Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm
5 besonders abendlichen, wurde gelesenund gesungen. Die lockereHauszucht indenBauernhö- fen gab demGesinde leichter Gelegenheit, bei solchen Zusammenkünften sich einzufinden. In denamtlichenBerichtenwirdüberhaupt das ungebundene Leben auf demLandals eineQuelle der Glaubensgleichgültigkeit hingestellt. Mit der Sittlichkeit stand es nicht am besten; die Dienstboten bedingten sich meistens gleich beim Einstehen die Teilnahme an den Freitänzen aus, welche die ganze Nacht dauerten. Die herrschaftlichen Obrigkeiten waren oft nicht ge- neigt, die bestehenden gesetzlichen Verordnungen dagegen wahrzunehmen, suchten oft viel- mehr aus Eigennutz diese Freitänze noch zu fördern. Das Gasselgehen war im ganzen Land als ein unabänderliches altes Herkommen angesehen, vieleVolksbelustigungen, wie Johannesfeu- erspringen, Rockenreisen, insbesondere das Ofenschüsselrennen gaben Anlass zu den ab- scheulichsten Ausschreitungen. Häufig beklagt und gesetzlich bedroht war die wenig sittsame Kleidung der Weibspersonen. Dazu kam noch das große wirtschaftliche Elend; die Bettler waren eine schreckliche Plage geworden; Bayern, Österreich unter der Enns hatten die Bettler vertrieben, im Land ob der Enns fanden sie ihr Asyl. Im Jahr 1752 wurde die Zahl der im Land herumlaufenden Bettler auf 20.000 ge- schätzt. Unter den herumziehenden Leuten fanden sich aber auch viele ausländische Emis- säre, die akatholische Schriften, Gesangbücher, Bibeln einschmuggelten; Ortenburg und Regensburg waren die bedeutendsten Stapelplätze, von denen aus diese Bücherflut ins Land ob der Enns sich ergoss. Wurde — was höchst selten geschah — bei einem Bauern ein unerlaubtes Buch erwischt, dann erklärte er, er habe in seinem einfältigen Sinn das verborgene Gift nicht zu erkennen vermocht. Die polizeiliche Verfolgung war übrigens auch sehr erschwert durch die starke Vermischung der Untertanen; fanden sich doch in manchen Pfarreien 60 und mehr Herrschaften! wenn der Übeltäter von einer Herrschaft ergriffen werden sollte, brauchte er nur ins Nachbarhaus zu gehen, um sich jedem weite- ren Angriff als Exterritorialer zu entziehen. Die Emissäre brachten aber nicht bloß religiöse Bücher ins Land, sondern hetzten auch gegen die Landesregierung; sie stellten den Bewohnern das Wohlleben anderer „Natio- nen“ vor und suchten sie zur Emigration zu bewegen; diese war streng verboten. Beson- ders beklagten die Bauern die ganz ungerechte Verteilung der landesfürstlichen Rusti- kalgaben, indem 100 schlechte Feuerstätten so viel zu geben hätten als 100 gute. Die Häu- ser waren entwertet, der Fleischaufschlag, der in allen anderen Ländern den Konsumen- ten auferlegt war, war im Land ob der Enns auf Äcker, Wiesen undWaldungen gelegt wor- den, so dass „unzählige" Leute, die kein Fleisch genossen, den Aufschlag zahlen mussten. Bei Salzübergehern kam es zu Exzessen, die schlechte Prägung der Münze, die von Vorteil für das Ärar war, zeigte sich für die Bevölkerung an der Grenze gegen Bayern und Salzburg als ein Ruin in Handel und Verkehr. So konnte das Corpus evangelicorum mit Erfolg unermüdlich von Regensburg herein arbeiten. Die fortwährenden Kriege, welche die ersten Dezennien der Regierung Maria Theresias erfüllten, ließen es zu einem energischen Einschreiten der Behörden dawider nicht kommen. Die Beamten hatten mit Eintreibung von Kontributionen, Rekrutierungen u. dgl. mehr als genug zu tun und nicht selten waren gerade die wohlhabenden, in ihren Zahlungen und Gaben zuverlässigsten Bauern mit starker Begeisterung der protestanti- schen Lehre zugetan.
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