Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

12 Die Monarchie als Ganzes hatte nur einige auf die Erbfolge im Herrscherhaus bezügli- che Grundgesetze, die einzelnen Provinzen eine Anzahl geschriebener Urkunden und alte Rechtsgewohnheiten, durch welche das Verhältnis zum Regenten geregelt war. Die Ver- waltung der Kronländer lag bei den Ständen; es gab vier: den geistlichen (Prälaten-) Stand, den Herren-, den Ritterstand und die landesfürstlichen Städte, d. i. solche, die unter keine Herrschaftsobrigkeit gestellt waren. Die Stände versammelten sich einmal im Jahr zum Landtag, an dessen Spitze der Landeshauptmann stand. Vom Landtag verlangte die kaiser- liche Regierung durch einen Hofkommissär jährlich die direkten Landesabgaben. Die Stände „bewilligten" sie; anderseits brachten die Stände ihre gravamina und desideria zur Kenntnis des Hofkommissärs. Nach der Behandlung dieser und anderer wichtiger Angele- genheiten verließen diemeistenMitglieder den Landtag, nachdem sie für dieminder wich- tigen Geschäfte einen Ausschuss ernannt hatten, meist aus jedem der vier Stände. Dieser Ausschuss bildete im Land ob der Enns das „Kollegium der ständischen Verordneten"; ne- ben diesem entstand noch ein „Rait-Kollegium" zur Prüfung der Rechnungen und ein be- sonderer „ständischer Ausschuss" für bestimmte Angelegenheiten. Die ständische Repräsentanz besorgte die Ausschreibung der von den Ständen be- willigten Steuern, die Erhaltung und Bequartierung des Militärs, mit einem Wort die meisten Verwaltungsagenden. In den einzelnen Kreisen des Landes waren Viertelkom- missäre oder „Hauptleute" aufgestellt. Aber nicht bloß die politische Verwaltung, auch die Gerichtsbarkeit stand beim Lan- deshauptmann und den Landräten als höchster Instanz im Land („Landrechte"). Um sich zur Erhaltung eines beträchtlichen ständigen Heeres Geldmittel zu sichern und von den jährlichen Bewilligungen seitens der Stände unabhängig zu werden, schloss Maria Theresia mit den einzelnen Kronländern Dezennalrezesse, in denen die Stände die Abgaben auf zehn Jahre im Voraus bewilligten, wofür sie in Hinkunft mit demMilitär nicht mehr das Geringste zu tun haben sollten. Alle Besorgung des Heerwesens übernahm das höchste Ärar. Im Zusammenhang mit dieser Neuordnung der Kontributionen wurde die Anlage eines Katasters eingeleitet und bei dieser Gelegenheit auch die Steuerfreiheit des Adels und der Geistlichkeit aufgehoben, allerdings mit Zugeständnis mancher Begünsti- gungen. Vom Land ob der Enns wurden jährlich 1,004.484 fl. 22 kr. 1 ₰ postuliert, inwelche Forderung die Stände nach einigen Verhandlungen willigten. Alle anderen Leistungen zum Militär oder Kamerale sollten entfallen, auch Reisegeld, Hochzeitsgeschenk, Wiegenange- binde unter keinem Vorwand zugemutet werden (vgl. S. 2). Nur das „Obdach" war den Soldaten zu geben, so lange bis Kasernen hergerichtet sein würden. Das Patent hierüber an die Stände erging unter dem 9. Oktober 1748. Der Dezennalrezess zog auch gewaltige Verfassungsänderungen nach sich. Mit Reskript vom 26. Oktober 1748 wurde eine k. k. Hofdeputation in militari mixto contri- butionali et camerali eingesetzt, an deren Spitze Graf Franz Reinhold von Andlern und Witten gestellt, ein Ausländer. Unter dem 1. Januar 1749 wurden die Landräte auf die Justizpflege beschränkt; die Trennung der Justiz von der Administration war ein leiten- des Prinzip. Mit Resolution vom 10. Mai 1749 wurde die Hofdeputation in eine königli- che Repräsentation und Kammer umgewandelt; ihr war die gesamte politische Verwal- tung übertragen, Polizei, städtische Administration, Gewerbewesen, Post, höhere Un- terrichtsanstalten, Bestätigung der Bischofs- und Prälatenwahlen etc.

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