OÖ Heimatblätter 2010 Heft 3/4

134 schwitzen nun seit zwei Tagen in diesem heißen Hotel in diesem heißen Ort. Das Hotel hat kein elektrisches Licht, sondern Kerzen, die um 23.00 Uhr im ganzen Haus gelöscht werden … Wir sind ins Mittelalter zurückgefallen.“8 Was war die Ursache? Nun, Ischl war in eine typische Innovationsfalle getappt und hatte aufs falsche Pferd gesetzt. Die 1870 eingeführte Gasbeleuchtung, zu ihrer Zeit ein technologischer Hit, war mit hohen Kosten errichtet worden. Entsprechend schwer taten sich die sparsamen Stadtväter, auf das neue System umzuschwenken. Ab 1899 begann zumindest der Diskussionsprozess für ein Ischler E-Werk, trotz vieler möglicher Standorte und zahlreich vorgelegter Firmenpläne wurde das Ziel aber nicht straff genug verfolgt. Manche waren vom Sieg der Elektrizität offenbar nicht überzeugt und spielten auf Zeit. Der Erwerb des insolventen Gaswerkes Ende 1899, im Zuge dessen man die Auer’schen Gasglühlampen erneuerte und sogar die Erweiterung des Netzes ernsthaft erörterte, belegt das Lavieren des Stadtamtes. Schlussendlich setzte sich die „Elektrizitätsfraktion“ durch, Ischl kaufte 1901 das bankrotte Pappwerk in Weinbach, und 1904 erhielt der Ort seine heißersehnte elektrische Beleuchtung. Bürgermeister Karl Wiesinger hatte sich unermüdlich dafür eingesetzt und wurde zum Dank mit der Ehrenbürger-Urkunde bedacht. Kurz nach 1900 waren die Einzelanlagen auch in Ebensee an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen: „In Ebensee ist man Gipfel des Schafberges, wo das Hotel und die Wettersteinhöhle erhellt wurden. „Die Schafbergbeleuchtung mit elektrischem Betrieb erscheint als eine technische Leistung ersten Ranges“ jubelte eine Zeitung.6 Die projektierte Seilbahn zwischen Alm und Gipfel kam allerdings über das Entwurfsstadium nicht hinaus. Die neue Energieform hatte der Firma Stern & Hafferl ein weitreichendes Betätigungsfeld eröffnet; sie verwirklichte in nur 15 Jahren praktisch alle bis dahin vorhandenen Konzepte und bewies bei Konkurrenzvorhaben den längeren Atem bzw. das höhere Geschick in der Umsetzung. Unternehmerische Fortune und unglaubliche Hartnäckigkeit im Verfolgen einmal als richtig erkannter Ziele waren der Grundstock für den Erfolg des aus einem kleinen Ingenieurbüro hervorgegangenen Vorläufers der heutigen Energie AG. In den nächsten Jahren werden die Nachrichten zu den Einzelanlagen spärlicher, die Blickrichtung galt den kommenden Zentralstationen, die ganze Orte beleuchten sollten. Aussee machte 1892 den Anfang, Gmunden erhielt die neue Beleuchtung 1895, St. Wolfgang größtenteils 1898 (mit dem Ausbau der Kapazität des Dampfkraftwerkes). Ischl geriet gegenüber den übrigen „Sommerfrischen“ ins Hintertreffen. Karl Kraus ätzte in einem Brief 1896: „Über eine schlechte Beleuchtung [in Ischl] kann man sich nicht beklagen, da die Gemeinde einen tadellos funktionierenden Mond besitzt, der hin und wieder stille durch die Wolkengassen dahingeht.“7 Der 1898 in Ischl weilende, zur künstlerischen Übertreibung neigende Schriftsteller Mark Twain erlebte angesichts der stromlosen Rückständigkeit gar beinahe einen Kulturschock: „Wir 6 Linzer Tagespost, 24. August 1894. 7 Braakenburg, J., 1979: Karl Kraus. Frühe Schriften 1892–1900. – München, S. 54. 8 Rogers, H., 1969: Mark Twains Correspondence 1893–1909. – Los Angeles, S. 230.

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