OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

OÖ. HEIMATBLÄTTER 2011 HEFT 1/2 Beiträge zur Oö. Landeskunde | 65. Jahrgang | www.land-oberoesterreich.gv.at

1 65. Jahrgang 2011 Heft 1/2 Herausgegeben vom Amt der OÖ. Landesregierung, Direktion Kultur Christian Steingruber: Neue Erkenntnisse zu Norbert Grabherrs Historisch-Topographischem Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze Oberösterreichs 3 Klaus Petermayr: Aus dem Leben der Holzknechte. Zur salzkammergütlichen Gefahren- und Alltagsbewältigung „im Holz“ 45 Franz Daxecker: Die Innviertler Wundarztfamilie Mozart – Eine genealogische Spurensuche 53 Norbert Loidol: Hundert Jahre Meister-Atelier für Stahlschnitt in Steyr 1910–2010 (Teil 2) 63 Lena Radauer: Der Maler Hans Franta: Seine Linzer Jahre (Teil 1) 99 Josef Demmelbauer: Die Heimat im Staat 129 BUCHBESPRECHUNGEN 142

2 Mitarbeiter: Christian Steingruber Hirschgasse 71, 4020 Linz Mag. Dr. Klaus Petermayr OÖ. Volksliedwerk Promenade 37, 4020 Linz Univ.-Prof. Dr. Franz Daxecker Gufeltalweg 9a, 6020 Innsbruck Mag. Norbert Loidol Bachlweg 8, 4972 Alkoven Mag. Lena Radauer Uhlplatz 5/33, 1080 Wien HR Dr. Josef Demmelbauer Karl-Rausch-Weg 40, 4910 Ried i. I. Medieninhaber: Land Oberösterreich Herausgeber: Amt der OÖ. Landesregierung, Direktion Kultur Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexemplare) und Bestellungen sind zu richten an den Schriftleiter der OÖ. Heimatblätter: Camillo Gamnitzer, Amt der OÖ. Landesregierung, Direktion Kultur, Promenade 37, 4021 Linz, Tel. 0 73 2 / 77 20-1 54 77 Jahresabonnement (2 Doppelnummern) e 12,– (inkl. 10 % MwSt.) Hersteller: TRAUNER DRUCK GmbH & Co KG, Köglstraße 14, 4020 Linz Grafische Gestaltung: Mag. art. Herwig Berger, Steingasse 23 a, 4020 Linz Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich Alle Rechte vorbehalten Für unverlangt eingesandte Manuskripte übernimmt die Schriftleitung keine Haftung ISBN 3-85393-012-3 Titelbild: Männlicher Rückenakt sitzend, Zeichnung, undatiert (Beitrag Radauer)

3 Als Hauptwerk Grabherrs wird das „Historisch-topographische Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze Oberösterreichs“ angesehen, dem noch heute ungeteilter Respekt gebührt. Von der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien 1975 herausgebracht, sollte es den Grundstock für die Erfassung sämtlicher landesweit verifizierbarer Anlagen in einer analogen Datenbank liefern. Um die in dem Sammelwerk aufgelistete Objektfülle näher kennenzulernen, unternahm der Verfasser dieses Beitrags ab 1975/76 regelmäßige Begehungen. Damit begann auch eine kritische Auseinandersetzung, denn bald wurde ersichtlich, dass insbesondere die Verortungsdaten eine empfindliche Schwachstelle des Handbuchs bilden. Grabherr hatte versucht, die Burgen und Herrensitze mittels X-/Y-Angaben auf den jeweiligen Blättern der ÖsterreichKarte (Maßstab 1 : 50.000) einzumessen, eine damals durchaus probate Methode. Das Problem bestand aber darin, dass es ihm v. a. zeitbedingt unmöglich gewesen war, alle Anlagen persönlich zu besuchen und in ihrer exakten Position „Diese Zeilen sollen übrigens nur dazu dienen, Freunde unserer Burgruinen, welche zu etwas mühsamer Forschung Eifer haben, auf eine der zugleich merkwürdigeren und weniger bekannten Ruinen aufmerksam zu machen. Solchen, welche außer der Forschungslust auch leibliche Gelüßte tragen, sei es gesagt, daß in der Nähe der Ruine außer gutem Wasser für Erfrischung nicht gesorgt ist …“ Josef Scheiger, 1867 Einleitung Wohl kein anderer Name ist mit der oberösterreichischen Burgenforschung derart eng verbunden wie jener des „Pioniers“ Norbert Grabherr (* 24. Jänner 1919 in Linz, † 20. Oktober 1977 Pasching). Die schulische Ausbildung – Volksschule, Realgymnasium, Handelsakademie – durchlief er in seiner Vaterstadt; Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft durchkreuzten Studienpläne. Nach Jahren eher glückloser selbstständiger Berufstätigkeit trat Grabherr 1951 in den Dienst des Landes Oberösterreich, wurde Mitarbeiter des OÖ. Landesarchivs und 1970 zum „Wirklichen Amtsrat“ ernannt. Von Anfang an galt sein wissenschaftliches Hauptinteresse dem Schatz der heimatlichen Burgen und Schlösser; bereits 1963 erschien sein erster Burgenband, 1964 sein zweiter; unzählige weitere Bände und Abhandlungen folgten.1 Neue Erkenntnisse zu Norbert Grabherrs Historisch-topographischem Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze Oberösterreichs Von Christian Steingruber* * Redaktionelle Bearbeitung: Camillo Gamnitzer 1 Zum Lebenswerk siehe: Alois Zauner, Nachruf Norbert Grabherr. Jahrbuch des OÖ. Musealvereins, 123. Band, Linz 1978, 9 ff.

4 Grabherr’schen Datensätze allerdings dermaßen unzureichend, dass sie als Basis für eine korrekte Verortung ausschieden.5 Der Verfasser entschloss sich daher nach kurzer Pause, die unterdessen ad acta gelegte eigene Überarbeitung wieder fortzusetzen. Intensivierte Begehungen führten seitdem zur gültigen Dokumentation Hunderter Burg- und Wehranlagen; die gewonnenen Informationen wurden und werden kontinuierlich mit den Aufzeichnungen der OÖ. Landesmuseen, des OÖ. Landesarchivs, der Abteilung für Bodendenkmale im Bundesdenkmalamt sowie anderer Burgenforscher abgeglichen und in einer separaten Datenbank gespeichert. Quasi als Nebenprodukt dieser Erhebung entstand eine umfangreiche Abhandlung, die „beispielhafte“ Burg- und Wehranlagen im Lande ausführlich vorstellt. Aufgenommen wurden vor allem Objekte, deren Erforschung Detailangaben des Grabherr’schen Handbuchs revidiert oder um neue Fakten ergänzt. zu erfassen. Häufig beruhen die Einträge daher auf älteren Quellen oder auf Vermutung, die Verortungsungenauigkeiten schwanken zwischen einhundert Metern und, gelegentlich, mehreren Kilometern.2 Als weiterer Schwachpunkt war eine gewisse Unkenntnis von Geländedenkmalen insgesamt zu konstatieren. So scheinen im Handbuch mitunter „Burgstellen“ auf, bei denen es sich tatsächlich um Altstraßen, Materialgruben oder natürliche Terrainformungen handelt. Auf ein vom Verfasser vorgelegtes Kompendium mit Verbesserungsvorschlägen reagierte N. Grabherr sehr positiv und schlug seinerseits spontan gemeinsame Exkursionen zur Überprüfung der fraglichenObjekte vor; dies war in Anbetracht seines gesundheitlichen Zustands bedauerlicherweise nicht mehr realisierbar. Als der Verfasser 1977 abermals wegen eines Termins vorsprechen wollte, musste er von Grabherrs Gattin Wilfriede die Todesnachricht entgegennehmen. Die Chance zur Überarbeitung des Handbuchs schien damit erloschen zu sein. Drei Jahrzehnte später, 2008, tat sich jedoch ein neuer Lichtblick auf, und zwar durch das auf Initiative des OÖ. Landesarchivs mit Unterstützung der DORIS-Gruppe3 in die Wege geleitete Projekt „Oberösterreichischer Kulturatlas“, welches die Umsetzung des Historisch-topographischen Handbuches in eine digitale Datenbank zum Ziel hatte. Der Kerngedanke des Projektes war es,4 die Vermessungsfehler in Kooperation mit geschichts- bzw. ortskundigen Heimatforschern zu korrigieren, was bei einer Anzahl von Objekten auch klaglos klappte. In vielen Fällen waren die 2 Beispiele für erhebliche Fehlverortungen sind: Burg Mühlbach (KG. Rufling, SG. Leonding) ca. 2 km; Burg Rebgau (KG. Unterregau, OG. Regau) ca. 3 km; Kosenburg (KG. Lettental, SG. Grein) ca. 4,5 km; Burgstall Nesselstein (KG. Landshut, MG. Unterweißenbach) ca. 8 km; Inferius CastrumMorspach (KG. Marsbach, MG. Hofkirchen) ca. 30 km. 3 Digitales Oberösterreichisches Raum-Informations-System. 4 Der OÖ. Kulturatlas kann unter folgender Internet-Adresse abgerufen werden: www.doris.eu/ fachinfo/kunst_kultur/histATLAS/ 5 Der zur Mitwirkung an dem Projekt eingeladene Verfasser regte damals an, unter dem originalen Datensatz jeweils einige Zeilen mit dem Hinweis auf Errata bzw. den aktuellen Wissensstand einzufügen. Dieser Vorschlag wurde bis dato nicht aufgegriffen.

5 ausgehenden 13. Jahrhundert wurde die Burganlage verlassen, der Herrschaftsbereich der Rohrer verlagerte sich ins Traunviertel, wo der Ortsname Rohr (bei Bad Hall) und die Substruktion einer Burganlage noch heute an diese Herrschaft erinnern. Die frühe Aufgabe der Ratzlburg im 13. Jahrhundert ließ darauf schließen, dass sich dort (trotz neuzeitlichen Steinraubs) Reste einer hochmittelalterlichen Burganlage ohne spätere Überbauung erhalten haben. Eine wissenschaftliche Sondierung erschien angezeigt, und dank Unterstützung durch das BFIRenovierungsprojekt Braunau ging diese in den Jahren 1992 bis 1998 unter der örtlichen Leitung des Archäologen Wolfgang Klimesch mit sehr gutem Ergebnis vonstatten. Als burgenkundliche Besonderheit wurde ein seltener oktogonaler Wehr- bzw. Wohnturm aus der Stauferzeit mit Mauerwerk aus mächtigen Tuffblöcken freigelegt, unter den Fundgegenständen stechen Keramik, Waffen (Pfeilspitzen etc.), Spielwürfel, Eisenschlüssel, Teile einer Pferdetrense (Pferdezubehör) sowie ein vergoldeter Bronzebeschlag inDrachenformhervor.7 Die Fundamentreste des achteckigen Turmes aus der Stauferzeit wurden 1999 durchW. Klimesch imAuftrag der Stadtgemeinde Braunau konserviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aus einer verwachsenen Burgstelle entstand Die teils besorgniserregende Verschlechterung des Erhaltungszustands einzelner Anlagen wird in der, nachstehend auszugsweise wiedergegebenen, Arbeit ebenfalls aufgezeigt. I. Burgen undWehranlagen im Innviertel: Ratzlburg (Rothenbuch, Ratishof) A/4/3 Ratishof: Erdsubstruktion der Burg Rotenbuch, Flurname „Ratzl- oder Ratishof“, O. Oberrothenbuch, KG. Ranshofen. 1160 Oulricus de Rattenbuech. Quelle: oöUB I/229 (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Auf der oberhalb des Inn gelegenen Schotterterrasse, zwischen den Ortschaften Mühltal (KG. Überackern) und Blankenbach (KG. Ranshofen), bestehen mehrere Wehranlagen, die bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Pfarrer Johann Ev. Lamprecht und Hugo von Preen eingehend beschrieben bzw. in Planskizzen festgehalten worden sind.6 Die sicher bedeutendste davon ist lokal als Ratzlburg oder Ratzlhof bekannt, der historische Name könnte Ror gelautet haben. Die Burganlage wurde nachweislich schon im 12. Jahrhundert n. Chr. auf einem markanten, im Grundriss etwa dreieckigen Sporn errichtet, der an der einen Seite steil zum Inn, an der zweiten zu einem natürlichen Wasserriss abfällt. Gegen das ungeschützte Hinterland wird die Anlage durch ein mehrfaches Wall- und Grabensystem abgeriegelt. Als Burgherren sind die Herren von Rohr, ein altbayrisches Adelsgeschlecht, verbürgt. Um 1100 teilte sich dieses Haus in zwei Hauptlinien (Ror, Plankenbach). Im 6 Johann Ev. Lamprecht, Archäologische Streifzüge u. Untersuchungen verschiedener Umwallungsorte des unteren Innviertels. Manuskript in d. OÖ. Landesmuseen, ohne Ort und ohne Jahr (ca. 1880). 7 Wolfgang Klimesch, Die Ratzlburg – ein Bodendenkmal der Stauferzeit. Worauf wir stehen – Archäologie in Oberösterreich. Weitra 2003, 197 ff. (mit Vermessungsplan).

6 deutet Verschiedenes darauf hin, dass es sich bei der namenlosen Anlage um Burg Rothenbuch handelt. Etwa 1,5 km flussaufwärts wiederum findet sich auf einer Schotterterrasse oberhalb des Inn eine weiträumige Abschnittsbefestigung, genannt „Ratishof“. In unmittelbarer Nähe der schon von der Struktur her wohl als urgeschichtlich interpretierbaren Befestigung erstreckt sich eine Nekropole von etwa 20 Hügelgräbern, die bereits 1917 durch Adolf Mahr archäologisch untersucht worden war. Seine Resultate weisen die Nekroso ein ansprechendes Freilichtdenkmal, das kulturell interessierte Wanderer und Radfahrer gern besuchen. Eine weitere Anlage des Hochmittelalters, die mit den Herren von Rohr in Verbindung zu bringen ist, liegt etwa 2 km flussabwärts der Ratzlburg zwischen den Ortschaften Ober- und Unterrothenbuch. Hier wurde aus der Hochterrasse des Inn durch Ausheben von Gräben das Kernwerk einer Burg herausgeschnitten. Eigenartigerweise waren die Bauarbeiten nach Errichtung der Hauptburg zum Stillstand gekommen, denn eine Vorburg oder ein Wirtschaftsbereich lassen sich nicht ermitteln.8 Trotz des „unfertigen“ Zustands und fehlender archäologischer Belege 8 Marianne Pollak, Mittelalterliche Wehranlagen und Herrensitze im VB Braunau am Inn. Bundwerk, Heft 14, Ried 1999, 39. Ratzlburg: Fundamentreste des achteckigen Turmes. Foto: Wolfgang Klimesch

7 OÖ. Landesmuseum (Jutta Leskovar) organisiert und finanziert, ermöglichte 2007 die minutiöse Untersuchung mit modernsten Methoden. Vor Grabungsbeginn prospektierte man die Schanze mittels Georadar und Geomagnetik, sodann wurden zwei Grabungsschnitte durch den Erdwall angelegt. Funde und Befunde reichen nicht weiter zurück als ins 17. Jahrhundert. Ein „keltischer Ursprung“ ist damit hinfällig, höchstwahrscheinlich datiert die Schanze aus der Zeit der bayrisch-österreichischen Grenzkonflikte während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701–1714).12 KG. undOG. Lochen, VB. Braunau Burgstall Pfaffstätt (Siedelberg) A/31/2 Siedelberg: Auf einer aus dem Hange vorspringenden Zunge befindet sich die Erdsubstruktion einer kleinen Burg (Parz.Nr. 964), KG. Pfaffstätt, Flurname „Burgstall“, aber auch „Schatzgrube“ genannt. Obwohl keine direkte Beurkundung vorliegt, wird nahezu allgemein angenommen, dass dies die Erstanlage von Pfaffstätt gewesen ist. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Grabherrs Definition dieser Wehranlage als „kleine Burg“ ist unzutreffend. Die Anlage stellt keine kleinflächige, befestigte Burg im Sinne eines hochmittelalterlichen Adelssitzes dar, sondern eine pole einwandfrei der mittleren Bronzezeit zu.9 Mahr nahm seinerzeit auch an der Wehranlage „Ratishof“ eine Probegrabung vor, die ebenfalls bronzezeitliche Funde ergeben hatte. Man kann daher mit einer gewissen Sicherheit davon ausgehen, dass Nekropole und Befestigung in engem Zusammenhang stehen und in der gleichen Epoche, nämlich in der mittleren Bronzezeit, entstanden sind. KG. und OG. Überackern, VB. Braunau (Ratzlburg, Ratishof) KG. Ranshofen, SG. Braunau, VB. Braunau (Rothenbuch) Viereckschanze bei Lochen (Keltenschanze) A/19/2 Schanze: Nächst der O. Stullerding, KG. Lochen, beim Haus Nr. 1 (Hs-Name: Süßpoint) in einerWaldparzelle (942–944) das Erdwerk einer Viereckschanze mit vorgelegtem Spitzgraben; keine Beurkundung. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Begutachtung und Vermessung des quadratischen Gebildes durch den damaligen Prähistoriker des OÖ. Landesmuseums Josef Reitinger ließen in den 1960er-Jahren sofort eine sogenannte „Keltenschanze“10 vermuten. Es ist das eine volkstümliche Bezeichnung für die vor allem in Bayern und Baden-Württemberg häufig anzutreffenden Reste viereckiger keltischer Wallanlagen. Lange Zeit als Kultbezirke interpretiert, werden sie von der Wissenschaft inzwischen eher als einstige landwirtschaftliche bzw. feudale Objekte (Gutshöfe/ Herrensitze) angesehen.11 Ein Gemeinschaftsprojekt, von den Universitäten Salzburg (Raimund Kastler) und Bangor-Wales (Raimund Karl) sowie dem 9 Heinz Gruber, Die mittelbronzezeitlichen Grabfunde aus Linz und Oberösterreich. Linzer Archäologische Forschungen, Linz 1999, 128 ff. 10 Josef Reitinger, Oberösterreich in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Linz 1969, 234 ff. (mit Vermessungsplan). 11 Vgl. Günther Wieland, Keltische Viereckschanzen – einem Rätsel auf der Spur. Stuttgart 1999. 12 Jutta Leskovar, Martina Reitberger, Klaus Löcker, RaimundKarl, FundberichteÖsterreichs, Band 47, 2008, 642.

8 mit vorgelagerten Gräben, ähnlich jenen urgeschichtlicher Höhensiedlungen. Als besonderes Charakteristikum solcher Anlagen ist weiters das Vorhandensein von Zisternen zu nennen, wie man sie auch am Siedelberg antrifft. 1985 wurde die Wehranlage am Siedelberg von der Vermessungsabteilung des Landes OÖ eingemessen und im Anschluss begrüßenswerterweise unter Denkmalschutz gestellt. KG. undOG. Pfaffstätt, VB. Braunau Burg (Burger-Gut) K/21/2 Burg: Oberhalb des Bh. Burgstaller, O. Noxberg, KG. Pramet, befindet sich das der größten und bedeutendsten Wallburgen des Frühmittelalters in Oberösterreich. Ihre relativ genaue Datierung, mit hoher Sicherheit auf die Zeit der Ungarnkriege des 10. Jahrhunderts n. Chr. hinweisend, „verdankt“ die Forschung einem Metallsondengänger, der hier um 1985 zahlreiche Fundgegenstände (ungarische Pfeilspitzen, Zierbeschläge etc.) illegal geborgen hatte. Der Privatmann übte in der Folge tätige Reue und übergab das Fundgut dem Gemeindeamt Auerbach, wo es seitdem hinter Vitrinenglas allgemein zugänglich ist.13 Frühmittelalterliche „Burgen“ wurden bis etwa zum Jahr 1000 traditionell als großflächige Wehranlagen ohne eigentliche Massivbebauung ausgeführt. Selten nur lässt sich innerhalb des geschützten Innenbereichs ein „Festes Haus“ oder ein Kirchenbau nachweisen. Schutz vor fremder oder feindlicher Annäherung boten aufgeschüttete Erdwälle 13 Marianne Pollak, Burgstall Pfaffstätt. Nachrichtenlose Burgen des ausgehenden Frühmittelalters in Oberösterreich. Mitteilungen der Archäologischen Arbeitsgemeinschaft Ostbayern, Süd- und Westböhmen. Rahden 2007, 285 ff. Frühmittelalterliches Fundgut vomBurgstall Pfaffstätt – Siedelberg: ungarischer Reitersporn (links) und ungarische Pfeilspitzen. Foto: M. Pollak

9 chun de Waldekke. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Der zweiteilige Aufbau dieser bemerkenswerten Burganlage war N. Grabherr gänzlich entgangen: Auf der Waldparzelle 474 der Katastralgemeinde Diersbach schlummern, aus dem natürlichen Gelände herausgeschnitten, die Rudimente der lokal als „G´schloß in der Schnölzen“ bezeichneten Hausberganlage, des Sitzes der Herren von Waldeck. Das etwa kegelstumpfförmige Kernwerk besitzt ein im Grundriss ovales Plateau und ist an der Nordseite durch Wälle und Gräben vom Hinterland abgeriegelt. Wenige Meter nördlich, auf der Waldparzelle 475, verweist ein rechteckiger Grundriss auf einen mit dem Wehrsystem des Hausberges verbundenen, doppelt befestigten Wirtschaftshof.15 Es liegt somit das rare Beispiel einer hausbergartigen Burganlage samt befestigtem Wirtschaftsgut vor. Die gesetzliche Unterschutzstellung des in Oberösterreich einzigartigen Ensembles wäre von höchster Dringlichkeit, da die vom Grundbesitzer anscheinend ins Auge gefasste Errichtung eines Bringungsweges den Denkmalbestand erheblich gefährden würde. KG. undOG. Diersbach, VB. Schärding Ruine Burgstall (Struben) M/15/1 Harchheim: Nächst der O. Tullern, KG. Schauern, unweit der St. PankratiusKapelle, stehen die Mauern der Burg (Ruine) Harchheim auf einem isolierten Felskopf hoch Erdwerk einer namenlosen Burg, Flurname „Burgstall“. 1399 auf der Purg; 1488 III.24 verkauft Jörg Pobmsswannter demMauricz von Tannberg „zway güter auf der Purg“. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Intensive Nachforschungen und Begehungen im bezeichneten Gebiet ergaben keinerlei Anzeichen für das „Erdwerk einer namenlosen Burg“ mit Flurnamen Burgstall oder für ein Anwesen vlg. Burgstaller. Die von Grabherr genannten Urkunden beziehen sich auf das abgekommene Anwesen vlg. Bürg (Birg) oder Burger-Gut. Dieses stand etwa 0,25 km nördlich des heutigen Wirtshauses Seeklause, nächst der Ortschaft Windischhub. Auch in der näheren Umgebung des ehemaligen Gutes ließ sich eine Wehranlage selbst nach mehrmaliger Begehung durch Experten aber nicht lokalisieren. [In der Landaufnahme dieser Gegend durch den bayrischen Kartografen Philip Apian aus dem Jahr 1568 findet sich dennoch eine Burgruine namens „Die Pürg“ eingezeichnet. Zu deren Bestimmung trug der Arzt Dr. Franz Ottinger, der sich seit Jahren der geschichtlichen Erforschung seiner Heimatgemeinde Frankenburg widmet, maßgeblich bei: Ottinger ermittelte plausible Gründe, wonach es sich bei der Anlage um die Ruine der Frankenburg handeln muss.]14 KG. und OG. Pramet, VB Ried (ehem. Burger-Gut) Waldeck (G´schloß in der Schnölzen) M/4/5 Waldeck: Die Erdsubstruktion der Burg Waldeck ober dem Schnelzenbach nächst dem Bh. Wallecker, KG. Großwaging, Flurname „G’schloß in der Schnölzen“. 1133 Wal14 Franz Ottinger, Die Frankenburg. Frankenburg 2008, 9. 15 Frdl. Hinweis vonMarianne Pollak.

10 Erbauer der kleinen Burg oberhalb der Kesselbach-Schlucht dürften (nach Zauner) die um 1130 urkundlich erwähnten Engelbert und Otto von Struben gewesen sein.17 Da Struben seit jeher ein Lehen des Passauer Bischofs war, fiel die Burg nach dem Tod des letzten Strubeners (Chalhoch) an das Bistum über der Kesselbach-Schlucht. Lokalbezeichnung Burgstall. 1260 Hainrich von Harchheim; 1307 Her Peter von Harchheim. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Der Historiker Alois Zauner kann gewichtige Argumente16 vorbringen, wonach es sich bei der im Volksmund „Burgstall“ genannten Anlage um Burg Struben, den Stammsitz des gleichnamigen altbayrischen Geschlechtes handeln dürfte. Grabherrs Annahme, hier wäre eine Burg namens Harchheim gestanden, beruht wohl auf einem Lese- bzw. Zuordnungsfehler: Die 1260/1307 aufscheinenden Heinrich bzw. Peter von Harchheim beziehen sich nämlich auf den Sitz Hartheim bei Alkoven! 16 Alois Zauner, Die Gegend von Wesen und Neukirchen am Walde im Mittelalter. Jahrbuch des OÖ. Musealvereins, 138. Band, Linz 1993, 136 f. 17 Lesefunde bestätigen mittlerweile den Bestand der Burg bereits in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts (Vgl. Serpil Ekrem, Hochmittelalterliche Oberflächenfunde vom Burgstall Harchheim, Oberösterreich. Unpubl. Proseminar-Arbeit d. Inst. f. Ur- und Frühgeschichte, Univ. Wien 2008). Das kegelstumpfförmige Kernwerk des Sitzes der Herren vonWaldeck.

11 Bruchsteinmauerwerk der Hauptburg mit deutlichen Spuren von Raubabbau.

12 Wesenberg M/25/4Wesenberg: Erdsubstruktion der Burg Wesenberg auf einem Hangsporn zur Kesselbachschlucht, von 5 halbkreisförmigen Gräben geschützt, nächst dem Bh. Wesenberger, O. Wesenberg, KG. Oberaichberg. 1296 XII.11 Perchtold von Wesenberg verkauft das „Purchstal ze Wesenberch“; 1321 XII.6. Erchenger von Wesen vermacht seinem „Oehaim Hadmar von Waldekk daz Purchstal datz Wesenberch, das ich gechauft han von dem Wesenberger“. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Die Genealogie des bedeutenden Geschlechtes der Herren von Wesen ist mittlerweile durch Alois Zauner18 präzise aufgearbeitet. Demnach wurde Burg Wesenberg in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts durch Friedrich II. von Wesen erbaut; zur Burganlage gehörte eine umfangreiche Grundherrschaft, deren Kern auf eine Besitzteilung mit Friedrichs Brüdern Richer und Wernhard zurückgehen dürfte. 1194 nannte sich Friedrich zum ersten Mal nach der Herrschaft Wesenberg. Er starb kurz nach dieser Nennung und wurde im Stift Reichersberg begraben. Wesenberg muss vor 1296 in einer Fehde zerstört worden sein, die Burg wird seither nur noch als „Purchstal“ geführt. Unter den neuen Besitzern, den Herren von Waldeck, dürfte Wesenberg bald aufgegeben worden sein, denn weitere urkundliche Erwähnungen fehlen. Wie von N. Grabherr richtig vermerkt, zeichnete sich die noch in den 1970er-Jahren bestens erhaltene Substruktiondurch fünfmächtige, aus demFelsen geschlagene Gräben aus, welche das zurück und wurde künftig nur noch an bayrische Adelige verliehen. 1244/45 konnte Bischof Rudigier, nach Jahren der Fehde und des Streites, die stattliche Burg Vichtenstein an der Donau in Besitz nehmen, die sich für die machtpolitischen Zwecke des Bistums besser empfahl als die kleine (in der Folge bald aufgegebene und dem Verfall überlassene) Burg Struben. Als 1551 unter Abt Pankraz von Engelszell in der Nähe die St.-Pankraz-Kirche erbaut wurde, bediente man sich der verlassenen Burg als Steinbruch. Doch auch dieses Gotteshaus besteht nicht mehr, denn 1781 wurde die Kirche von Kaiser Josef II. gesperrt und kurz darauf abgetragen, da hier angeblich „abergläubige Sachen“ vorgingen. Ein weiteres Mal diente die Burgruine Struben im 19. Jahrhundert als Steinbruch, als man unterhalb der abgetragenen St.-Pankraz-Kirche eine Bründlkapelle erbaute. Durch den Steinraub der vergangenen Jahrhunderte ist der Bestand von Struben massiv geschwunden: Von der Hauptburg, die auf einem markanten Felskopf lag, ist nichts mehr vorhanden, am nördlichen Steilabfall zur Kesselbachschlucht sieht man noch Reste eines rechteckigen Gebäudes; es war aus etwa einem Meter starkem Bruchsteinmauerwerk mit Eckquadern errichtet, die in der Mauermitte klaffende riesige Lücke wurde wohl durch Raubabbau verursacht. Es wäre wünschenswert, wenn diese letzten Zeugnisse der einst wichtigen Burganlage gesichert und für die Nachwelt erhalten werden könnten. KG. Schauern, OG. St. Ägidi, VB. Schärding 18 Alois Zauner, Die Gegend von Wesen und Neukirchen am Walde im Mittelalter. Jahrbuch des OÖ. Musealvereins, 138. Band, Linz 1993, 146 ff.

13 17. Jahrhunderts.20 Die Geländesituation in Wesenufer erscheint zudem für eine Burg wenig geeignet. Wenige Meter oberhalb der bekannten Burgruine Wesen (Wesenstein) findet sich jedoch eine weitere Wehranlage, die von der Forschung bislang kaum beachtet bzw. falsch angesprochen wurde (Grabherr apostrophierte sie als „Ruine des Turmes“). Das Kernwerk in Form eines annähernd kegelstumpfförmigen Hügels entstand durch Herausschneiden eines halbkreisförmigen Grabens aus dem Bergmassiv des Wesen, die hoch- bzw. spätmittelalterlichen Mauerreste am künstlich zugerichteten Plateau ragen bis zu 3 m Höhe auf und können vermutlich einem Turm (Bergfried) sowie Wohngebäuden zugeordnet werden. Gleich unterhalb des Burghügels, in Richtung der Burgruine Wesen, finden sich noch übrige Mauerzüge, die eventuell von Neben- bzw. Wirtschaftsgebäuden herrühren. Die Wehranlage ist damit als eigenständige Burg anzusprechen. Im Winter 2008 wurde die nahezu unbekannte Anlage auf Anregung des Verfassers von den Experten Heinz Gruber und Christina Schmid begutachtet. Beide tendieren zur Ansicht, dass sie als die 1325 ebenfalls explizit erwähnte obere Burg anzusehen ist. Die benachbarte untere („niedere“) Burg wäre daher mit der bekannten Burgruine Wesen gleichzusetzen. KG. Wesenufer, OG. Waldkirchen am Wesen, VB. Schärding markant über der Kesselbach-Schlucht gelegene Kernwerk halbkreisförmig gegen das Hinterland abriegelten. Ältere Berichte sprechen auch von erhaltenen Mauerzügen am Burghügel. Vor wenigen Jahren wurde die bemerkenswerte Anlage, die nicht unter Denkmalschutz stand, bei landwirtschaftlichen Meliorationsarbeiten leider weitgehend zerstört. Obwohl die Notwendigkeit eines Bringungsweges auf dem exponierten Sporn nicht erkennbar ist, vollendeten Planierungsarbeiten dieses sinnlose Vernichtungswerk, das behördlich unbedingt verhindert hätte werden müssen. So lässt sich der Standort des 800 Jahre alten Objekts heute nur noch erahnen.19 KG. Oberaichberg, OG. Waldkirchen amWesen, VB. Schärding Wesen (Wesenstein), Niederwesen M/25/9 Wesen: Ruine der Burg Wesen, auch Wesenstein genannt, in der O. Graben, KG. Wesenufer; durch moderne Aufbauten verunstaltet. Die Ruine des Turmes oberhalb der Straße. Ca. 1125 Manegoldus de Wesene; 1140 Manegolt de Wesen. M/25/10 Niederwesen: In der O. und KG. Wesenufer steht der mehrfach umgebaute Sitz Niderwesen, es ist die ehemalige Brauerei Niklas (jetzt Bierdepot). 1325 XI.30. Testament des Hadmar von Waldeck: „meineu paiden Haevser dacz Wesen, das nider vnd daz ober“. (Originale Datensätze nach N. Grabherr). N. Grabherrs Annahme, die 1325 explizit erwähnte untere („niedere“) Burg wäre mit dem ehemaligen Bräuhaus in der Ortschaft Wesenufer gleichzusetzen, ist kritisch zu hinterfragen, denn dessen älteste Gebäudeteile stammen nachweislich aus der ersten Hälfte des 19 Spärliche Reste der Annäherungshindernisse lassen sich nur noch nördlich und südlich des ehem. Kernwerkes verifizieren. 20 Dehio-Handbuch Oberösterreich, 1977, 375.

14 Torturm der bekannten Burgruine Wesen (Wesenstein).

15 Eine Exkursion des Verfassers am Gronall in der zweiten Hälfte der 1970erJahre erhärtete die von Reitinger angemeldeten Bedenken: Die Geländeverformungen erbrachten keinerlei Indiz für eine Burganlage. Bis in die jüngste Zeit hielten einige Forscher allerdings an der „Burg-Theorie“ fest. Neben der verschiedentlich wiederholten Deutung des Erdwerkes als „Veste Stainsulz“ (s. o.) gab es auch Stimmen, die hier den Stammsitz der Geltinger, eines in der Gegend ansässigen Schaunberger Dienstmannengeschlechtes,24 lokalisierten. Vereinzelt wurden auch eine „frühmittelalterliche Fliehburg“ bzw. sogar ein „römischer Wachturm“ vermutet. Zur Klärung des „Falles“ kontaktierte der Verfasser im Sommer 2009 den zuständigen Bodendenkmalpfleger beim Landeskonservatorat für Oberösterreich, Heinz Gruber. Der Archäologe bestätigte an Ort und Stelle die Zweifel an der „Burg-Theorie“, aber auch die artifizielle Herkunft der Terrainverformungen.25 Nach nochmaliger Analyse gelangte Gruber schlussendlich zu dem II. Burgen undWehranlagen imHausruckviertel: Erdwerk auf demGronall B/11/1 Erdwerk auf dem Chranall: Auf dem Kranall bzw. Chranol genannten Höhenrücken bei der O. und KG. Finkenham befindet sich die Erdsubstruktion einer großen Burg. Da sich keinerlei Beurkundung einer Burg dieses Namens findet – 1592 ain holz genant das Khranol – ist anzunehmen, dass hier die Burg Stainsulz gestanden hat (siehe B4/1). (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Merkwürdige Geländeverformungen wecken automatisch den Spürsinn und die Phantasie des forschungsbegeisterten Fachmanns. So signalisierte ein Heimatkundler in den 1960er-Jahren am Gronall-Berg21 bei Finklham angesichts auffallender Terrainspuren im nördlichen Gipfelbereich eine „bislang unbekannte Burganlage“. Die von Josef Reitinger wenig später absolvierte Begehung verlief ergebnislos – ein dichter Jungwald und eine Umzäunung verwehrten obendrein einen vollständigen Überblick. Reitingers Monografie über die ur- und frühgeschichtlichen Funde in Oberösterreich (1968) erwähnt die „Burgstelle“ am Gronall ausdrücklich unter Vorbehalt;22 diese Notiz dürfte Grabherr für sein eigenes Handbuch ohne die bewusste Einschränkung übernommen haben. Problematisch erscheint auch sein Versuch, die 1318 und 1331 urkundlich genannte „Veste Stainsulz“ am Gronall festzumachen; schon aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist die Lagestelle dieser mittlerweile gänzlich abgekommenen Burg in der etwa 3 km entfernten Ortschaft Steinholz anzunehmen.23 21 Der Berg, der von N. Grabherr und J. Reitinger als „Chranall, Kranall, Chranol“ etc. bezeichnet wird, ist in der Österreich-Karte als Gronall (Kote 432 m) eingetragen. 22 Josef Reitinger, Die ur- und frühgeschichtlichen Funde in Oberösterreich. Linz 1968, 386 u. 449. 23 Erwin Hainisch, Denkmale im politischen Bezirk Eferding. Linz 1933, 80. 24 Die tatsächliche Lagestelle des Sitzes Gelting befand sich am Fuße des Gronall Berges, und zwar beim Anwesen vlg. Geltinger (KG. Hundsham, OG. Buchkirchen). Der Burgstall westlich des Gutes war in den 1970er-Jahren noch erkennbar, wurde aber zwischenzeitlich einplaniert. 25 Die Verformungen bestehen aus länglichen (Entnahme-)Gräben und (Schutt-)Hügeln, die „wirr“ am gesamten nördlichen Gipfelbereich verteilt sind.

16 Anstoß zu dem Nachweis, dass wir hier, lokaler Überlieferung zum Trotz,26 weder die Überreste einer Burganlage noch die Relikte eines römischen Wachturms oder gar eines „Heidentempels“ vor uns haben, verdankt sich konkret Irene und Christian Keller,27 den Autoren des im Herbst 2009 präsentierten Geboltskirchner Heimatbuchs. Schon vor geraumer Zeit hatte das Forscherehepaar Begehungen durch namhafte Archäologen und Wissenschafter initiiert, doch selbst dann war manche Frage rund um die eigenartige Fundstelle offengeblieben. Auf Anregung der Archäologin Christine Schwanzar (OÖ. Landesmuseen) wurde das Alter der ominösen Ziegel schließlich objektiv bestimmt – durch das Wiener Atominstitut mittels der komplizierten „Thermolumineszenz“-Methode. Das Ergebnis verwirrte: Die Ziegelstücke sind vor etwa 4 500 bis 6 000 Jahren gebrannt worden, also in der Jüngeren Steinzeit, lange bevor es in unseren Breiten menschliche Ziegelherstellung gab! Licht ins Dunkel brachte erst die Untersuchung einiger Proben durch das Institut für angewandte Geowissenschaften und Geophysik an der Montanuniversität Leoben: Die Wissenschafter gehen zu 99 Prozent davon aus, dass nur ein Kohlen-Flözbrand die Verziegelungen verursacht haben kann. Und dieser Erdbrand dürfte durch Blitzschlag entstanden sein. [Flözbrände sind im kohlereichen Hausruckviertel keine Resultat, dass diese durch den Abbau von Gesteinen oder Mineralien entstanden sein dürften. Seine Auffassung wird von Bodenkundler Hans-Peter Haslmayr und dem Geologen Manfred Linner im Prinzip geteilt: Der Gipfelbereich des Gronall besteht aus der sogenannten Kletzenmarkt-GlaukonitsandFormation der Molassezone; in dieser Formation gibt es Sandsteinlagen, und Sandstein war schon immer ein begehrtes Baumaterial. Man kann daher annehmen, dass er auch amGronall gewonnen wurde. Nicht minder abbauwürdig ist der Glaukonitsand, ein wertvolles, in der Landwirtschaft vor Einführung der industriellen Kunstdüngerproduktion oft als Kaliumdünger eingesetztes Mineral. (Auch Schliergewinnung kommt für das Entstehen der Terrainverformungen theoretisch in Frage). KG. Finklham, OG. Scharten, VB. Eferding (Erdwerk auf demChranall) KG. Hörstorf, OG. Fraham, VB. Eferding (O. Steinholz) Ziegelroith E/5/4 Ziegelroith: Auf der Kuppe einer Anhöhe bei der O. Buchleiten (bewaldet) kommen stets bei Aufgrabungen (z. B. Wurzelausstockungen) Ziegeltrümmer, aber auch flache, größere Stücke zum Vorschein, daher der Flurname „Ziegelreut oder -roith“; keine Beurkundung. Lit.: Kurz, Gaspoltshofen, S. 135 und mündl. Überlieferung, dass hier ein Heidentempel gestanden hat. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Die wissenschaftliche Entschlüsselung des Phänomens der vor allem bei Rodungsarbeiten im Waldboden immer wieder zu Tage getretenen Ziegelstücke glückte erst vor wenigen Jahren. Der 26 Vgl. Alois Grausgruber, Sagen aus dem Hausruckviertel. Die Ahnfrau von der Ziegelroith. OÖ. Heimatblätter, Heft 1/2, Linz 1969, 44 f. 27 Irene u. Christian Keller, Das Rätsel der Ziegelroith. Bundschuh Nr. 11, Ried 2008.

17 Der interessante Hinweis auf eine „weitere Burg“ nächst der bekannten Burgstelle Pollheim, (Stammsitz des gleichnamigen Geschlechts), rief in den 1960er-Jahren Josef Reitinger einmal mehr vor Ort. Die Begehung der Lagestelle oberhalb des Schmidgrabens erbrachte indes einzig Relikte einer Viereckschanze. Bei der Übermittlung des Datensatzes an N. Grabherr ist dann offenbar ein Fehler passiert (siehe den falsifizierenden Begriff „Burgstall“). Auch die Grabherr’schen Verortungsangaben stimmen nicht ganz, denn das Objekt liegt etwa 1,2 km östlich des Pollheimer Burgstalls. Ein nochmaliger Lokalaugenschein, 2004 durch die Archäologen Christian Seltenheit, zuletzt hatte um das Jahr 1800 ein Blitz nahe der Ortschaft Gschwendt einen solchen ausgelöst]. KG. Altenhof, OG. Gaspoltshofen, VB. Grieskirchen Viereckschanze imPollhamerWald E/17/2 Burgstall: Ungefähr 500 m östlich der Burgstelle Pollheim E/17/1, KG. Forsthof, befindet sich auf einem Hangsporn des PollhamerBerges das Erdwerk eines Burgstalles (Halsgraben, Wall und Vorgraben von Hang zu Hang verlaufend); keine Beurkundung. Frdl. Mitteilung durch Dr. Reitinger, oöLd Museum, vom 13.V.1968. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Verziegelungen als mutmaßliche Folge eines jungsteinzeitlichen Kohlen-Flözbrandes. Foto: Irene Keller

18 Grabherrs Angaben zu dieser bedeutenden Befestigungsanlage, von der Bevölkerung „Burgwiese“ bzw. „Moarin-der-Thann-Burg“ genannt, sind samt und sonders unrichtig; der Flurname „Burgstall“ ist total unbekannt, die korrekte Katastralgemeinde ist Kremsdorf, nicht Fleckendorf. Im Handbuch fälschlich als „Erdwerk einer kleinen Wehranlage“ bezeichnet, verkörpert das Objekt die Reste einer großflächigen Wallburg (etwa 20 000 m2), angelegt auf einem markanten Höhensporn oberhalb des Mündungsbereiches der Krems in die Traun. Für eine Wehranlage hatte sich die Stelle insofern vorzüglich geeignet, als sie nach drei Seiten steil abfällt und schon dadurch bestens geschützt ist. Am einzig möglichen Zugang von Südosten her wurden zwei mächtige Wallgräben ausgehoben bzw. aufgeschüttet, der Platz damit praktisch unbezwingbar gemacht. Die Wissenschaft entdeckte die Burgwiese in den 1930er-Jahren, als wenige Meter außerhalb der Wallburg durch den Geologen Josef Schadler eine ausgedehnte Hügelgräber-Nekropole verifiziert und anschließend archäologisch untersucht werden konnte. Dabei stießen die Ausgräber auf Grabbeigaben aus der Hallstattzeit, von denen mehrere Tongefäße sowie ein bronzener Armreif in das OÖ. Landesmuseum gelangten.28 Die wichtige Frage, wie alt die Erdwälle der Burgwiese sind und wer sie erbaut hatte, konnte erst Jahrzehnte später geklärt werden: Ein Forschungsprojekt des Linzer Stadtmuseums Nordico und Hemmers, Jutta Leskovar, Stefan Traxler und den Verfasser vorgenommen, ergab folgenden Fundbericht: „Oberhalb der Talschlucht des Schmidgraben-Baches ist ein markanter Bergsporn ausgebildet, der nach Norden und Süden durch steile Abfälle schon auf natürliche Weise geschützt ist. Auf der relativ ebenen Hochfläche besteht ein Erdwerk in Form einer rechteckigen Viereckschanze, die eine Größe von etwa 35 x 30 m aufweist. Die Wallhöhe beträgt bis zu ca. 2 m. ImWesten und Osten sind dem Erdwall tiefe Gräben vorgelegt. Im Norden, am Abfall zum Schmidgraben, fehlt der Wall gänzlich, entweder ist er in die Tiefe gerutscht oder war nie vorhanden.“ Drei Jahre darauf wurde die, ohnehin vorsichtige, Annahme einer keltischen Viereckschanze im Sinne eines La-Tènezeitlichen Gutshofes bzw. Herrensitzes durch die (eingangs dieser Arbeit erwähnte) Untersuchung der Schanze bei Lochen erheblich erschüttert. Man datiert unterdessen auch das Objekt im Pollhamer Wald eher in die Zeit der bayrisch-österreichischen Grenzkonflikte. Letzte Gewissheit könnte nur eine weitere archäologische Untersuchung bringen. KG. Forsthof, OG. Pollham, VB. Grieskirchen III. Burgen undWehranlagen im Linzer Zentralraum: Burgwiese, Moar-in-der-Thann-Burg H/2/1 Burgstall: Auf einem Hangsporn das Erdwerk einer kleinen Wehranlage, Flurname „Burgstall“, nächst der O. Grabwinkel, KG. Fleckendorf; keine Beurkundung. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). 28 Peter Trebsche, Neue Einblicke in die Urgeschichte von Ansfelden. Die Ausgrabungen auf der Burgwiese 1999–2002. Worauf wir stehen – Archäologie in Oberösterreich. Weitra 2003, 77 ff.

19 Moar-in-der-Thann-Burg: Schnitt durch den inneren Erdwall.

20 Anzeichen einer Burgstelle. Wie schon Josef Reitinger32 seinerzeit bemerkte, wurde offensichtlich eine natürliche Terrainformung falsifizierend interpretiert. (Brosch hatte als passionierter Heimatforscher eine Reihe wertvoller Abhandlungen veröffentlicht; seine Kompetenz auf dem Gebiet der Bodendenkmale war jedoch begrenzt.)33 Nach Abwägung aller Fakten ist davon auszugehen, dass beim Mayerhofer-Gut in Friesenegg eine Burg namens Lützlburg nie bestand. KG. Holzheim, SG. Leonding, VB. LinzLand IV. Burgen undWehranlagen imMühlviertel: Burgstall Alt-Hagenberg C/3/2 Burgstall: Auf einem Hangsporn gegenüber Schloss Hagenberg, O. und KG. Hagendes Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der UniversitätWien (– die Grabungsleitung vor Ort hatte Peter Trebsche inne –) ermöglichte ab Sommer 1999 die schon lange erwünschte archäologische Untersuchung der Wallburg. Neben vielen anderen, bedeutsamen Aufschlüssen29 kamen die Wissenschafter zu dem vorläufigen Resultat, dass die Wallburg bereits in der frühen Bronzezeit entstanden ist und im Frühmittelalter wiederverwendet bzw. ausgebaut wurde. Die Stadt Ansfelden ließ inzwischen dankenswerterweise einen Kulturwanderweg mit Hinweistafeln zur Geschichte der jahrtausendealten „Burgwiese“ und deren wissenschaftlicher Untersuchung30 anlegen. (Das geborgene Fundgut befindet sich zur Restaurierung und Auswertung in der Archäologischen Studiensammlung des Linzer Stadtmuseums). KG. Kremsdorf, SG. Ansfelden, VB. Linz-Land Lützlburg (Litzlberg, Aichberg) H/11/2 Lützlburg: Auf der dem Mayerhofergute zunächst gelegenen Grundparzelle Nr. 686, anstoßend an denHirschgraben, befindet sich die noch gut erkennbare Erdsubstruktion eines Sitzes, KG. Holzheim. 1376 XII.4 Thomas Aczpekch von Holczhaim; 1455 Anton Aczpekch hat zu Lehen ainen Hof zu Obernhoczhaim mitsambt dem Purkstal an der Luclburg. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). N. Grabherrs beim Anwesen vlg. Mayerhofer in Friesenegg vermutete Existenz eines „Sitzes namens Lützlburg“ basiert auf einem älteren, wohl unzutreffenden Bericht von Franz Brosch.31 Die Geländemerkmale am fraglichen Ort neben dem Hirschgraben zeigen keinerlei 29 Als kleine archäologische Sensation wäre etwa der Fund einer neolithischen Feuerstein-Klinge zu nennen, die aufgrund ihrer Herkunft aus einer Mine in Südtirol mit der Gletschermumie „Ötzi“ in Zusammenhang gebracht werden kann. 30 Die umfangreichen Grabungsergebnisse können mittlerweile auch auf einer Website der Universität Wien eingesehen werden: homepage.univie. ac.at/peter.trebsche/ (Stand 2010). 31 Franz Brosch, Litzlberg und Lützlburg. OÖ. Heimatblätter, Heft 4, Linz 1947, 299 ff. 32 Die Lokalität war dem Landesarchäologen gut bekannt, da er seinen Wohnsitz in unmittelbarer Nähe hatte. 33 In diesem Zusammenhang sei auch auf seine falsifizierende Lokalisierung der Burg Rotenfels verwiesen (vgl. Franz Brosch, Der Rotenfels, Jahrbuch des OÖ. Musealvereins, 109. Band, Linz 1964, 245 ff). Die von Brosch genannte Lagestelle auf einer Kuppe am orografisch rechten Ufer der Großen Rodl (KG. Geng, OG. Eidenberg) birgt überhaupt keine Hinweise auf eine ehem. Burgstelle.

21 sich das Erscheinungsbild der Anlage seitdem erheblich verändert hat.39 [Der ursprünglich in einem Hohlweg westlich des Burgstalls situierte Pechölstein,40 der in engem Zusammenhang mit dem Sitz stehen dürfte (Pechölgewinnung ist im Mühlviertel ab 1188 urkundlich verbürgt), konnte durch die OÖ. Landesmuseen glücklicherweise bewahrt werden. Lange Zeit im Innenhof, zuletzt im Südflügel des Linzer Schlosses ausgestellt, gehört er jetzt zum Konvolut „Römersteine“ im Depotbereich der Außenstelle Welserstraße.]41 KG. undOG. Hagenberg, VB. Freistadt Turntobel (Eberstein) C/6/3 Turnerdobl: Ruine einer namenlosen Burg auf dem „Turnerdobl“ genannten Berg, zwischen den Bhs. Turner und Ebersteiner, KG. Pernau. Diese Burg dürfte infolge des Burberg, keine Beurkundung. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Der Burgstall Alt-Hagenberg34 war schon aufgrund seiner Lage auf einem nach drei Seiten steil abfallenden Sporn, hoch über der Talschlucht der Visnitz, ein „klassischer Vertreter seiner Art“. Gegen das Hinterland durch einen tiefen, aus dem Fels geschlagenen Abschnittsgraben abgesichert, zeigte die ansonsten relativ einfach gehaltene Anlage am östlichen Endpunkt Mauerzüge eines „Festen Hauses“. ImHochmittelalter waren hier vor allem die edelfreien Sippen der Wartberg/ Gaisbacher sowie der Aister präsent, und vermutlich – das Fehlen entsprechender Belege gestattet nur Hypothesen – hat eine dieser Herrschaften den Burgbau an der einstmals bedeutenden Salzstraße nach Böhmen veranlasst.35 Der Mühlviertler Burgenforscher Alfred Höllhuber36 – seine umfangreich dokumentierte archäologische Untersuchung (Sommer 2004) hatte vor allem mittelalterliche Keramikscherben, Metallgegenstände, einen Spinnwirtel sowie Tierknochen ergeben37 – dürfte der Letzte gewesen sein, der Alt-Hagenberg noch in unbeschädigtem Zustand zu Gesicht bekam. Im Winter 2008/09 wurde der Burgstall beim Bau eines Bringungsweges weitgehend einplaniert. Der Zerstörungsakt ist umso unbegreiflicher, als der Grundbesitzer vom historischen Stellenwert der Anlage unterrichtet gewesen war und die Schaffung eines derartigen Weges auf dem exponierten Felssporn jeder wirtschaftlichen Notwendigkeit entbehrte. Die vom OÖ. Landeskonservatorat zwischenzeitlich verfügte Unterschutzstellung38 Alt-­ Hagenbergs ändert nichts daran, dass 34 Die in einer älteren Abhandlung getroffene Ansprache des Objektes als „Hauser-Burgstall“ (vgl. N. Grabherr, Der Burgstall. OÖ. Heimatblätter, Heft 2/3, Linz 1961, 162) beruht auf einer Falsifikation und wurde auch von N. Grabherr in Folge nicht mehr angewendet. 35 Leopold Mayböck, Historische Bauten, Bez. Freistadt, Nr. III. Manuskript, Schwertberg 2010. 36 * 1919 Gutau, † 2008 Reichenstein. 37 Alfred Höllhuber, Alt Hagenberg, die ehemalige Burg am uralten Salzweg von Gusen an der Donau über Wartberg nach Böhmen. Reichenstein 2005. 38 Um die zügige Abwicklung des Verfahrens zeichnete sich insbesondere der Archäologe Heinz Gruber aus. 39 Der aktuelle Zustand des Bodendenkmales kann in der Website des Burgenforschers Markus Hauser eingesehen werden: www.burgenkunde.at (Stand 2010). 40 Karl Radler, Pechölsteine. Heimatgaue, Heft 2, Linz 1932, 147 ff. 41 Frdl. Hinweis von Ute Streitt.

22 bungskampagne wurden mehrere Mauerzüge freigelegt und Befunde gesichert, die eine Datierung in die zweite Hälfte des 12. bzw. 13. Jahrhunderts n. Chr. zuließen (s. o.). Die im Zentrum der Befestigungsanlage auf der Bergkuppe verifizierte 12 x 12 m messende Steinsetzung wurde von den Archäologen als mutmaßliche Basis für einen Holzaufbau interpretiert. Beim Anlegen des Wallgrabens dürften teils natürliche Geländeformungen benutzt worden sein, an anderen Stellen wurde der Graben künstlich bis zu einer Tiefe von etwa 2,5 m ausgehauen. Ob der aus Bruchsteinen bestehende Wall ursprünglich eine feste Mauer gebildet hatte, konnte nicht geklärt werden. Die untere „Turmburg“ war offenbar in einem Feuerbrand zerstört und später neu aufgebaut worden; Funde und Befunde indizieren jedenfalls eine zumindest zweiphasige Nutzung des befestigten Felssporn-Areals.45 Unterdessen beschäftigte sich Archivkurator Leopold Mayböck mit urkundlichen Nennungen, die einen Bezug zum Turntobel haben könnten. Seine Erhebungen ergaben einen 1170 in diegenbauverbotes unter König Ottokar II. von Böhmen nicht mehr fertig gestellt worden sein (Steine, vom Rohbruch bis zum fertig behauenen Quader, samt Absplissen liegen umher); keine Beurkundung. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Vorweg: Grabherrs Hypothese, die Burg am Turntobel42 sei aufgrund eines Ottokar’schen Bauverbots „nie fertig gestellt“ worden, ist heute zweifelsfrei widerlegt. Die Anlage entstand nachweislich bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, etwa 100 Jahre bevor der Przemyslide Ottokar II. durch seine Heirat mit Margarete von Babenberg Österreich übernehmen und entsprechend in die Gesetzgebung des Landes eingreifen hätte können. Die Burg am Turntobel birgt dennoch einige Rätsel, besteht sie doch im Grunde genommen aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen: die Wehranlage an der höchsten Stelle der Bergkuppe (mit halbkreisförmigem Graben und Außenwall) nährte ihrer einfachen Struktur wegen gelegentlich die Annahme einer frühmittelalterlichen Wallburg. Die zweite Wehranlage, auf einem Felssporn etwa 40 Meter nordöstlich der Kuppe, oberhalb der Abfallkante zu einer tiefen Schlucht, besteht hingegen im Wesentlichen aus zwei Flankenmauern und einem etwa 4,60 x 6,20 m großen rechteckigen Turm, dessen Mauern bis zu einer Höhe von etwa 2 m erhalten sind. Auf Betreiben der von dem Mühlviertler Künstler und Heimatforscher Otto Ruhsam in den 1990er-Jahren gegründeten „Arbeitsgemeinschaft Turntobel“43 starteten 2003 archäologische Sondierungen44 unter der Leitung von Christine Schwanzar. Bei dieser, 2006 in erster Etappe abgeschlossenen, Gra42 Der in der Österreich-Karte namentlich nicht bezeichnete Berg (Kote 694 m) wird im Volksmund als Turnerdobl, Turntobel, Steiningerberg etc. angesprochen. 43 Die Arbeitsgemeinschaft richtete mittlerweile auch eine eigeneWebsite ein, in der die Ergebnisse von Archäologie und Archivforschung abgerufen werden können (www.turntobel.com). 44 Josef Engelmann u. Otto Ruhsam, Burgstall Turntobel. Worauf wir stehen – Archäologie in Oberösterreich. Weitra 2003, 254 ff. (mit Vermessungsplan). 45 Josef Engelmann u. Magdalena Stütz, Fundberichte Österreichs, Band 43, 2004, 985–987.

23 1442 Jörg Gresl hat zu Lehen ain purkchstal genant der Nesslstain mit seiner zugehorung, gelegen in Schönawer pharr. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Beim Lokalaugenschein in den 1970er-Jahren entdeckte der Verfasser an der imHandbuch angeführten Lagestelle „auf einem namenlosen Berg nahe der Ortschaft Straß“ (KG. und OG. Schönau im Mühlkreis) zu seiner Überraschung nicht die Spur einer versunkenen Anlage. Weshalb Grabherr den Burgstall Nesselstein ausgerechnet hier lokalisiert hatte, bleibt rätselhaft; einschlägige Flurnamen fehlen im Raum Straß ebenso wie allfällige andere Zeugnisse. Der Text der relevanten Urkunde46 aus dem Jahr 1446 („…Item ain purkchstal ser Gegend sesshaften Herren namens Eberhard von Pernau, dessen Stammsitz mit einer abgekommenen Burganlage beim Anwesen vlg. Mayr in der Pernau, etwa 1 km nördlich des Turntobels, gleichgesetzt werden kann. Und da der für die Gegend ringsum gebräuchliche Name „Eberstein“ zugleich als Burgname zu verstehen ist, erscheint die Folgerung legitim, dass Eberhard von Pernau in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts tatsächlich auch die Burg am Turntobel errichtet hat. KG. Pernau, MG. Kefermarkt, VB. Freistadt Burgstall Nesselstein (Nesslstein) C/17/2Nesselstein:Name einer abgekommenen Burg, gelegen bei der O. Straß, KG. Schönau. 46 Wallseer Lehenbuch 1446, Hs. Nr. 39, 110. Rudimente des rechteckigen Turmes der zweiten (unteren) Wehranlage.

24 OÖ. Landesausstellung der Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Man darf gespannt sein, zu welchen Ergebnissen das aus Archäologen, Burgenforschern und Historikern zusammengesetzte Forum im Einzelnen gelangen wird. KG. Landshut, MG. Unterweißenbach, VB. Freistadt Kosenburg I/5/2 Kosenburg: Die Lagestelle der Kosenburg, Erdsubstruktion und weniges Mauerwerk, befindet sich auf den Gründen des Bh. Mayrhof, KG. Panholz. 1383 V.8. Hanns der Knewzzer gibt dem Ruger Harsser für seine treuen Dienste den Zehent auf 23 Häuser bei der „Khosenpurkch in Saechsner pharr“. (Originaler Datensatz nach N. Grabherr). Bei der Lokalisierung dieser einst bedeutenden Burganlage verwechselte Grabherr das Anwesen vlg. Mayerhofer in Dornach mit einem gleichnamigen in Panholz. Die tatsächliche Lagestelle der Kosenburg ist etwa 4,5 km südsüdwestlich der im Handbuch angegebenen zu finden. Wie eine kürzlich durchgeführte Begehung der Kosenburg ergab, sind von den Burgresten auf einem markanten Sporn oberhalb des Donautals noch der Schildwall mit vorgelegtem Graben und einige Mauerzüge zu erkennen. Landwirtschaftliche Meliorationsarbeiten haben leider auch hier ihr schädliches Werk getan. Der Grundbesitzer versichert jedoch, das Bodendenkmal in Zukunft „schonen“ zu wollen. genant der Nesslstain mit seiner zugehorung allez gelegen In Weyssenpekcher vnd In Schönnawer pharr“) bot jedoch eine Alternative, nämlich die, dass man in der Marktgemeinde Unterweißenbach fündig werden könnte, und dies sollte sich zu guter Letzt bestätigen. In den 1980er-Jahren erreichte den recherchierenden Forscher Alfred Höllhuber aus Lehrerkreisen der entscheidende Hinweis auf einen Berg in Unterweißenbach mit recht ähnlich klingendem Namen. Unweit der Ortschaft Hackstock gelegen, von der Bevölkerung als „Nestlberg“, „Nesselberg“ oder „Ästelberg-Mauer“ bezeichnet, war er nach lokaler Überlieferung früher Standort eines „Heidentempels“. Einstemmungen am Gipfelfelsen ließen Höllhuber rasch auf eine mittelalterliche Holzburg schließen. In den folgenden Jahren wurde die Stelle unter Mitarbeit von Franz Kranzler, Leopold Mayböck und anderen Forschern archäologisch weiter abgetastet, wobei zahlreiche Fundstücke wie etwa graphitierte Keramikscherben und Eisengegenstände (Pfeilspitzen, Messer sowie ein Schlüssel) zum Vorschein kamen.47 Anhand der aus Untersuchungen einer vergleichbaren Holzburg48 gewonnenen Erkenntnisse ließ Höllhuber ein aussagekräftiges Modell dieses eigentümlichen Wehranlagen-Typs anfertigen, dessen Verbreitung im Wesentlichen auf das untere und das obere Mühlviertel beschränkt ist. Eine fachübergreifende wissenschaftliche Aufarbeitung der von Höllhuber verifizierten Burganlagen samt ihrer Fundgegenstände verspricht das interdisziplinäre Projekt „Landschaft – Burg – Herrschaft. Landesausbau und adelige Sachkultur im Unteren Mühlviertel“, das im Jahre 2013 anlässlich der 47 Alfred Höllhuber, Ain purkchstal genant der Nesslstain, Reichenstein 1994. 48 Hausberg an der Schwarzen Aist, KG. Harrachstal, MG. Weitersfelden.

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