Hintergebirge - Beschreibung eines Kampfes

OBERÖSTERREICH KoenigsZinnsoldaten Obskure Piratenmethoden wandten die Ennskraftwerke an, um ein geplantes Ökologiezentrum zu verhindern. Von Georg NOWOTNY Aus dem dichten Wald lugen blanke Felswände. Durch die Schlucht des Großraminger Baches mit seinem kristall klaren Wasser verläuft aufhalber Höhe ein einzigartiger gesicherter KJettersteig. Wenn der Bach aus der Schlucht tritt und die idyllische Landschaft beim Bauemweiler Brunnbach erreicht, bildet er kleine Bekken, die im Sommer zum Baden einladen. Dasganze Gebiet mit seinen Wander- und Radwegen und einer Fläche von 200 Qua dratkilometern ist, abgesehen von dem Flecken Brunnbach, unbesiedell. Und genau in die sem idyllischen Ge biet mit weitgehend unberührter Natur, rund zehn Kilometer von der oberösterrcichischen Ennstalgcmcinde Großra ming entfernt, spielt sich seil vier Jahren ein beinharter Kampf zwischen Grünakti visten und den Ennskraftwerken(EKW)ab. Da wird von tteiden Seiten getrickst, geklagt und selten genug miteinander ge redet. Mehr Geld und mehr Macht haben bisher noch immer die Ennskraftwerke. Doch ihre grünen Gegner antworten mit Zähigkeit und haben die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Begonnen hat es im Sommer 1984,noch vor Hainburg, mit einer Baustellenbeset zung.jene Aktivisten aus dem „Verein für Bildung, Kultur und Ökologie im OöEnnstal", die mit den Strommachem auch heute noch im Clinch liegen, erfuhren von einem ihrer Meinung nach illegalen Bau beginn für das Speicherkraftwerk Reich raming,das die ganze Pracht am Fuße des Hintergebirges zerstört hätte. Die EKW behaupten auch heute noch, es habe sich damals bloß um Frobebohrungen gehan delt. Es kam zu Gcndarmerieeinsätzen, und es regnete Anzeigen. Heute ist dieses Kraftwerk zwar politisch tot, aber die Aktivisten um Gerald Rettencggcr, Wolfgang Heitzmann und Jörg Hof macher, den Eisenwurzen-Verein und andere Ökologie-Gruppen beißen heute noch daran,daß damals nach zwei verlore104 Streitobjekt Brun nen Prozessen eine Geldstrafe von ins gesamt 150.000 Schilling wegen Besitz störung verhängt wurde. Der nächste Konflikt folgte vier Jahre später: Die Familie des Steyr-Arbeiters Erwin Ebner hatte 1965 die aufgelassene Volksschule in Brunnbach um 66.000 Schilling gekauft und in dem Gebäude nbach-Schule: Gutgläubiger Kaufoder Piratenakt? gelebt. Da die Eamilie aber 1988 nach Steyr in ein neues Einfamilienhaus übersiedelte, stand das Gebäude zum Verkauf. Rasch schloß der „Verein für Bildung,Kultur und Ökologie im Oö-Ennstal", der in dem Haus das erste ökologische Ausbildungszentrum (für Landschaftsgestalter, Gäste betreuer und Umweltpädagogen) einrich ten wollte, am 16. März 1988 einen Optionsvertrag mit der Familie Ebner. Inhalt: Der Verein wolle das Objekt um 600.000 Schilling kaufen. Unausgesprochener Hintergedanke der Grünaktivisten: Die ehemalige Schule liegt genau an der Stauwurzel des geplanten Kraftwerks Reichraming, und der Verein hätte damit als Anrainer Parteienstellung erhalten. Im Mai wurde das Projekt öffentlich präsentiert, das Land war bereit, für den Umbau 1,2 Millionen SchillingSubvention zu geben, und der Bund versprach eine halbe Million. Die Finanzierung des 3,5-Millionen-Projekts schien gesichert, Detailpläne auch für einen Zubau wurden gezeichnet. Doch die Ennstaler Ökologen hatten ihre profil Rechnung ohne die EKW gemacht: Am 23. August kauften die Ennskraftwerke die Brunnbach-Schule um 1,250.000Schilling, also mehr als das Doppelte des vom Ökologie-Verein gebotenen Preises. Und zwar „gutgläubig", wie es in einem Brief vom 21.September an den damalsnoch als FPÖ-Generalsekretär tätigen Schwanenstädter Rechtsanwalt Norbert Gugerbauer heißt, der die Ennstal-Ökologen vertntt. Daß freilich die Verhandler der EKW von der Option nichts gewußt hätten, ist äu ßerst unwahrscheinlich. Während die Strommänner ihr Angebot immer höher hinauftrieben, hat sie das Ehepaar Ebner nach eigener Aussage sehr wohl auf die bestehende Option aufmerksam gemacht. Daher dürfte ja auch der Kaufpreis mehr als das Doppelte betragen, was eine An fechtung des Kaufvertrages wegen des Grundsatzes von der Hälfte des wahren Wertes sehr schwierig macht. Ende September informierte EKWSprecher FranzGasperl in einem Gespräch die Vereinsvertreter, sein Unternehmen habe die Schule gekauft, um „ein unüber windliches Hindernis gegen das Kraftwerk wegzuräumen" und das Gebäude als Aus stellungsort für die Zinnsoldaten-Samm lung von Prof. Otto Koenig zu verwenden, der die E-Wirtschaft in Umweltfragen berät. Herbert Kasamas,EKW-Direktor,stellt im profil-Gespräch die Sachlagejetzt etwas andersdar Es werde ein weiteres Gespräch mit einer Bürgergruppe geben.Sein Unter nehmen habe Ersatzobjekte, unter ande rem in Mölln, angeboten. Die Schule sei auch gekauft worden, um „ÖkologieAktivitäten in unserem Bereich auszuwei ten". Die Zinnsoldaten-Ausstellung für Otto Koenig sei nur eine der möglichen Nutzungsmöglichkeiten, Die EKW-Kontrahenten wollen auf Ersatzangebote aber nicht eingehen. Projektleiter Rettenegger: „Das wäre nur ein fauler Kompromiß,und damit würden wir ja auch die Verschwendung von Gel dern der Stromkonsumenten akzeptieren." Der Verein hat dafür am 10. Oktober eine Anzeige „wegen mutwilliger Ver schwendung von Stromgeldem" an den Rechnungshof geschickt und den „ein maligen Piratenakt" zum Nachteil der Strombezieher auch in einem offenen Brief an Landeshauptmann Josef Ratzenböck angeprangert. Die EKW beharren jedoch darauf, daß der Kauf rechtskräftig sei. Drei Juristen prüfen derzeit, ob der Verein eine Klage einbringen soll. „Die Sache ist riskant und wird sicher über drei Instanzen gehen. Wir sind ja gebrannte ICinder",fürchtet Gerald Rettenegger. Für eine Fortsetzung der ländlichen Tragikomödie um die Brunnbach-Schule ist jedenfalls gesorgt. „Aufgeben", so Rettenegger, „werden wir sicher nicht." Und die EKW sind ebensowenig bereit,ihr Beutestück wieder herzugeben. ■ Nr.42/ 17. Oktober 19S8 61

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