Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

131 zum strafbaren Tatbestand ankam, als eine Einkerkerung in Rücksicht sowohl auf die peinli- che Beschaffenheit des Verwahrungsortes als auch auf den Grund der 22-jährigen Verschlie- ßung: dieser sei gewesen der Verdacht eines Fehltrittes! Der Kreishauptmann Stiebar fand den P. Longinus wohl wahnsinnig, aber ausgemacht sicher, dass dieser erst in der Verwah- rung wahnsinnig geworden sei; er entdeckte bei dem Kranken Spuren von Erinnerung und eines richtigen Denkens. P. Longinus unterschrieb das Protokoll als „dux bavariae“. Der Pro- vinzial- und Stadtphysikus zu Braunau stellte das Zeugnis aus, dass er den P. Longinus schon seit längerer Zeit kenne als einen Wahnsinnigen und zwar auf Grund genauester Beobach- tung. Der Protomedikus von Linz, Hartmann, bezeugte, dass er den Pater gerichtsordnungs- mäßig öfters besucht, mit dem Hausarzt untersucht, auch in Behandlung genommen und sicher sinnesverwirrt gefunden habe; ob er gesund gewesen zu Beginn der Verschließung, sei schwer eruierbar, zu vermuten aber, dass er der gesunden Vernunft schon vor der Ver- schließung beraubt gewesen sei. Die Provinziale und Lokaloberen, die früheren und die in Amt stehenden, weisen nach, dass sie aus Gründen öffentlicher Sicherheit den Pater in Ver- wahrung haltenmussten, dass die Anhaltung des Geisteskranken imKloster (bis zu neuestem Erlass) ausdrücklich von höchster Stelle gebilligt wurde, außerdemdie Verwahrungszellen für Kranke in Wien, Linz, Preßburg kommissionell untersucht, gutgeheißen und jenen im spani- schen Spital zuWien ähnlich erklärt wordenwaren; die Zelle des P. Longinuswar so geräumig wie keine imDormitorio des Klosters. Trotz allem wurde der Braunauer Guardian, der erst ein halbes Jahr im Innviertel ge- wesen war, seines Amtes entsetzt und mit einem sechswöchentlichen Arrest bei einem Landdechant belegt (Wien 12. Juni 1783), der Provinzial und sein Amtsvorgänger mit ei- nem dreimonatlichen Ordinariatsarrest bestraft und sowie auch der Guardian zu jedem obrigkeitlichen Amt unfähig erklärt (Wien 5. August 1783). Die Arreststrafe wurde ihnen später nachgesehen. Die strengste Bestrafung hatte die Landesstelle dem Linzer Guardian zugedacht, welcher der Verteidigung des Braunauer Guardians sich unterfangen und da- bei das Kreisamt einer unordentlichen Untersuchung beschuldigt habe. Da aber der Linzer Guardian als Kustos nur die Verantwortung des Braunauer Oberen samt beigelegten Zeug- nissen der Landesstelle überreicht hatte mit der demütigsten Bitte, diese Schriften dem Kreisamtsbericht beizulegen oder nachzuschicken, und mit der weiteren Bitte um eine gnädige Einbegleitung, so fand die Hofstelle, dass er hiefür doch nur mit einem Verweis zu bestrafen sei. Die im Linzer Kloster für Wahnsinnige und Tumultuanten bestimmten Orte mussten zu anderweitigem Gebrauch verwendet werden. Die neue Regierungsart zügelte die Tumultuanten in den Klöstern heran. Allüberall ragte und regierte in die Klöster hinein der Armder weltlichenMacht. WasWunder, wenn in Stun- den der Unzufriedenheit ein unguter Klostermann nicht mehr den Frieden dort suchte, wo er ihn finden sollte, eben im Kloster, in klösterlicher Zucht, in Selbstverleugnung und Abtö- tung, sondern Hilfe suchte gegen das Kloster. Und dass die Unzufriedenheit sich mehrte, das brachte der herrschende Geist mit sich; der Zeitgeist tritt auch ins Kloster ein, er ist eineMit- gift, deren Einbringung kein klösterliches Amortisations- (Abtötungs-)Gesetz sicher verhin- dern kann. Der herrschende Geist brachte es nun mit sich, dass der unzufriedene Mönch glaubenmochte, dass nicht so sehr er Hilfe bei der Regierung suche, sondern vielmehr er ein Helfer der Regierung werde, ein Mann nach dem Sinn und Herzen des liebenswürdigsten

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