Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

265 „sie alle ungefragt" der höchstseligen Kaiserin seine Predigt zum Besten des Normal- schulwesens in die Hände geliefert. 8.) Der Abt wirtschaftet eigenmächtig, lässt den „eingedrungenen Grinzenberger" das ganze Stift regieren und befragt statt des Kapitels nur einige „ erklärte Jaherren". Der Abt stellt nicht in Abrede, dass einiges, aber nicht Wichtiges, außerhalb des Kapitels beschlossen wurde, um das Stillschweigen zu sichern. 9.) Die allerhöchsten Verordnungen und Patente werden nicht gehörig publiziert, ein- getragen und aufbewahrt. Die Ablesung der Verordnungen beim Essen befindet die Re- gierung als eine arge Herabsetzung gegenüber klösterlichen Befehlen, die immer in ei- genen Zusammenberufungen verlesen und erklärt werden. Der P. Prior war nicht im- stand vor der Untersuchungskommission etwelche Verordnungen in dieser „Papier- fleckszusammenlegung" aufzufinden. 10.) Am 6. Mai noch versicherte dem Graser der Kugelschreiber des Stiftes, dass von 72 Zentnern Kernsteinsalz, die, vielleicht weil bei der Abschaffung des Gottesheilsalzes darauf vergessen wurde, noch ausgefolgt werden in Ansehung der kaiserlichen Jagdbarkeiten des Stiftes, der P. Kuchelmeister 68 Zentner zerreiben und damit alle Kucheln und Tafeln des Stiftes versehen lässt. Etwas schlimm kam der dem Stift günstig gesinnte Kreishauptmann von Steyr Son- nenstein weg. Bei der Untersuchungskommission beschwerte sich der Abt über das grobe Beneh- men des in Markt Hall angestellten Schullehrers Ignaz Sauer; die Kommission empfahl dem Lehrer alle Moderation und bescheidenes Betragen. Die Regierung entwickelt da- ran ein Programm über eventuelle Benützung der Lehrer gegen Geistliche und Stifte: Niemand kann dem Staat, dem hauptsächlich an Bildung der Nation, hiemit Beibringung einer besseren Denkungsart und echter Sitte gelegen ist, gegen die allenfalls ihre Pflich- ten nicht erfüllenden Geistlichen eine bessere Kontrollerie leisten als gute Schullehrer, die fähig, redlich und zugleich herzhaft sind die obwaltenden Gebrechen anzuzeigen. Und obgleich diese Stelle jeden Schullehrer zu gebührender Ehrfurcht und aller Mode- ration verhalten wird, so wird man doch auch diesorts fähige, tätige und solche Schul- lehrer, denen die Stifter nach Kremsmünsterischem an dem Schullehrer Sauer geübten Beispiel ihre Lehrbegierde ebenso wie ihren Magen mit Zurückhaltung der Gebühren in die Klemme bringen wollen, möglichst unterstützen. Von Sauer erschien: „Extrakt sämtlicher Abenteuer, welche sich durch 2 Jahre zwi- schen dem Herrn Abten zu Kremsmünster in Österreich ob der Enns und dem Lehrer Sauer an der k. k. Markt-Haller Schule ereignet haben, von letzterem verfasst und ein- gereicht als alleruntertänigst umständliche Verantwortung über die vor der im Juli 1784 vom allerhöchsten Hof angeordneten Untersuchungscommission vom Herrn Abte zu Kremsmünster angebrachten Klagen mit Beilagen von A—H 3 (die Beilagenbezeichnung hat das ganze Alphabet zweimal vollständig durchgenommen) gleichlautend mit dem Manuscript, welches als alleruntertänigstes Bittschreiben nach allerhöchstem Hof ab- gegangen." Über den Regierungsbericht vom 21. September erging das Hofkanzleidekret vom 18. November 1784. Die Beerdigungen vor 48 Stunden sind zu ahnden. Der Beichtvater ist von Niedern- burg abzuberufen. Der Rentmeister ist seines Amtes für immer zu entsetzen. Die Kir- chengelder sind vom Klostergeld gesondert zu halten, an die betreffenden Kirchen

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