OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

141 Konkreter ist da einer, dessen jugendliches „Achtundsechziger-Leben fast nur ein Achtundsechziger-Denken, politische Philosophie (war)“, Christian Schacherreiter, Gymnasialdirektor in Linz und Literaturkritiker der OÖN, nach eigenen Worten „weder Poet noch Epiker der breiteren Art“, in der Beschreibung seiner Kindheit im Innviertel, einem „autobiografischen Essay“:38 Die kleine Gemeinde Pramet war für ihn als Volksschüler eine geschlossene Welt. „Pramet war der erste und letzte Heimatort meines Lebens. Vielleicht überhaupt die erste und letzte geografische Heimat, denn das uneingeschränkte Heimatgefühl ist an die Kindheit gebunden …“.39 Freilich: Aber auch hier sind Einschränkungen angebracht: Für viele waren und sind Kindheit und Jugend keine schöne Zeit, wir müssen da nicht gleich an die „Seuche, die Armut heißt“, denken, von der Ernst Hackl40 schrieb. Wir können auch dem „Trug des Erinnerns“41 anheim fallen! senwiesen von Aussee“,36 dort entstand auch sein Gedicht VON DER LIEBE ZUR HEIMAT „Nach Recht und Unrecht fragt die Liebe nie: Die Heimat ist wie eine Melodie, Ein Ammenlied, ins Herz dir eingesungen – Du nahst im Geist ihr, wie der Mutter Knie, Das deine Knabenarme einst umschlungen. Nach Recht und Unrecht fragt die Liebe nie, Und welcher Schuld man auch die Menschen zieh, Kains Söhne, die zum Brudermord gedungen; Die Heimat, die dir Wort und Seele lieh, Du atmest sie wie Bergluft in die Lungen. Geruhsam geht der Fleiß und grast das Vieh; Lausch inniger und hingegebner, sieh: Grün strahlt das Land und spricht mit stillen Zungen. Nach Recht und Unrecht fragt die Liebe nie, den Trost hast du dem Unheil abgerungen.“ Ausklang Berühmt geworden ist der letzte Satz aus dem opus magnum „Das Prinzip Hoffnung“ von Ernst Bloch, dem, wie Martin Walser in einer Besprechung vor über 50 Jahren schrieb, „Propheten“, der mit „Marx- und Engelszungen“ redete. Darin hofft Bloch, dass am Ende der von ihm angedachten Veränderung der Verhältnisse „in realer Demokratie“ in der Welt etwas entsteht, „das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat“. In diesen Worten enthüllt sich eine unbestimmte dunkle Sehnsucht. Es sind Worte eines emphatischen, pathetischen Denkers und Schreibers, der sich der Härte des Begriffes verweigert.37 36 Ein zeitgeschichtlicher Hinweis: Das Ausseer Land wurde mit Wirkung vom 1. Mai 1938 dem Gau Oberdonau zugeschlagen. Näher: Harry Slapnicka, Oberösterreich – als es „Oberdonau“ hieß (1938–1945), S. 33 ff. 37 Schelsky, Die Hoffnung Blochs. Kritik der marxistischen Existenzphilosophie eines Jugendbewegten, Klett-Cotta, Stuttgart 1979, S. 16. 38 Schacherreiter, Diese ernsten Spiele, Otto Müller Verlag, Salzburg 2011. Die Zitate finden sich dort auf S. 98 und 15. 39 Schacherreiter (FN 38), S. 23. 40 In: „Familie Salzmann“ (FN 9) 41 Graf von Krockow (FN 18), S. 53 ff.

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