Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

93 aus den Versammlungshäusern oder einem von ihr angenommenen andern Orden (solange sie in diesem nicht die Gelübde abgelegt hat) und der Übertritt in die Welt frei (16. September 1782). 22. Die Ursulinerinnen in Steyr. In einer Bittschrift (an den Kaiser?) vom 10. Mai 1782 hatten mehrere Zölestine- rinnen verlangt, wegen beständigen Missvergnügens und Gefahr ihrer Seelen aus dem Kloster austreten zu dürfen. Am 20. Mai 1782 fuhr die Oberin des Ursulinerinnenklosters in Linz, Kajetana, mit den Chorfrauen Antonia und Angela und mit der Kandidatin Maria Anna Sieghartnerin nach Steyr „ungeachtet des tollsinnigsten Widersprechungsgeistes, welcher nicht das heiligste Ziel und Ende des Ordens, sondern nur die törichsten Ursachen zum Augen- merk hat.“ (Chronik der Ursulinerinnen in Linz.) 18 Am 21. Mai stellte Graf Engl die Ursulinerinnen der Klostergemeinde vor mit der Ankündigung, dass von da ab die strenge Klausur und das Breviergebet aufgehoben sei und am 25. Mai die neue Ordnung nach der Konstitution der Ursulinerinnen begin- nen werde; jenen, welche das Ursulinerinneninstitut nicht annehmen wollten, befahl er, sich während ihres Aufenthaltes im Kloster ruhig zu verhalten. Am folgenden Tag besichtigte die Ursulinerinnen-Oberin den Platz, wohin die Schule sollte zu stehen kommen, und ließ sich die Risse vom Baumeister vorzeigen. Die Grundsteinlegung fand statt am 4. Juni durch den Abt von Garsten. Die in den Grundstein verschlossene Urkunde enthielt nebst den Namen „der Einführerinnen des Ursulinerinneninstitutes“ auch die sämtlicher Exzölestinerinnen. Zur Herstellung des Schulgebäudes mussten die Zölestinerinnen von ihren Kapita- lien 5000 fl. aufkünden. Am dritten Tag ihres Aufenthaltes in Steyr war die Oberin Kajetana an der „russi- schen Modikrankheit“ („mit ungewöhnlicher Kälte und beschwerlichem Schlaf“) er- krankt; infolgedessen wurde die Einführung der neuen Ordnung auf den 31. Mai, den Festtag der heiligen Angela verschoben: die beiden Linzer Ursulinerinnen gingen zum ersten Mal in den gemeinen Chor, wo sie die horas öffentlich sagten, und ins Refekto- rium. Am 2. Juli, dem Fest Mariä Heimsuchung, sollte die Umkleidung der 18 Mittags meisten sie bei Graf Engl in Enns, der ihr bischöflicher Kommissär war. Abends langten sie beimZölestinerinnenkloster in Steyr an. Der Beichtvater der Nonnen geleitete sie in die Kirche. Hinter der inneren Pforte standen die Zölestinerinnen in zwei Reihen, brennende Kerzen in den Händen tra- gend; sie fielen vor den Ankommenden aus die Knie, viele küssten ihnen nicht nur die Hände und Kleider, sondern auch die Füße. Dann führten sie ihre neuenMeisterinnen in den Chor, „öffneten ein Thürlein, durch welches das hochwürdigste Gut ganz zu sehen war" und hierauf „in die auf das Beste eingerichteten, mit Ladkästen, Sesseln, Waschbäcken, Schreibzeugen, dreyen Papiergattungen, zer- schlagenemZucker, Chokkolati und Coffe Schallen, Kerzen, Seife undmehr dergleichemGezeugewol versehenen Zimmer." In diesen speisten auch die Ursulinerinnen bis zur Einführung der neuen Ord- nung.

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