Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

88 Stiftskanoniker, der übrige Klerus, zum Schluss wurden die Adeligen zum Handkuss zu- gelassen. Diese, der Landeshauptmann und der Kommandierende kehrten abends noch nach Linz zurück. Dem Heiligen Vater wurden noch einige geschäftliche Vorträge erstattet, dann nahm er allein ein frugales Abendmahl. Der Kardinal, der Nuntius, das päpstliche Ge- folge und die Prälaten wurden von Cobenzl im Namen des Kaisers bewirtet, die Stifts- kanoniker mit den Gästen speisten in der Klausur zu Abend. Eine festliche Beleuchtung des Ortes beschloss den herrlichen Tag, aber die Freude hielt im Stift und imMarkt alles wach fast bis zumMorgengrauen und doch herrschte im Ort die tiefste Ruhe, kein strei- tendes Wort, nicht die geringste Unordnung war zu vernehmen. In der Frühe des 24. April reiste der Vizekanzler Cobenzl ab, ebenso auch der Kardi- nal Fürstbischof zum Empfang nach Linz. Inzwischen war in St. Florian die Menschenmenge noch mehr angewachsen, viele waren die halbe, viele die ganze Nacht auf der Wanderung gewesen, um den Heiligen Vater zu sehen. Bevor dieser von den Kanonikern in die Kirche geleitet wurde, gab er wieder dem Volk den Segen. Dem Propst verlieh er das tägliche Altarprivilegium, den andern Stiftskanonikern das Privilegium auf drei Tage in der Woche, allen Stiftsgeistli- chen den Sterbeablass. Dann ging es zur Kirche. Hier war am Fuß des Altars ein Betsche- mel für den Papst hergerichtet: seine Begleiter knieten an dem Gitter, die Kanoniker im Chor. Das Messopfer brachte der Beichtvater des Papstes, Ponzetti, dar. Dann wurde das Itinerarium rezitiert. Man erhob sich, unter Orgelklang und Glockengeläute und Ge- schützdonner zog der Heilige Vater durch die Kirche zu dem vor dem Portal harrenden Wagen. Knieend dankte der Propst für die Gnade des Besuches, der Papst entgegnete, alles hier sei ihm lieb und sehr, sehr angenehm gewesen, er danke dem Nuntius Garampi für den Rat, hieher zu kommen; dem Ruf nach sei ihm St. Florian schon bekannt gewesen, aber was er gesehen, übertreffe das, was er gehört. Dann streichelte er liebe- voll das Antlitz des Knieenden und mit denWorten: „Betet Brüder, nicht so sehr für mich als für die Kirche" stieg er in den Wagen; die Begleiter folgten, das Volk schluchzte und jubelte. Nur langsam vermochte der Wagen des Papstes sich Bahn zu machen durch die voranziehende Menge. Der Propst folgte zu Wagen. Die andern Kanoniker gingen zur Kirche zurück. Am 24. April um 9 1/2 Uhr langte der Heilige Vater in Linz an; er machte eigens eine Ablenkung seiner Reise, um der Landeshauptstadt den Segen zu geben. Die Ursulinerinnen in Linz hatten gebeten, dass der Papst sie, sowie die Salesiane- rinnen in Wien, besuchen möge, zumal ihr Kloster ganz am Weg liege. Aber der heilige Vater ließ durch den Kardinal und dieser durch den Dechant sagen, sie sollen an einem beliebigen Tag die heilige Beicht verrichten und die heilige Kommunion empfangen und für ihn beten, so verleihe er ihnen einen vollkommenen Ablass. Als er durch die Vorstadt in Linz einfuhr, erhob er beim Kloster der Ursulinerinnen „gleich beim Schuleck seine Augen dahin und segnete uns, welches er auch bei der Porte und Kirche tat". (Chronik der Ursulinerinnen.) Das Tagebuch des päpstlichen Sekretärs berichtet: „Zwei Stunden vor Mittag traf Seine Heiligkeit in der genannten Stadt ein, unter dem Geläut aller Glocken und dem Spiel der Militärmusikbanden, die längs der Stadtmauern malerisch aufgestellt und

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