Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm
87 vom Balkon der Kirche am Hof den päpstlichen Segen; es war ein überwältigendes Schauspiel. Die Kundgebungen des Volkes für den Heiligen Vater während seines Aufenthaltes in Wien ließen die Macht des Papsttums, die Persönlichkeit des Papstes in einer Weise hervortreten, dass dagegen alles andere verschwand... Der Konflikt aber zwischen Papst und Kaiser spitzte sich immer mehr zu. Am 15. April offenbarte der Papst dem Kaiser seinen Entschluss, am 17. von Wien abzureisen, ließ sich aber von Josef bewegen, am 19. April noch ein öffentliches Konsis- torium in Wien zu halten. Am 22. April, einem Montag, erfolgte die Abreise des Papstes. Der Kaiser begleitete ihn bis zum Augustinerkloster Mariabrunn. Der Abschied war ein Augenblick der Ver- gesslichkeit würdig und alle Anwesenden vergossen Tränen. So besagt noch eine latei- nisch-deutsche Denkschrift über dem Haupteingang der ehemaligen Klosterkirche. Der Papst fuhr nach Oberösterreich. Der Enthusiasmus, der in Wien sich frei ge- macht, konnte nicht mehr in Fesseln geschlagen werden, er ließ sich nicht verbieten, er umjubelte in Gebeten, in Segenswünschen und Segensbitten, in Tränen der Rührung den Heiligen Vater auf seinen Wegen. Jetzt schwiegen die Glocken nicht mehr und dem vom Kaiser verabschiedeten Papst bereitete jetzt das gläubige Volk seinen Empfang und die via triumphalis. Am22. April nahm der Papst das Nachtquartier inMelk. Tags darauf setzte er die Reise über Amstetten fort, die Nachtstation wurde im Stift St. Florian genommen. Garampi, ein besonderer Freund des Stiftes, hatte die Wahl des Heiligen Vaters darauf gelenkt. So un- sagbar groß die Freude darüber im Stift war, so groß war die Bestürzung, die Verstimmung in Linz... aber man vergesse nicht: in Linz war Eybel, der Verfasser von „Was ist der Pabst?" Es fehlte selbst nicht an Versuchen, Verwirrung zu schaffen: man sagte dem Prälaten, der Papst werde nicht kommen; man gedachte so einen würdigen Empfang zu vereiteln. In der Tat war die Zuversicht des Propstes schon schwankend geworden. Eine ungeheure Menge von Fremden, ungewiss des Weges, welchen der Papst nehmen werde, war nach Linz gekommen. Endlich am 22. abends traf ein Wagen mit dem päpstlichen Dienstperso- nal in St. Florian ein. Die Botschaft hiervon flog nach Linz und amMorgen des 23. April zog eine Völkerwanderung den Weg nach St. Florian; es trat Mangel an Lebensmitteln ein, aber niemand fühlte das Ungemach. Das Stift war mit Gästen überfüllt. Während im Stift die Mittagstafel gehalten wurde, an welcher der Fürstbischof von Passau teilnahm, dem im Konsistorium am 19. April der Papst den Kardinalshut aufge- setzt hatte, kam Graf Cobenzl vorausgefahren und kündigte die Ankunft des Heiligen Vaters für abends an. Der Klerus nahm Aufstellung an der publica scala, der Kreuzträger auf der Höhe der Stiege, am Fuß derselben vier Priester mit dem Traghimmel. Reiter meldeten die Ankunft des Papstes: da stieg der Kardinal, begleitet von Cobenzl, dem Landeshauptmann Thürheim und dem Kommandierenden von Linz Feldzeugmeister Langlois die Stufen hinab, gefolgt von den Stiftsprälaten. Unter dem Schall der Musik fuhr der Papst um 5 1/2 Uhr an; er begab sich in seine Gemächer. Alsbald aber erschien er auf dem Balkon, gab der zahllosen, auf dem Platz vor Kirche und Kloster zusammengedrängten Menge den päpstlichen Segen und besich- tigte dann das Stift. Hierauf wurden die Prälaten empfangen, nach ihnen die
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