Rudolf Hittmair - Der josefinische Klostersturm

86 dienen": und zieht daraus den praktischen Schluss, dass wahre Kenner und Verehrer des Papsttums Pius VI. auf seiner Reise nach Österreich empfangen sollen in Beachtung dieser seiner Vorrechte und Würde insbesondere als jenen, der „der erste sich erfreuen muss, dass die von Gott mit dem Schwerte versehenen Verteidiger der heiligen Kirche und der reinen Kirchenzucht so wirksam und eilfertig die besten Verfügungen zu dersel- ben Zurückführung und Befestigung treffen... Unbekümmert, wie in mittlerem Zeitalter die Päpste empfangen worden, werden sie sich ehrerbietig und bescheiden so vor Sei- ner beugen, wie man sich vor einem andern Bischof beugt, wie man einem andern Bi- schof für seinen Segen dankt. Es ist zwar nicht zu vermuten, dass der Pabst als Pabst und von päpstlichen Amtes wegen kommt, weil bey uns nicht von Weiten eine Gefahr der Einigkeit ist ... Er kommt also entweder als auswärtiger Landesfürst, und da wissen wir, wie auswärtige Landesfürsten empfangen werden; oder als ein Bischof, und da wis- sen wir auch, dass ankommende fremde Bischöfe dem Bischöfe des Orts nicht eingrei- fen, und keine außerordentlichen Ehren fordern... Die päpstlich- und bischöfliche Wür- den sind in sich betrachtet ohnehin nur geistliche Würden, die außer der Kirche und in der Reihe der bürgerlichen Würden nur jenen Vorrang haben können, den ihnen der Landesfürst gestattet." Garampi machte dem Staatskanzler Vorstellungen über das Erscheinen dieser Bro- schüre, deren Tendenz Beleidigung des Heiligen Vaters sei; der Kaiser hatte die Schrift nicht gelesen, er resolvierte, der Nuntius solle selber die Stellen bezeichnen, welche die Religion angriffen oder gegen Pius VI. beleidigend seien, „wo man alsdann froh wäre, darüber das billige Missvergnügen zu zeigen und dem Autor sowie der Censur die Ahn- dung verspüren zu machen". Der Vizekanzler Graf Philipp Cobenzl musste den Papst auf der ganzen Reise durch österreichisches Gebiet begleiten. Der Umstand, dass der Papst inkognito reiste, ermöglichte es dem Grafen Cobenzls alle größeren Feierlichkeiten zu unterdrücken: das Läuten der Glocken, das Entgegen- ziehen von Prozessionen, öffentliche Ehrenbezeugungen, Überreichen von Denkschrif- ten u. dgl. war untersagt, Aufwartungen beim Heiligen Vater mussten bei Cobenzl an- gesucht werden; in jeder Station, wo Aufenthalt (auch nur bei Nacht) genommen wurde, musste ein der päpstlichen Wohnung nächstgelegenes Zimmer für Cobenzl be- reitgehalten werden. Bis an die Grenze Österreichs hatte die Reise des Papstes einem Triumphzug gegli- chen... von der österreichischen Grenze bis nach Wien glich sie einer feierlichen Eskor- tierung. Am 14. März war der Papst in Gradisea angelangt, am 22. zog er in die Wiener Hof- burg ein. Die erste Unterredung fand statt am 23. März. Bemerkenswert ist, wie über die folgenden Unterredungen zwischen Kaiser und Papst das im Auftrag des Kaisers in französischer Sprache verfasste Journal und das durch den päpstlichen Geheimsekretär Dini in italienischer Sprache geführte Diario be- richten. Das eine oder andere berichtet immer gerade über jene Besprechungen aus- führlich, in welchen seine Partei in Vorteil geblieben zu sein schien. Am Gründonnerstag spendete Pius VI. dem Kaiser und seinem Bruder die heilige Kommunion, am Ostersonntag feierte er in St. Stephan die päpstliche Messe und gab

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