Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

190 Messe gelesen —wohl die letzten Gottesdienste in der ehemaligen Minoritenkirche! Im November 1901 übersiedelten die Justizbehörden in das neuerbaute Kreis- gerichtsgebäude, bei dem auch ein großes Gefangenhaus errichtet ist. Die Stadt- gemeinde Wels, die sich das Vorkaufsrecht 1870 vorbehalten hatte, bot 17.000 K für die leer gewordenen ehemaligen Minoritenrealitäten und erstand sie. Das frühere Kloster wird nun von (49) Mietparteien bewohnt, im Schwurgerichtssaal ist das reichhaltige Stadtarchiv vorläufig untergebracht; es soll in die Sigwardska- pelle kommen, die nicht nur durch zierliche Formen, sondern auch durch aufge- deckte Fresken das künstlerische Interesse fesselt. 47. Aufhebung des Paulanerklosters zu Thalheim. Am 15. Oktober 1784 frühmorgens erschien ganz unvermutet Eybel in Thalheim und kündete denPaulanern ihre Aufhebung an. „Nach seiner gewöhnlichen entweder anbefoh- lenen oder willkürlichen, allzeit aber vernünftigen Politik hieß er sie guten Mutes sein, gab ihnen einen EimerWein preis, versprach ihnen allenmöglichenBeistand und bat sie umein vollkommenes Vertrauen" (Bericht im Archiv zu St. Florian). In temporalibus setzte er den Pfleger zu Walchen Martin Pucher als Administrator ein, quoad spiritualia behielt der P. Vikar die Jurisdiktion über die Mitbrüder bis zu ihrer Zerlösung, die mit der Räumung des Klosters nach 6 Wochen vollzogen werden sollte. Die Inventur ergab an Aktiven 36.747 fl. 35 kr. 1 ₰ , Passiven 1093 fl. 42 kr. 2 ₰ , Reinver- mögen 35.653 fl. 52 kr. 3 ₰ . Die Kirchengerätschaften waren dabei nicht geschätzt. Die schönsten wurden in das Depositarium nach Linz gebracht, zum Ersatz dafür (auf Bitten des Pfarrers Schoiber) ein schöner Kelch aus demehemaligen Kloster Gleink und ein hübsches Messkleid überschickt. Die Bibliothek wurde versiegelt; nur 2 Bibeln und eine „Theologie" wurden an Geistli- che hinausgegeben. Nachdem sich die Hofbibliothek nichts daraus gefunden (6. Juli 1787), kamen die Bücher in die Studienbibliothek zu Linz, Duplikate ins Priesterhaus, einige wur- den zur Lizitation nach Wien eingesendet, andere als Makulatur verkauft. Die schnelle Räumung wurde dem Kreisamt besonders aufgetragen „wegen Unord- nungen und Streitigkeiten unter diesen Geistlichen". Im Kloster befanden sich 8 Priester und 3 Laienbrüder; drei sollten im Kloster bleiben und die Pfarrdienste versehen, bis der Bischof einen eigenen Seelsorger bestimmt haben würde. Kaumhatten dies die Bewohner des benachbarten Timelkamerfahren, als sie zahlreich zu Eybel herbeikamen und ihm zusetzten, der Dechant Lötsch von Gaspoltshofen habe ihnen schon vor 2 Jahren auf seine priesterliche Würde geschworen, innerhalb Jahr und Tag würden sie einen Seelsorger bekommen. Eybel benutzte diese Sache und antwortete: „Ich schwöre nicht, meine Kinder, wie euer Dechant, aber schreiben werde ich und haben werdet ihr, was ihr wünscht." Man hatte den Benefiziaten Riedl zu Vöcklabruck im Ver- dacht, dass er in Timelkam angestellt zu werden suche, zumal kurz vorher der Dechant ins- geheim nach Vöcklabruck gekommen war und mit Riedl die ganze Teilung der neu zu er- richtenden Expositur abgemacht, sogar ohne Wissen des Pfarrers die Beichtregister vom Mesner abgefordert hatte, um die Zahl der Kommunikanten darnach zu bestimmen, ja

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