Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

170 auch schon am 23. Februar 1784 9 Uhr früh der Stiftsdechant die Anzeige an das Kreisamt erstattete: „Eben kam ganz unvermutet ein passauischer geistlicher Kom- missär samt Aktuar, ließ einige Stiftskapitulare vor sich rufen und verwies nach publi- ziertem Ordinariatsbefehl den Kapitularen nachdrücklich, dass sie die Anzeige des Todesfalles ihres Propstes nach Passau zu machen unterlassen hätten, und befahl ihnen sich schriftlich zu entschuldigen. Im Namen des Bischofs wurde dem Dechant die Administration in pure spiritualibus aufgetragen. Dann ließ sich der Kommissär an den Ort führen, wo die kaiserliche Sperre angelegt war und brachte unter dersel- ben die bischöfliche an, ebenso auch dort, wo der kirchliche Schatz verwahrt wurde, und ging dann wieder fort, ohne einige Deputate zu fordern." Die Regierung berichtet darüber an Hof unter dem 26. März 1784: Seit der Tren- nung der Diözese ist das der zweite Fall, in dem Passau es wagt einen eigenen Kom- missär in das Reich hereinzuschicken. Der erste Fall war es, als das Hochstift, obwohl durch die Landesstelle in Kenntnis gesetzt von der Trennung der Diözese und von der Besitzergreifung der Herrschaften, dennoch durch einen eigenen Kommissär fast bei allen Herrschaftskassen alle vorfindlichen Gelder einheben ließ. Im letzteren Fall ist gar nicht einzusehen, mit welchem Fug das Hochstift die Hereinschickung eines Kom- missärs verteidigen kann. Die Landesstelle wird sich immer an den von Sr. Majestät festgesetzten Grundsatz halten, dass die Prälaten und Vorsteher der geistlichen Stifte bloß als Administratoren des ihnen anvertrauten Religionsfondsvermögens zu betrachten sind; so hat sich selbst ein Ordinarius, der wirklich ein solcher ist, darum gar nicht zu kümmern, zumal ja auch ein Ordinarius nicht seine eigenen Einkünfte zu besorgen hat, sondern selbe wie jeder andere Arbeiter oder Staatsbürger vom Mo- narchen erhält, dem allein die Leitung und Verteilung aller Staatseinkünfte einge- räumt werden muss. Die Ordinariatsgewalt, eine bloß geistliche, ist in allen zeitlichen Geldbesorgungen ganz unnotwendig und ganz unzuständig, soweit ihr nicht vom höchsten Landesfürsten etwas eingeräumt ist. Mit Hofdekret vom 1. April 1784 wurde dem Dechant von Ranshofen die aller- höchste Zufriedenheit zu erkennen gegeben; in Hinkunft seien auswärtige unbefugte Kommissäre hintanzuhalten, doch solle das nicht durch Zirkulare kundgemacht wer- den. Das Kreisamt nahm die bischöfliche Sperre ab. Dagegen zeigte das Ordinariat Passau dd. 5. Mai 1784 an, dass es vermöge der mit dem allerhöchsten Hof beste- henden Verträge vom Jahr 1592 und vom Jahr 1600 die Sperre auf erfolgten Todfall von Prälaten in österreichischen Stiften unwidersprechlich vorzunehmen habe. Da übrigens die Korrespondenz mit dem Ordinariat (seitens der Regierung) keiner Zeit durch Dekrete und Befehle gepflogen worden, möge man es nicht übel deuten, wenn in Hinkunft an dasselbe ergehende Dekrete nicht werden angenommen werden. Die Wahl eines neuen Propstes wurde gestattet (Wien 27. Juni 1784). Die Regie- rung machte aufmerksam, dass die Wahl notwendig auf einen im Ausland Gebore- nen fallen müsse, doch hätten alle Stiftsgeistlichen die Naturalisierung erlangt und auch so viel Pflicht- und Diensteifer gezeigt als immer wirkliche Inländer es hätten können und wären dieselben hierüber des allerhöchsten Wohlgefallens versichert worden. Von Wien aus erging unter dem 5. September die Weisung, auch wenn ein

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