Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

4 So bekennt sich Maria Theresia in den ersten Jahren ihrer Regierung zur staatswirt- schaftlichen Doktrin von Remeduren an und aus dem geistlichen Vermögen. Und doch, welch ein Unterschied zwischen dem Josefinismus Maria Theresias und Jo- sefs II.! In Ausübung ihrer Regierungsgewalt ist sie voll Schonung und Rücksicht, sie will nicht brechen, wenn auch stark zu sich herüberbeugen. Die Kaiserin war eben eine gläu- bige Frau wie ein Weib aus dem Volk. Ihr Sohn, der Kaiser, wollte ein religiös aufgeklärter Mann des Volkes sein, er anerkennt die alleinseligmachende Kirche und glaubt — aber vor allem: dass die Kirche selig zu machen hat nur allein für den Himmel, möglichst befreit von allen irdischen Mitteln; er toleriert die katholische Religion als die dominante und die Kir- che als eine österreichische Pönitentiarie und, so weit sie noch mit Irdischem sich zu be- schäftigen hat, als österreichische Domänenverwaltung zumHeil der Seelen. Die Himmels- schlüssel soll sie nur haben, aber die Kassenschlüssel zum Himmelreich trägt — er. Wie ganz anders der Glaube an die alleinseligmachende Kirche bei Maria Theresia! Aber dieser ihr Glaube war nicht bloß der des frommen Weibes, er war auch der Glaube der Regentin: sie schaut in der alleinseligmachenden Kirche auch das Heil Öster- reichs, in der Glaubenseinheit die Macht des österreichischen Staates; die Beförderung der Seelsorge ist Förderung des Staatswohles. Klöster und Stifte waren Burgen des Glau- bens, in der Hand der Ordensleute lag großenteils die Seelsorge, nicht bloß die außeror- dentliche durch Missionierung, sondern auch die ordentliche durch Verwaltung inkorpo- rierter Pfarreien. Auf ihren mehr oder minder großen, wirklichen oder vermeintlichen Reichtum rechnete die kaiserliche Regierung nicht wenig auch bei ihren Bestrebungen, die Seelsorgestationen zu vermehren und das Weltpriestertum zu bessern. In diesenHinsichtenwaren die Stiftemit ihremmeist zahlreichen Klerus unter infulierten Prälaten, die in ihrer Gesamtheit als Prälatenstand auch an der Verwaltung des Landes teil- nahmen, für das Land ob der Enns von besonderer Bedeutung. Im Land residierte kein Bi- schof, es gehörte zur Diözese Passau, die sich bis fast vor die Tore von Wien erstreckte. Das Land ob der Enns war insbesondere jenes, in welchem der Protestantismus im geheimen mächtig fortlebte. Die Gegenreformation unter Ferdinand II. und III. hatte viele vermocht, sich äußerlich katholisch zu stellen, obwohl sie im Herzen noch lutherisch ge- blieben waren. In einemmassenhaft verbreiteten Büchel „Kleeblättl" wurde ihnen schon zu Zeiten Ferdi- nands II. Anweisung gegeben, wie sie ohne Gewissensskrupel sich äußerlich zur katholischen Religion bekennen, innerlich aber doch den lutherischenGlauben beibehalten könnten. Sie be- suchten die Pfarrkirche, verrichteten jährlich die Beicht und empfingen die österliche Kommu- nion. In Sterbefällen versäumten sie es geflissentlich, sich versehen zu lassen, um nur nicht die heilige Kommunion unter einer Gestalt zu empfangen. Sie glaubten die Gegenwart Gottes im allerheiligsten Sakrament auch vor dem Genuss, einige hielten auf die Fürbitte der Muttergot- tes, aber nicht auf die der Heiligen; das Fegfeuer verwarfen sie, Rosenkränze, Heiligenbilder fandman bei ihnen nicht, auch ließen sie keineMesse lesen und nahmen keinWeihwasser von der Kirche nach Hause ; die Kinder schickten sie bis zum 14. Lebensjahr in die Christenlehre, unterrichteten sie aber zuHause so geschickt, dass diese die Fragen aus der Religion ebenso im katholischen wie im protestantischen Sinn zu beantworten wussten. Die Dienstboten blieben nicht unbeeinflusst; gründeten diese später eigene Hauswirtschaften, dann fand darin die pro- testantische Bewegung wieder einen neuen Unterstand. In häufigen Zusammenkünften,

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