Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

94 Exzölestinerinnen geschehen. Am 28. Juni mussten sie mit einer Retraite beginnen, während welcher ihnen aus einem Buch des Beichtvaters der Ursulinerinnen zu Linz Gall Paul Mayr „von der Gnade des Berufes zumUrsulinerinnenInstitut“ vorgelesen und der „Grund einer echten Geis- teserneuerung gezeigt wurde“. Am 1. Juli in der Frühe hielt ihnen der Exjesuit Leuthner eine Anrede „von den Fügungen und Absichten der göttlichen Fürsichte in dermaligen Umständen“. Vier Exzölestinerinnen konnten sich nicht entschließen Ursulinerinnen zu werden; und weil auch die Subpriorin Barbara unter diesen Vier sich befand, wurde am 1. Juli abends auf Befehl Engls die Linzer Ursulinerin Antonia als Präfektin (unter der früheren steyrischen Oberin Aloisia) der neuen Gemeinde vorgestellt. Die Umkleidung begann am 2. Juli um 1/2 4 Uhr früh und dauerte bis 7 Uhr; dann gingen alle zur heiligen Kommunion und hörten eine stille Messe. Aber auch die vier, welche sich gesträubt hatten, ließen sich als Ursulinerinnen einkleiden. Eine, die „steyrische Kajetana“, meldete sich hiezu noch am 1. Juli abends bei der Linzer Oberin „ganz ertattert“, sie kam noch mit den anderen am 2. Juli zur Einklei- dung, nachdem in der Nacht für sie ein Kleid zurecht gemacht worden war. Die „steyrische Antonia“ bekannte der steyrischen Oberin auch noch am 1. Juli, dass sie zur Annehmung des Ursulinerinneninstitutes, noch nicht aber zur Umkleidung sich bequemen wolle, zumal ohnehin kein Kleid für sie übrig sei. Die Linzer Oberin ließ sofort ein Kleid zurichten und legte dieses noch am 2. Juli nach Mittag in ihrem Zimmer der vorgeführten, in ihrem Seelenkampf sprachlosen Exzölestinerin an. Abends fand sich die neue Ursulinerin bei der Oberin Kajetana ein mit ganz aufgemuntertem Gemüt und wiederholter Danksagung. Die Exzölestinerin Katharina hatte um Aufnahme in ein Annunziatenkloster in Welschland gebeten, aber von dort keine Antwort erhalten. Am 7. Juli wurde ihre ehe- malige Novizenmeisterin Klara, die Ursulinerin geworden war, vom Schlag getroffen, so dass sie sieben Stunden lang ohne Sprache bewegungslos lag. Im Entsetzen darüber versprach Katharina vor dem Bild des Gekreuzigten, das Ursulinerinneninstitut anzu- nehmen, wenn Klara sich soweit erholen würde, dass sie noch beichten könnte. Ka- tharina war vom Knieschemel noch nicht aufgestanden, als die Meldung kam, Klara beichte. Katharina erschrak über die Erhörung ihres Gebetes so, dass sie plötzlich un- wohl wurde. Vom Bett aus schickte sie zu den zwei Oberinnen mit Erinnerung ihres Gelübdes die Bitte um das Ursulinerinnenkleid. Am 9. Juli erhielt sie es. Die Linzer Oberin unterwies die neuen Mitschwestern unermüdlich in den Satzun- gen der Ursulinerinnen, hielt an drei einander folgenden Samstagen Kapitel und stellte den früheren Zölestinerinnen „jene sehr misslichen Sachen, welche im dortigen Klos- ter sehr viele Unruhen erwecken, mit solchem Nachdruck vor, dass wir, so lange wir noch dort waren, von derlei Zerrüttungen und Mängeln nichts mehr bemerkten“. Die Mängel und Zerrüttungen dürften wohl durch die aufgedrungene neue Ord- nung entstanden und dahin auch das Missvergnügen und die Seelengefahr zu deuten sein, von der die Bittschrift (S. 93) spricht. Ein Ordensleben ohne strenge Klausur, neue

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