Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

401 die den Tadel verdienten, sondern der Stand selbst ward herabgewürdigt. All das ist nun ge- schehene Sache; allein wenn nicht wieder bei der Erziehung der Seelsorger selbst, die künf- tighin die Kanzeln und die Beichtstühle besetzen sollen, der Zweck verfehlt wird, so wird sich die zur Mode gewordene ungezogene Misshandlung der Geistlichen verlieren und dieser ehrwürdige Standwirdwieder den Platz einnehmen, den er in gesitteten Staaten haben soll, wenn er nicht aus seinen Sphären tritt. Der Klerus ist wirklich entsetzlich schlecht gestellt. Da man bei der so gesuchten Simpli- fizierung aller Gegenstände der Staatsverwaltung immer nur auf Veräußerung der Realitäten und auf Reluierung aller Rechte und Gaben in Geld begierig ist, so wird in ein paar Jahrhun- derten erst die Unzulänglichkeit aller Stiftungen recht fühlbar werden. Die folgenden Gene- rationen werden das Versehen fühlen, dass man nicht Naturalien zum Maßstab aller neu bedungenen Gaben gemacht hat. Das System von Defizienten, welches nach dem Invaliden- institut gemalt zu sein scheint, ist äußerst abschreckend für Weltpriester; dass sie in den Jah- ren der Gebrechlichkeit auch noch in den Stand der Dürftigkeit herabgesetzt werden sollen, das kann wahrlich keine Aufmunterung sein, um sich einem solchen Dienstsystem zu wid- men. Dass das Geheimnis des Staates aufgedeckt werden solle, wieweit sich die Klosterreform noch erstreckenwerde, das gehört gar nicht hieher. Denn es kann doch nicht die Rede davon sein der studierenden Jugend neue Beweggründe zum Klosterleben vorzulegen. Sodann verbreitet sich Rottenhahn sehr weitläufig über die Erziehung des jungen Pries- ters: Zweckmäßig ist für den Seelsorger nur eine auf die Kenntnis des menschlichen Herzens und auf dieWeisheit der allgemeinenWeltregierung des Schöpfers gebauteMoral und dann eine historische Übersicht des großen Planes, nach welchem der Erlöser dieMenschen prak- tisch zum Heil geführt haben will. Die weitere Ausbildung der jungen Geistlichen muss in praktischer Übung der Selbstverleugnung, der Liebeswerke und der Volksunterweisung be- stehen. Schriftsteller, Literatoren und Schöngeister aus ihnen zumachen ist nicht die Absicht ihres Standes und bloß dieses übermäßige Streben nach Erudition kann solche junge Leute von ihrem Zweck entfernen, die bloß in der Simplizität ihrer Sitten und in gefühlvoller Teil- nehmung an den Beschwernissen und Gefahren des Lebens ihrer Amtsuntergebenen Ver- trauen gewinnen und unter ihnenGuteswirken können. Hiezu gehört ganz eine andere Stim- mung als jene des Gelehrten. Wir geizen zu sehr nach der Ehre wissenschaftlicher Ausbil- dung, die man so sehr an den protestantischen Geistlichen rühmt; für die Republik der Ge- lehrtenmag es gut sein, dass jeder Dorfpfarrer einGelehrter, einAutor sei und in irgend einer gelehrten Zeitung rezensiert sein wolle. Wer aber unter den Protestanten auf dem Lande gelebt hat, wird bezeugen müssen, dass unsere schlecht instruierten Geistlichen dem Land- mann weit mehr zum Trost in der Krankheit sind als die protestantischen; und welche Supe- riorität zur Erhaltung des moralischen Religionsgebäudes der katholische Kult unseren Geist- lichen vor den protestantischen gibt, das kann man in mehreren neuen philosophischen Ab- handlungen der Protestanten, als Schlosser und anderen, besonders in Jerusalems kleinen Abhandlungen über die Untunlichkeit der Religionsvereinigung zwischen Katholischen und Protestanten lesen. Wenn nun bloß die äußere Organisation der Kirche und die Errichtung des Kultes soviel Gewalt über das Volk hat, dass fast das Priesteramt allein durch seine äu- ßerlicheMajestät das Talent beim Altardienst entbehrlichmacht, was für Wirkungenmüsste nicht die mit so viel Menschenkenntnis und Weisheit eingesetzte Religion hervorbringen,

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