OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

144 Die Hager waren Uradel, traten aber freiwillig in den ministerialen Dienst. Ihre Wurzeln reichen weit zurück, nicht nur in Oberösterreich, sondern auch in Bayern und evtl. auch im Rheinland. Auffallend ist, dass die meisten Burgen und Verwaltungssitze der Hager an bzw. in unmittelbarer Nähe der bayrischen und österreichischen Donau zu finden sind, z. B. in Linz, Enns, Melk und Mautern/Göttweig. Dattenböck versuchte erstmals die Hager auch mit Worms, dem staufischen Herrschaftszentrum und Mittelpunkt der Hofhaltung, in Verbindung zu bringen. Worms war in vorstaufischer und staufischer Zeit auch ein bedeutendes jüdisches Kulturzentrum. Eine wichtige Schnittstelle des Handels und der Kooperation von Deutschen (inkl. Familie Hag), Ungarn und Juden waren das westungarische Gran und das Grantal (Kremnitz/Schemnitz), in welchem Dattenböck urkundlich auch Nachkommen des Heinrich von Hag fand. Dattenböck hat es sich nicht nur zur Aufgabe gemacht, den Autor des NL zu finden oder besser gesagt auf den Umkreis der Hager Sippe einzugrenzen, sondern er zeigt auch neue Perspektiven zur Entstehung des NL und zur Interpretation der verschiedenen erst relativ spät (wieder) entdeckten Handschrift auf. Aufgrund des Verbundes von germanistischer Methode, Genealogie, Heraldik (z. B. Greif-Symbol) und Herrschaftsgeschichte kommt er zu neuen Erkenntnissen der Identität von Siegfried, Krimhild, Volker, Hagen etc. Alle im NL genannten Personen sind nach Dattenböck keine Phantasieprodukte, sondern Personen mit einem realen historischen Hintergrund, allerdings nicht unbedingt aus der Völkerwanderungszeit, in welcher die NL-Story spielt, sondern aus der Epoche, in welcher wohl ein Hager das NL mit der Siegfried-, Dietrich-, Hildebrand-, Hunnen- und Burgundersage verbunden und zu einem deutschen Epos gestaltet hat. Dattenböck untermauert die Thesen seines NL-Puzzles nicht nur herrschaftsgeschichtlich, sondern kommt auch zu höchst interessanten neuen Erkenntnissen bisher weitgehend im Dunkel liegender Völker wie der Hunnen, Alanen, Awaren, Goten und Vandalen. Vieles was er in seiner Arbeit zum NL hier festgehalten hat, findet man bereits in seinem Buch von 2006 zu den Vandalen. Dattenböcks Buch ist nicht nur für Germanisten und Historiker, sondern auch für Laien ohne Probleme lesbar. Wie bisher kein anderer NL-Autor hat er sein Werk mit zahlreichen Karten, Stammtafeln und sonstigen Abbildungen, welche die Lektüre erleichtern, ausgestattet. So macht Lektüre wirklich Spaß! Prof. Dr. Wilhelm Kaltenstadler ein realgymnasialer Zweig aufgebaut werden. Im Maturajahr 1972 war die 8. Klasse in fünf Gruppen aufgeteilt, Christian Schacherreiter ist mit der Berufswahl Musik im humanistischen Zweig mit 22(!) Schülern ausgewiesen, die Neusprachler waren 18, die „Realisten“ 23. Schacherreiter spielte als Schüler – ungern – bei der legendären Schulschwester Milada, ehe er in die städtische Musikschule wechselte und dann – mit Begeisterung – im „großen“ Orchester des Rieder Brucknerbundes mitspielen durfte (S. 80 ff.). Er ist promovierter Germanist geworden, Humanist ist er geblieben. Auf die Frage im eingangs zitierten Interview, wer seine Lieblingsfigur in der Geschichte sein könnte, antwortete er: „Da fällt mir die Entscheidung schwer. Wenn ich überhaupt eine historische Lieblingsfigur habe, dann jemanden, der moderat und ausgleichend war und nicht allzu mächtig wurde, vielleicht Cicero.“ Vielleicht wird dieser „Kindheit im Innviertel“ einmal ein Buch folgen, in dem der moderate Geist der „Gespräche in Tuskulum“ des Marcus Tullius Cicero weht. Es wäre schön! Einstweilen werden jedenfalls alle, die Pramet (s. S. 22 ff.) und Ried i. I. kennen und die, die dessen Gymnasium einst besucht haben, mit Freude und Gewinn das vorliegende Buch lesen, ja verschlingen! Josef Demmelbauer Georg Dattenböck: Heinrich von Hag/Ofterdingen: Verfasser des Nibelungenliedes! Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2011, 359 Seiten. ISBN 978-3-88309-640-7. Bis in die unmittelbare Gegenwart herein galt ein namentlich nicht nachweisbarer Kleriker im Umkreis des Bischofs von Passau als der Schöpfer des Nibelungenliedes (NL). Der Oberösterreicher Georg Dattenböck kann zwar nach seiner jahrelangen Nibelungenforschung nicht mit letzter Sicherheit den Verfasser des NL benennen. Doch ist es ihm gelungen, überzeugende Indizien vorzulegen, dass dieser aus der adeligen Hager Sippe stammt. Er bringt nicht nur aus sprachwissenschaftlich-germanistischer, sondern auch aus herrschafts- und landesgeschichtlicher Perspektive beachtliche Argumente dafür, dass höchstwahrscheinlich der Österreicher Heinrich von Hag/Ofterdingen der Verfasser des lange Zeit vergessenen Heldenepos ist. Bei Ofterdingen handelt es sich aber wohl nicht um den bei Tübingen gelegenen schwäbischen Ort, sondern um Oftering bei Linz. Dattenböck erschließt erstmals aus Quellenmaterial und der Heraldik (Wappenkunde), dass es herrschaftsgeschichtliche Querverbindungen zwischen dem schwäbischen Ofterdingen und dem einst bairischen Oftering gibt.

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