Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

97 Jede Exnonne hat ein besonderes Wohnzimmer; doch speisen sie zusammen. Vor- erst dürfen sie sich (da sie keinen Equipierungsbeitrag bekamen) ihrer etwa noch bei- habenden Ordenskleider bedienen; die neu anzuschaffenden Kleider aber sollen von grauer Farbe sein und nach der Art gemacht, wie sich die Jungfrauen des Ortes oder der Gegend ihres Wohnsitzes zu tragen pflegen. Kleidung, Holz, Arznei haben sie aus ihrer Pension zu bestreiten. Was sie durch Handarbeit verdienen, oder was aus ander- weitigen Zuflüssen ihnen zukommt, bleibt ihnen zur freien Verfügung. Die Hausarbei- ten sollen sie möglichst selbst verrichten, um mit ihrer Pension leichter auskommen zu können; jede soll sich in ihrem Wohnzimmer selbst bedienen, eine das Kochen übernehmen. Für die Reinhaltung des Hauses in den Gängen, Zimmern, dann zu den Kuchelarbeiten sollen Hausmägde bestellt werden; solange sie können, haben Laien- schwestern diese Arbeiten zu besorgen. In den freien Stunden sollen sie Handarbeiten vornehmen, doch so, dass sie nicht Professionisten zu verdrießlichen Klagen Anlass geben. Die Tagesordnung ist genau einzuhalten: Sie sollen aufstehen um 3/4 5 Uhr von Ostern bis Ende des Herbstmonats, in den übrigen Monaten des Jahres um 3/4 6. 1/4 Stunde später haben alle auf dem Chor oder, wenn es zu kalt ist, im Refektorio einzu- treffen, um das Morgengebet gemeinschaftlich zu verrichten. Dann halten sie eine halbstündige Betrachtung, gehen in der Stille in ihre Wohnzimmer zurück, um diese in Ordnung zu bringen. Um 6 Uhr im Sommer, um 7 Uhr im Winter versammeln sie sich wieder im Chor, beten abwechslungsweise die Tagzeiten von der Muttergottes in deutscher Sprache bis ausschließlich der Vesper. Um 7 Uhr, bzw. um 8 Uhr wird die heilige Messe gehört, nach derselben hat sich eine jede an die Arbeit zu begeben. Um 1/2 11 Uhr Partikularexamen; hierauf eine kurze Lektüre aus der Nachfolge Christi, um 11 Uhr Mittagessen; vor und nach Tisch wird gebetet; während des Essens wird von einer der Schwestern aus einem vomDirektor angewiesenen Buch vorgelesen. Die hie- rauf folgende Stunde wird eingeräumt zu anständiger Gemütserholung in unterhal- tenden, vernünftigen Gesprächen oder in einem Spaziergang imHausgarten u. dgl. Um 1 Uhr gehen sie wieder zur Arbeit; um 1/2 5 eine halbstündige Ruhezeit. Von 5 Uhr ab mögen sie sich nach Willkür mit geistlicher Lesung und mündlichen Gebeten abgeben. Um 1/2 6 Uhr versammeln sie sich auf dem Chor zur Abbetung der Vesper und Com- plet aus den Tagzeiten der Muttergottes, worauf sogleich der Rosenkranz folgt, so- dann zum Nachttisch, bei welchem die Punkte für die Betrachtung des folgenden Ta- ges vorgelesen werden. Darnach eine anständige Gemütserholung. Um 8 Uhr soll die ganze Kommunität auf dem Chor eintreffen zu: Litanei von Allen Heiligen, Gewissens- erforschung, Abendgebet; dann gehen sie zur Ruhe. Von 9 Uhr ab sollen alle Lichter ausgelöscht sein. An Sonn- und Feiertagen gehen die Schwestern in Pfarrpredigt und Pfarrgottes- dienst, weshalb die tägliche Hausmesse, vor welcher die Pensionärinnen an den Kom- muniontagen das heilige Abendmahl zu empfangen haben, zur Winterszeit früher als gewöhnlich gelesen wird. Wird in der Pfarrkirche auch nachmittags ein ordentlicher Gottesdienst abgehalten, so sollen sie auch diesem anwohnen, sonst aber die Nach- mittagsstunden mit gottgefälligen Werken zubringen.

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