Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

400 der kleinen Privatschulen in Stiften und Klöstern, in welchen vorher so viele arme Kinder als Sängerknaben, Klosterbediente und Ministranten unterhalten wurden, die dann bei befun- dener Fähigkeit mit Unterstützung seitens des Stifts auf dieGymnasien kamen... gegenwärtig aber können viele gar nicht anfangen: denn wenn auch die Zahl der Schulstipendien größer geworden, so müssen doch die Kompetenten bereits ein Zeugnis der ersten Klasse auswei- sen, also bereits studieren. Sodann 2. die häusliche Erziehung, aber auch die Erziehung in den minderen Schulen, an denen bereits den Studenten zu viel Freiheiten gestattet sind; in den höheren, in der Philosophie, wozu die Jünglinge gerade in den gefährlichsten Jahren kom- men, in denen sie eine Anleitung am nötigsten hätten, sind sie in Ansehung der Religions- lehre und -Übungen sich ganz selbst überlassen und hören überdies dem Vernehmen nach vonmanchen Lehrern die Geistlichkeit und die Zufälligkeiten der Religion herabsetzen; 3. die Verachtung der Geistlichkeit: Broschüren, welche die Geistlichen auf verschiedene Art lä- cherlich machen, bekommt die urteillose Jugend ganz frei in die Hand; 4. die Verminderung der zeitlichenVorteile imgeistlichen Stand; 5. dieUnsicherheit der Verfassung der geistlichen Pfründen, Stifte und Klöster. Die verschiedenen Reformen im geistlichen Fach, so heilsam sie auch an sich selbst immer sind, haben doch viele auf den Gedanken gebracht, dass noch mehrere Veränderungen und Einschränkungen nachfolgen, die Einkünfte und das Ansehen der Geistlichen noch mehr vermindert werden würden. Es ist höchst ungewiss, wie lang die Stifte und Klöster, welche bisher so viele Seelsorger geliefert haben, noch bestehenwerden, und jedermann scheut sich einen Stand anzutreten, von dem er besorgt, dass er ihn bald wieder verlassen werde müssen, oder dass sich die Verfassung ganz verändern werde. Die dem Bischof dienlich scheinenden Gegenmittel ergeben sich aus den Gründen des Missstandes von selbst. Insbesondere sollte durch Verordnung festgesetzt und kund ge- macht werden, welche Stifte und Klöster und in welcher Gestalt sie noch ferner bestehen werden. In schärfster Weise reagiert auf das bischöfliche Gutachten das der Regierung. Rottenhahn versieht beide mit einer Einbegleitung dd. Linz 11. April 1788, die es wert ist ausführlicher mitgeteilt zu werden. Die Äußerungen beziehen sich wohl nicht in besonderer Weise auf die Ordensgeistlichkeit, doch wird deren Lage und Los zu wenig erkannt aus spe- zifischen Angaben über sie und kann nur erst erkannt werden aus der Betrachtung auch a genere. Die ÄußerungenRottenhahns sind von besonderer Bedeutung, da sie dieGrundsätze des im obderennsischen Klostersturm maßgebenden Mannes offenbaren; sie sind bezeich- nend für ihn, interessant an sich, denkwürdig: Studien, die nicht unter der öffentlichen Aufsicht stehen, dürfen nicht geduldet werden. Die Häufung von lateinischen Schulen zieht tüchtige Subjekte vom Gewerbe ab und zügelt für den gelehrten Stand unbrauchbare Leute. Die Geistlichen haben sich zum großen Teil an vielenOrten durch pöbelhafte Sitten, Unwissenheit, Vorurteile, Untätigkeit, fast allenthalben durch pharisäischen Amtsstolz verhasst gemacht bei der Welt, die schon anfängt den Mann vom Kleid zu unterscheiden; nur der Pöbel hängt noch am Kleid. Um die sehr notwendige Reform durchzusetzen, fiel man auf vielleicht allzu gewaltsameMittel, da man das Ansehen, den Zusammenhang des ganzen Priestertums und besonders den Einfluss von Rom auf die Geistlichkeit und jenen der Geistlichkeit auf das Volk für furchtbarer hielt, als er war; um den Feind, den man für so gefährlich hielt, gewiss zu bündigen, ließ man alle Freibeuter los und da geschah nun freilich mehr, als man zur Absicht gehabt hatte. Nicht allein die Geistlichen,

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