vorgestreckt habe. Zu Beginn des Jahres 1789 war nun eine anonyme Anzeige eingelaufen, dass wenigstens 10.000 fl. davon fingierte Schulden seien. Der Angeber erzählt: Abt Alexander Straßer hatte von der Grafschaft Wels die Vogtei über alle Kremsmünsterischen Pfarren erkauft. Er wollte durch Fiktion von Schul- den dieser Gotteshäuser erreichen, dass, wenn die Pfarreien auf hohen Befehl wieder den Petrinern eingeantwortet werden müssten, es entweder gar nicht oder wenigstens mit Nutzen des Stiftes geschehe; nur wenige und zwar die ältesten Priester wissen da- rum. Anzeiger und zwei Zechpröpste haben es erfahren im Jahr 1756 vom P. Johann Weilbauer, gewesenen Professor und damaligen Pfarrer in Fischlham. Bei Aufnahme der Rechnung haben der Beamte, der Prior, der Pfarrer allezeit einander lächelnd angese- hen, wenn sie auf diese Post kamen; so war es gewesen bei Thalheim, sie schüttelten die Köpfe und mit angenommenem Ernst befragte man die Zechpröpste, ob niemand wisse, bei welchem Notfall das Gotteshaus in diese Schulden gekommen sei. Alle Ge- genwärtigen aber beantworteten die Frage mit Nein. Weitere Klagepunkte wusste der anonyme Anzeiger vorzubringen über die Kirchen- sammlungen, Opferstöcke u. dgl. Das Stift verantwortete sich dahin, dass die Schulden vor 40 oder 50 Jahren entstan- den seien zu einer Zeit, wo es weder eine Milde Stiftungskommission noch eine k. k. Buchhalterei gegeben, sondern der Patronus das jus advocatiae besessen habe und mit dem Kirchenvermögen habe schalten können nach Belieben. Über die Ursachen der Darleihung könne das Stift nichts äußern, weil die Verrechnung darüber in Verstoß ge- raten sei, größtenteils aber schienen es Kapitalien zu sein, welche die Gotteshäuser zur

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