OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

137 Flucht und Vertreibung Das 20. Jahrhundert ist in der Neuzeit nach den schon erwähnten religiösen Vertreibungen auch das Jahrhundert der Flucht und Vertreibung geworden. Im III. Abschnitt ihres Beitrages „Verlust und Rückgewinn. Notizen zur Literatur der Vertriebenen“ zu dem von FrankLothar Kroll herausgegebenen Band Was ist nun des Österreichers Vaterland? Wir nehmen nur die Zeitspanne von 1848 bis jetzt: Zuerst das Kaisertum, von 1867 bis 1918 die österreichisch-ungarische Monarchie, dann die „Erste Republik“, der kleine Rumpfstaat, „der Staat, den keiner wollte“, der von 1933 bis 1938 als Ständestaat autoritär regiert wurde, dann der „Anschluss“ als Ostmark, der furchtbare Zweite Weltkrieg, und ab 1945 die „Zweite Republik“, die bis zum Staatsvertrag 1955 in vier Besatzungszonen aufgeteilt war.21 Einst ein großes Reich, heute ein Kleinstaat, in dem aber noch große Schöpfungen des Rechtslebens aus der großen Monarchie weiter gelten, so das bereits zitierte Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 „über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder“, also für die österreichische Reichshälfte, und „wirksam für Böhmen, Dalmatien, Galizien und Lodomerien mit Krakau, Oesterreich unter und ob der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain, Bukowina, Mähren, Schlesien, Tirol, Vorarlberg, Istrien, Görz und Gradiska, dann die Stadt Triest mit ihrem Gebiete“.22 Im sog. „Sistierungspatent“ vom 20. September 1865, also vor Königgrätz, ist Franz Joseph „von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich“ u. a. noch als „König der Lombardei und Venedigs“ ausgewiesen.23 Der weitere Fortgang der österreichischen Geschichte hat hier – über die obige Gliederung hinaus – angesichts des Themas keinen Platz. 21 S. auch Demmelbauer, Österreich in seiner „schönen“ Literatur, Jubiläumsjahrbuch der Innviertler Künstlergilde 1982/83, S. 73–80. 22 In: Heinz Fischer/Gerhard Silvestri, Texte zur österreichischen Verfassungs=Geschichte, Wien 1970, S. 91. Zum historisch-politischen Hintergrund dieser Texte sei auf das beeindruckende Vorwort von Kurt Ringhofer verwiesen. 23 Die Abwärtsbewegung von Ländern zu Ländlein liest sich bei H. C. Artmann, „Mein Vaterland Österreich“, so: Österreich bestand ehedem aus den folgenden Ländern: dem Erzherzogtume Österreich, demHerzogtume Steyermark, der gfürchteten Grafschaft Tyrol nebst Vorarlberg, dem Königreiche Böhmen, der Markgrafschaft Mähren, dem österreichischen Anteil an Schlesien, dem Königreiche Illyrien, dem Königreiche Galizien und Lodomerien, dem Lombardisch-venezianischen Königreiche dem Königreiche Ungarn mit seinen Nebenländern Slawonien, Kroatien und Dalmatien und demGroßfürstentume Siebenbürgen. Heute besteht Österreich aus den Ländlein: Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Fahrradlberg, Kärnten, Steiermark und dem Burgenland. Tu, felix Austria, juble und jodle!

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2